Paula Bosch
Von Winzern, Wein und Weisheit
von Barbara Schulz
19. Oktober 2018
Paula Bosch ist die bekannteste Sommelière Deutschlands. Kein Wunder: Sie lebt ihre Passion. Ohne Seitenblicke auf Eitelkeit und laue Moden.
Aus ihrem Faible für französischen Bordeaux, deutschen Riesling und Grünen Veltliner aus Österreich macht Paula Bosch kein Geheimnis. Darüber hinaus lässt sie sich aber nicht auf einen Lieblingswein festlegen. Stattdessen fahndet sie ständig nach Tropfen von hoher Qualität – rund um den Globus, bei etablierten Winzern oder jungen Talenten, auf Messen, in Restaurants oder im Rahmen von Verkostungen. Ist sie fündig geworden, lässt sie es aber nicht bei einer Probe bewenden. Idealerweise beobachtet und degustiert sie Weine über Jahre hinweg. Denn nur im Vergleich können die von ihr auserwählten beweisen, dass sie keine Eintagsfliegen waren, sondern Dauerbrenner auf gleichbleibend hohem Level sind. Ihr strenges Urteil fällt Paula Bosch stets nach Kriterien wie Farbe, Geruch, Geschmack und Textur, die sie seit Beginn ihrer Karriere akribisch in Notizbüchern festhält und später samt vertiefenden Informationen ausformuliert.
Entdecken und empfehlen – in dieser kurzen Formel lässt sich die Passion von Paula Bosch zusammenfassen. Lange Jahre tat die 1956 Geborene das als festangestellte Sommelière, die sich mit breit gefächertem Wissen, unermüdlichem Fleiß und großem Ehrgeiz als erste Frau der Branche ihren Weg in die Spitzengastronomie erkämpfte: angefangen in der Weinstube Leimeister im Taunus über das Hotel Inter-Continental in Köln und das Düsseldorfer Restaurant Victorian bis hin zum Gourmettempel Tantris in München, wo Paula Bosch 20 Jahre blieb. 2011 entschied sie sich von hier aus zum Schritt in die Selbstständigkeit, weil ihrer Ansicht nach „jeder Star rechtzeitig von der Bühne abtreten sollte“. Seither hat sie zwei Bücher für den Callwey Verlag geschrieben, professionellem Nachwuchs ebenso wie interessierten Laien Kurse gegeben, zahllose Weinproben organisiert und moderiert, Gastronomen beraten, Weine für Events ausgewählt – von der privaten Feier bis hin zu Festivals wie „Kulinarik & Kunst“ am Arlberg – und ihre Internetseite aufgebaut. „Viele Versuche, die nicht alle gut gelaufen sind“, resümiert sie. „Zum Glück hatte ich durch Ersparnisse von früher finanziell Luft für einige Jahre. Offensichtlich muss man für seinen Erfolg vor allem viel Zeit investieren und auch warten können.“
»Offensichtlich muss man für seinen Erfolg viel Zeit investieren und auch warten können.«
Momentan hat sie mehrere Eisen gleichzeitig im Feuer: Für eine Internet-Plattform wird sie als Consultant Weinempfehlungen geben und Weine beurteilen, in die Anleger im Stil von Blue Chips investieren können. Für Sicherheit sorgen dabei die Garantie auf originalverpackte Flaschen und fachgemäße Lagerung der edlen Tropfen. Ergänzend zu einer Spirituosen-Edition, die sie bereits in Kooperation mit Brandstatt „r“ von Reisetbauer Junior anbietet, geht eine weitere mit Weinen in Serie: Peu à peu sucht Paula Bosch die Tropfen persönlich aus, versieht sie – zusätzlich zum Etikett des Winzers – mit ihrem Siegel und vertreibt sie über Weingüter und den Fachhandel. Außerdem will sie auf ihrer Seite Wein-Accessoires anbieten, ab Oktober alle sechs bis acht Wochen für ein Dutzend Gäste dreistündige Events zu internationalen Weinen aus weniger bekannten Regionen veranstalten, von der Schweiz bis Griechenland. Im Visier hat sie überdies Kräfte aus der Gastronomie, die sich von einem Profi weiterbilden lassen wollen – egal ob in der Auswahl von Weinen, im Servieren oder im Griff zum richtigen Glas. Über Letzteres macht sich Paula Bosch nämlich auch schon lange Gedanken und tüftelt mit Fachleuten hartnäckig an der optimalen Form.
An Ideen mangelt es ihr eindeutig nicht, ebenso wenig an einschlägigen Kontakten, Energie und Unternehmungslust. Und während sie all diese Projekte verfolgt, pendelt sie zwischen einer Wohnung in München und ihrem Elternhaus am Bodensee, daneben reist sie regelmäßig. „Ich brauche immer ein bisschen Zeit zum Ankommen, langsam fehlt mir ein Lebensmittelpunkt“, räumt sie ein. Andererseits steckt sie als „Reisetante“ voller Neugier. Zum Beispiel auf Istrien, wo sie im Herbst noch mehr über Land, Winzer und Weine erfahren will. Zu Recht stolz ist Paula Bosch auf ihr Renommee als Weinkennerin, die sich ihr profundes Know-how über vier Jahrzehnte hinweg erarbeitet hat und weiterhin „nicht locker“ lässt. Gleichzeitig sind „brutales Lampenfieber“ und „ein schwaches Selbstvertrauen“ bis heute ihre Wegbegleiter; das im Frühjahr bei Callwey erschienene Buch „Wein genießen“ bezeichnet sie als „Zangengeburt“, weil ihr nach all den Vorgaben der Projektleitung so mancher Text „schwer aus der Feder geflossen ist“ und der eine oder andere Beitrag im Papierkorb landete. „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“, kommentiert sie ihr Manko. Doch lieber lebt sie mit diesem Zwiespalt, statt selbstverliebt wie so mancher „Influencer“ zu sein. „Bald jeder Sommelier hat heute seinen eigenen Blog. Auch wenn er viel zu wenig Erfahrung hat, schreibt er über Zusammenhänge oder Weine, die er nur aus seinen Träumen kennt“, ärgert sie sich. „Oder er verwendet Begriffe wie ‚karaffieren‘ anstelle von ‚dekantieren‘ – eine idiotische Erfindung, überflüssig und falsch.“ Für Paula Bosch selbst ist die Faszination für Wein ein „langer, nicht enden wollender Lernprozess“. Schön, dass der Stoff Jahr für Jahr neue Überraschungen bietet.