Oksana Lyniv

Das male­ri­sche Herz der Stei­er­mark

von Roland H. Dippel

14. Juni 2018

Ein Spaziergang mit Oksana Lyniv, Chefdirigentin des Grazer Philharmonischen Orchesters, durch das malerische Herz der Steiermark.

Ein Spazier­gang mit Oksana Lyniv, Chef­di­ri­gentin des Grazer Phil­har­mo­ni­schen Orches­ters, durch das male­ri­sche Herz der Stei­er­mark.

Über Nacht hielt der Früh­ling Einzug in . Tief­blauer Himmel, Studie­rende auf der Stadt­park-Prome­nade und fast sommer­liche Sonnen­strahlen auf das bron­zene Modell des Opern­hauses vor dem neuba­ro­cken Prunkbau, dem Herz der zweit­größten Stadt Öster­reichs. Am Abend zuvor wurde das Ehren­kon­sulat der feier­lich eröffnet. Der Bezirk Lemberg und die sind Part­ner­re­gionen. Die ehema­lige Haupt­stadt Gali­ziens ähnelt dem Indus­trie- und Kunst­zen­trum an der Mur.

hatte keine Zeit für diesen ersten Botschafts­abend, obwohl sie den Dialog ihres Heimat­landes und der mittel­eu­ro­päi­schen Kultur beför­dert, wo sie kann. Aber die andere schöne Verpflich­tung war wich­tiger: Sie stand zur Gene­ral­probe der Grazer Erst­auf­füh­rung von Rossinis Belcanto-Star­fighter Il viaggio a  am Pult des Grazer Phil­har­mo­ni­schen Orches­ters. Seit Beginn dieser Spiel­zeit ist sie dessen Chef­di­ri­gentin. Am Tag vor der Première finden wir Zeit zum Gespräch auf einem Rund­gang zu ihren Lieb­lings­orten dieser male­ri­schen Stadt und Mittel­punkt der Stei­er­mark. ist nicht weit, Slowe­nien auch nicht.

„Mir gefällt hier die Tradi­tion, die enge Vernet­zung mit der Kunst­uni­ver­sität und den vielen anderen Einrich­tungen“

An der Oper leitet die 40 Jahre alte Oksana Lyniv je Spiel­zeit zwei Produk­tionen, und mit dem Grazer Phil­har­mo­ni­schen Orchester gestaltet sie neun Programme. Eine stolze Zahl. „Ich freue mich immer, wenn Besuch kommt, dann muss ich mich losreißen und Zeit für Ausflüge haben“, lacht sie. Man glaubt ihr, dass sie diese schnellen Sprünge zwischen Kunst und Lebens­raum liebt. „Gleich auf der anderen Seite der Mur, am neuen Kunst­haus, sieht man, wie Graz durch die Mischung aus histo­ris­ti­scher Vergan­gen­heit und Fort­schritts­geist lebendig bleibt. Aber die wich­tigsten Orte für mich befinden sich in der Nähe zur Oper und dem Stepha­ni­en­saal.“ Ihre Pausen verbringt Lyniv oft am idyl­li­schen Kaiser-Josef-Markt, wo sie gerne zu Mittag isst. Wenige hundert Meter weiter befindet sich die Kunst­uni­ver­sität Graz, eine der wich­tigsten und begehr­testen Musik­hoch­schulen Europas.

Oksana Lyniv

Foto: Serhiy Horobets / Viktor Andri­i­chenko

Altein­ge­ses­sene halten den Kaiser-Josef-Markt für das Herz des alten Graz. Wenn die Nächte nicht mehr allzu kalt werden, herrscht an den Geträn­ke­ständen noch bis vor Mitter­nacht Hoch­be­trieb, der sich nur allmäh­lich in die benach­barten Loka­li­täten verla­gert. Form­voll­endete galante Umgangs­formen findet man dort genauso wie etwas hand­fes­teren Umgangston. Alle Szenen treffen aufein­ander. Hier freunden sich auch inter­na­tio­nale Gäste gerne mit einer boden­stän­digen Gemäch­lich­keit an, die nur wenige Meter weiter zwischen den Läden am Knoten­punkt Jako­mi­ni­platz urbaner Geschäf­tig­keit weicht. Man versteht, warum viele Künstler hier weiterhin leben wollen, selbst wenn sie längst inter­na­tional gefragt sind.

„Mir gefällt hier die Tradi­tion, die enge Vernet­zung mit der Kunst­uni­ver­sität und den vielen anderen Einrich­tungen. So viel Musik, Kunst und Lite­ratur auf engem Raum! In der Nach­bar­schaft zur und zum Stei­ri­schen Herbst entsteht eine freund­schaft­liche Konkur­renz, die sich beglü­ckend auf die Qualität auswirkt.“ Immer wieder entdeckt Oksana Lyniv trotzdem span­nende Lücken. In den nächsten Spiel­zeiten widmet sie sich in Graz wieder ukrai­ni­schen Werken und bereitet für 201920 einen umfang­rei­chen Zyklus mit Werken von Kompo­nis­tinnen vor.

