Paula Bosch probiert
Die pure Leichtigkeit des Weins
von Paula Bosch
13. November 2019
Portugal kann mehr als Port. Die Sommelière Paula Bosch über eine ganz neue alte Haltung im Weinanbau: aus traditionellen Rebsorten fantastische Weine zu kreieren.
Ja, Portwein kannte man. Vielleicht auch noch Mateus Rosé. Ersterer stand für Qualität auf hohem Niveau und langer Lebensdauer, der zweite war eher eine Touristenattraktion. Ansonsten waren vor 30 Jahren Weine aus Portugal – ob weiß oder rot – außerhalb der Landesgrenzen noch kein Thema. Das hat sich geändert. Und zwar vom Feinsten!
Der Weinbranche Portugals ging es von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre wirklich schlecht. Und das in erster Linie, weil die Portugiesen innerhalb Europas viel zu lange für sich und zurückgezogen, also ohne Teilnahme am Marktgeschehen, gelebt hatten. Nach dem Beitritt zur EU im Jahr 1986 kam die große Freiheit – die politischen Einmischungen waren endgültig vorbei. Und doch dauerte es weitere zehn Jahre, bis sich die enormen Investitionen der Fördergelder in den Topkellereien und ihren Weinbergen bemerkbar machten.
Die Quinta de Nápoles umfasst etwa 30 Hektar Rebfläche.
Vom Vinho Verde im Norden bis an die Algarve wurde rasch klar, dass die mehr als 250 heimischen Rebsorten der echte und wahre Reichtum des Landes sind. Bei dieser Erkenntnis ist es zum Glück geblieben. Und nicht nur das: Die junge Generation setzte auf die traditionellen Sorten und produziert bis heute aus ihnen fantastische Weine, die im Rest der Weinwelt ihresgleichen suchen.
Schreibt Portugals Weingeschichte neu: Dirk Niepoort aus Porto
Im Hinblick auf diese Entwicklung gibt es ein paar Menschen, die im Mittelpunkt des Geschehens stehen, allen voran sei der Autodidakt Dirk Niepoort aus Porto genannt. Er schreibt mit seinen umwerfenden Rot- und Weißweinen nicht nur im Douro-Tal Portugals Weingeschichte neu, sondern kreiert mit befreundeten Winzerkollegen neue Weine und gründet ein Weingut nach dem anderen: Nicht nur seine eigene 2007 fertiggestellte Kellerei, Quinta de Nápoles im Douro, auch im Dão, der Bairrada, im Vinho Verde und dann über Portugals Grenzen, in Spanien, Südafrika und nicht zuletzt –mit seinem Sohn Daniel – an der Mosel. In den letzten 25 Jahren kreierte er allein in Portugal so viele großartige Weine wie kein anderer Weinmacher in seinem ganzen Leben. Dirk ist Jahrgang 1964, das war kein Jahr für einen Vintage-Port, aber ein guter Jahrgang für die nächste Generation Niepoort.
Seit 2001 gehört die Weinregion Douro im Norden Portugals zum UNESCO-Welterbe.
Die Weinregion Douro ist das älteste Weinanbaugebiet der Welt, dessen Herkunft geschützt ist (1754). Die UNESCO hat die Region sogar als Weltkulturerbe anerkannt. Die Naturschönheit dieser Landschaft in wenige Worte fassen zu wollen, macht nur wenig Sinn – man muss sie gesehen haben. Ebenso wie man die Weine und Portweine mehr als einmal probiert haben muss, um sie angemessen zu verstehen.
Am besten beginnt man gleich mit den Weinen der Winzerlegende Dirk Niepoort aus Porto. Wer glaubt, im Douro gäbe es nur rote Trauben, der irrt. Niepoorts Reserva Redoma Bianco (Rabigato, Códega, Viosinho, Arinto und andere) hat mich von Anfang an mit ihrer Dichte, Aromenvielfalt, Kraft und Frische zugleich begeistert. Zum Teil im neuen Eichenfass ausgebaut, ist das seit Jahren ein zuverlässiger großer Weißwein im besten Preislimit. Sein roter Bruder, Redoma Tinto, steht ihm in nichts nach. Ein genialer Einsteigerwein für Rotweinfans ist ohne Zweifel das weltbekannte Meisterstück Fabelhaft. Ein Brot-und-Butter-Wein für jeden und alle Tage. Einfach: fabelhaft! Dazu gesellen sich Batuta, als Spitzenwein nur in besten Jahrgängen hergestellt, und als Krönung in der Königsklasse der roten Douros: Charme. Eine finessenreiche, delikate und sensitive Schöpfung, die, wie Dirk selbst einmal sagte, seiner Leidenschaft für die roten Burgunder in der Spitzenklasse am nächsten kommt.
Als Portwein empfehle ich neben den zahlreichen Colheitas von Niepoort drei aktuelle Vintages: 2017, 2015 und 2009 zum Reifen – und manchmal auch zum Naschen. Die wirklich tiefsinnigen Prachtkerle zeigen alle sehr viel dunkelfruchtige Beerenaromatik, Würze und geballte Kraft im Gaumen, knallen laut im ersten Moment, um sich letztlich vereint in Harmonie zu verabschieden. Das Gefühl von Wärme und Nähe, das erstklassiger Portwein vermitteln kann, hat etwas ganz Besonderes, etwas Anziehendes.
Diese Region ist erst seit wenigen Jahren wieder in den Köpfen der Weinmacher und Konsumenten. Hier steht die Rotweintraube Baga ganz im Mittelpunkt. Nur wenige haben es geschafft, diese rustikale, tanninreiche Sorte zu bändigen. Hauptverdienst gebührt Luis Pato: Er hat die wilde Dame salonfähig gemacht. Und seine Tochter Filipa Pato folgte ihm, wenn auch mit ganz anderem Stil. Ihre Weine aus den autochthonen Sorten Arinto, Bical, Baga, Cercial oder Maria Gomes zählen eindeutig zu Portugals Spitze. Nach seinem ersten Engagement mit Filipa Pato und dem „Projectos Baga“ kaufte Niepoort die Quinta de Baixo. Hier produziert er, vom leichtfüßigen Baga-Typ den NAT« COOL DRINK ME bis hin zum POEIRINHO mit nur 11 % Alkohol aus dem raffiniert strukturierten und feinmaschigen Baga. Eine pure Delikatesse, die viel Terroir und atlantischen Charakter präsentiert. Die neue Leichtigkeit des Weins!
Im Dão wächst auf steinharten Schiefer- und Granitböden die weiße Rebsorte Encruzado – als Fan finessenreicher, geschmackvoller Weißweine muss man sie einfach probiert haben, vor allem den weißen Primus Quinta da Pellada von Alvaro Castro.
CONCISO Branco von Niepoort, das weiße Gegenstück zum Conciso Tinto, wird aus den Rebsorten Bical, Malvasia, Encruzado, alle aus einem Weinberg mit 60 bis 100 Jahre alten Rebstöcken, gewonnen. Ein vegetabiler, kräutriger Stil mit viel Frische, Gripp, Spannung, Druck und Zug. Viel Ähnlichkeit mit einem Riesling, dazu das gewisse Extra: eine mediterrane Note, die ihm in seiner Länge wirklich gut steht.
Bezugsquellen: www.gute-weine.de, www.hawesko.de