Norbert Niederkofler
Dem Himmel so nah
von Barbara Schulz
30. März 2023
Hoch oben am Rande der Dolomiten, hat der Drei - Sterne - Koch Norbert Niederkofler nicht nur ein Restaurant, sondern ein Kulturkonzept geschaffen. Oberstes Gebot: Respekt vor der Natur.
Huhn oder Ei, Herr Niederkofler? Haben Sie Ihre Cook the Mountain-Philosophie im Lauf des Kochens entwickelt, oder sind Sie Koch geworden, um die Idee umzusetzen?
Ich bin Koch geworden, um die Welt zu sehen – um neue Kulturen kennenzulernen, mit Menschen aus unterschiedlichen Sparten reden zu können und Meinungen auszutauschen. Und das geht am besten an einem Tisch – bei einem Glas Rotwein und einem guten Essen. Aus diesen Gesprächen hat sich mein Leben entwickelt und hat seinen Lauf so genommen. Wo ich heute bin, das ist Frucht von all den Jahren zuhören, in Frage stellen, neu ausrichten. Und somit auch neue Wege gehen.
»Essen war und ist Kultur. «
War Ihnen Nachhaltigkeit und Tradition immer wichtig?
Es war immer wichtig, aber den Schalter umgelegt habe ich 2008 mit dem Konzept „Cook the Mountain“. Und vor allem aus dem Bewusstsein, dass wir Verantwortung übernehmen müssen für das, was wir gemacht haben, und vor allem für das, was wir für die nächsten Generationen dalassen wollen. Aus Respekt vor unserer Natur, vor Traditionen, vor der Kultur.
Sie wollen Lebensmitteln wieder einen Kulturstatus verschaffen, sprich: Kochkultur als Katalysator für kulturelle Prozesse. Ganz schön ambitioniert …
Essen war und ist Kultur. Es gibt immer ein „Warum Dinge gemacht wurden“. Früher war es hauptsächlich aus der Notwendigkeit zu überleben, heute könnten wir damit Traditionen und Regionalität beibehalten. Der Tisch in einer Küche in einem Haus war und ist heute noch sehr oft der Ort, an dem Dinge für unsere Zukunft entschieden werden – und das nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in kultureller Hinsicht.
»Es geht darum, dass wir Biodiversität neu aufstellen. «
Drei Sterne zu erkochen, ist in einer Bergregion nicht selbstverständlich. Hatten Sie auch einen Katalysator?
Es war hauptsächlich die Arbeit mit einem grandiosen Team – Service und Küche. Nur so kann man diese Ziele erreichen. Vor allem glaube ich aber an die Einbindung dieser jungen Leute in den Entscheidungsprozess. Welche Schritte gemacht werden, welche Risiken eingegangen werden. Das Erreichen von Drei Sternen – und das weltweit zu ersten Mal mit einem komplett nachhaltigen Konzept – hat vieles verändert. Vor allem aber hat es die Türen für die Natur geöffnet, die sich um ein Lokal befindet. Darüber hinaus haben wir jungen Köchen gezeigt, dass man mit Respekt vor den Bauern, den Produzenten und der Natur, die einen umgibt, drei Sterne erkochen kann. Das hilft, Transportwege einzusparen, fördert den lokalen Wirtschaftskreislauf und erhält Traditionen und Kulturgut.
Die Rezepte in Ihrem Buch „Cook the Mountain“ sind aufwendig enthalten Zutaten, die beispielsweise in ländlichen Regionen – falls sie dort nicht auf der Wiese wachsen – und selbst in Großstädten Europas schwer zu bekommen sind. Ist Ihr Konzept also in einer sogenannten „normalen Küche“ überhaupt umsetzbar?
Es geht wirklich darum, dass wir Biodiversität neu aufstellen. Die Zutaten, die wir in unserem Buch verwenden, findet man auf Bauernmärkten und bei kleinen Produzenten. Wir haben natürlich den extremsten Weg gesucht. Haben aber somit auch neue Lösungen gefunden. Leider werden in vielen Sparten nur noch wenig Sortenarten verwendet – Äpfel, Karotten, Kartoffeln, Pilze … Wir beschränken uns leider viel zu oft nur auf wenige Produkte, versäumen somit aber die Geschmackerlebnisse, die die uns die Natur bietet.
»Wir haben im Prinzip nichts Neues erfunden, sondern alte Dinge wieder neu aufleben lassen. «
Manche Rezepte sind eine ziemliche Herausforderung. Ich denke da nur an den Spargel in Bienenwachs. Denken Sie, dass solche Gerichte nachgekocht werden oder wollen Sie die Leute inspirieren?
Wir wollten zeigen, was man in einer ländlichen Gegend machen kann. Wie weit das Gedankengut geht. Welche Möglichkeiten in der Vergangenheit genutzt wurden, um Dinge haltbar zu machen. Wir haben im Prinzip nichts Neues erfunden, sondern alte Dinge wieder neu aufleben lassen. Wir bieten aber auch viele Möglichkeiten, um auf Plastik und andere Abfallgüter verzichten zu können. Wir haben sehr viele Türen geschlossen und Tabus gebrochen. Nur so fängt man an, neue Lösungen zu suchen. Und normalerweise findet man sie auch.