„So viel Musik, Kunst und Lite­ratur auf engem Raum“

Im Haupt­foyer der Grazer Oper stehen Büsten des „Evangelimann“-Schöpfers Wilhelm Kienzl und von Alex­ander Girardi, dem unver­ges­senen Spiel­tenor der Wiener Operette. „Ich bin gespannt auf die nächste Achse mit Franz Xaver Mozart, die ich von hierher legen möchte.“ Den Mozart­sohn macht Oksana Lyniv auch in der zweiten Ausgabe des von ihr 2017 gegrün­deten Festi­vals Lviv­Mo­zArt zum Schwer­punkt. Sie springt im Gespräch ständig zwischen dem ukrai­ni­schen Namen Lviv und dem deut­schen Lemberg hin und her. Neben den Grazer Verpflich­tungen fand sie 2016 noch die Zeit zur Grün­dung des Jugend­sym­pho­nie­or­ches­ters der Ukraine nach Vorbild des Bundes­ju­gend­or­ches­ters. Ihr Auftritt mit den Jugend­li­chen beim am 16. August im Konzert­haus wird von aufge­zeichnet, und für das Grazer Gast­spiel am 17. September hat sie sich etwas ganz Beson­deres ausge­dacht. „Wir rekon­stru­ieren Teile eines Konzerts, bei dem Franz Xaver Mozart 1844 hier in Graz als Pianist auftrat. Es gibt eine Kompo­si­tion von ihm, dazu als reprä­sen­ta­tive Werke aus seinem Umfeld Beet­ho­vens Die Geschöpfe des Prome­theus und die Ouver­türe zu Boiel­dieus Rotkäpp­chen.“

Längst haben wir auf einem Steg wieder die Mur über­quert. Die künst­liche Murinsel, deren gerun­dete Form vage Ähnlich­keit mit einer Muschel hat, liegt zwischen dem histo­ri­schen Graz und den hippen Szene-Loca­tions um den Lend­platz. Ganz in der Nähe lebte lange Jahre der in Lemberg gebo­rene Autor und Histo­riker Leopold von Sacher-Masoch, dessen Einsatz gegen den Anti­se­mi­tismus leider viel weniger bekannt ist als seine sprich­wört­lich gewor­dene Prosa. Er, dem man im Kultur­haupt­stadt­jahr 2003 ein umfang­rei­ches Projekt widmete, gehört genauso zu Graz wie der unver­ges­sene oder , dessen Ehren­büste derzeit für das doku­men­ta­ri­sche Stück von Paulus Hoch­gat­terer und Niko­laus Habjan an das Schau­spiel­haus am Frei­heits­platz geliehen ist. Zu entde­cken gäbe es noch viel mehr, aber Oksana Lyniv muss zurück. Am nächsten Tag leitet sie die Grazer Erst­auf­füh­rung einer der schönsten und span­nendsten Opern Rossinis.


Tipps, Infos & Adressen

Stephaniensaal Graz

Foto: Robert Ille­mann

Musik & Kunst

Der Grazer Musik­verein bietet das ganze Jahr hoch­ka­rä­tige Konzerte. Das Museum Joan­neum zeigt eine ­Jubi­lä­ums­au­stel­lung des Stei­rers Peter ­Rosegger. Der Stei­ri­sche Konzert­sommer versteht sich als Einla­dung in die male­ri­sche Land­schaft. Als weitere Fe­s­tivals locken die styri­arte und der 51. stei­ri­sche herbst.

Sulmtaler Hendl

Foto: Graz Tourismus / Werner Krug

Essen & Trinken

Kürbis­kernöl, Back­hendl, Mehl­speisen und dazu ein Glas stei­ri­schen Schil­cher … Im Grunde kommt man in jedem Gast­haus Rich­tung Haus­berg Schöckl auf seine Kosten. Beliebt ist der Stoff­bauer ober­halb des Stadt­teils Maria­trost. Beim Laufke in Nähe zu Stadt­park und Univiertel sollte man unbe­dingt reser­vieren. Das Café im Burg­garten, das Kunst­haus­café oder der Lend­platz mit Bauern­markt sind Orte zum Verlieben.

Lendhotel Graz

Foto: Lend­hotel

Über­nachten

Neben Depen­dancen inter­na­tio­naler Ketten gibt es ein breites Angebot regio­naler Anbieter. Das Lend­hotel im hippen Lend-Quar­tier vereint modernen Komfort und Kunst ebenso wie das in der Altstadt gele­gene Augarten Art Hotel oder das Schloss­berg-Hotel.

Fotos: Opernhaus Graz