Paula Bosch probiert

Golden Glamour

von Paula Bosch

3. November 2020

Gute Süßweine zählen zu den Oberen Zehntausend. Sommelière Paula Bosch war in Deutschland, Österreich und Ungarn unterwegs und hält hier ein Plädoyer für funkelnde Juwelen, die sich jeder Mode entziehen.

Everybody’s Darlings sind sie defi­nitiv nicht! Süßweine werden seit Jahren nur noch von einer kleinen – und ja – einer ganz bestimmten Gruppe Menschen geschätzt und gern getrunken. Neben ihrer lust­vollen Liebe zu den Pralinen unter den Weinen wissen Lieb­haber von Süßweinen aber sehr genau, dass ihre kleinen Sweeties zu den wert­vollsten Schätzen im Keller zählen und Rari­täten darstellen, die meist nur in Kleinst­mengen produ­ziert werden können – welt­weit!

Diese großen Weine sind für die Fan-Gemeinde der edel­süßen Gewächse Meilen­steine, ob deut­sche Beeren und Trocken­bee­ren­aus­lesen, Ruster Ausbruch aus dem , Saut­ernes aus oder ein Tokajer aus : flüs­sige Elixiere, für die sie bereit sind, ordent­lich höhere Preise als für die trocken ausge­bauten Weine zu bezahlen.

Wobei die Zukunft der ganz Großen unter den süßen Edel­steinen in jedem Fall ziem­lich rosig aussieht. Dies, weil sie sich in der Regel unend­lich langsam entwi­ckeln und mit ihrer Säure ewig jung bleiben können. Deshalb gibt es so gut wie keinen Wert­ver­lust. Im besten Fall bedeutet das nach Jahren der Reife einen poten­zierten Genuss inklu­sive Wert­stei­ge­rung. Meine Favo­riten sind sie allemal.

MARKUS MOLITOR an der MOSEL

Markus Molitor in seinem Weingarten
Markus Molitor

Markus Molitors Wissen über Weine und Lagen, zumin­dest von der , ist uner­schöpf­lich. Seine gren­zen­lose regio­nale Wein­lei­den­schaft macht ihn zum größten Privat­weingut an der Mosel mit den meisten und besten Lagen. Damit hat er inzwi­schen ein Port­folio an Weinen im Keller, das seines­glei­chen sucht – von trocken bis edelsüß.

Kein Wunder, dass seine inter­na­tio­nalen Höchst­be­wer­tungen in uner­reicht sind. Seine gereiften Schätze, die zu den besten Süßweinen der Welt gezählt werden müssen, sind immens groß – und das zu fairen Preisen. Es heißt also schnell sein.

Zelt­inger Schloss­berg, Ries­ling, Trocken­bee­ren­aus­lese 2006

Zeltlinger Schlossberg Trockenbeerenauslese

Dieser Wein ist ein Para­de­bei­spiel für Trocken­bee­ren­aus­lesen aus dem ganz großen Jahr­gang 2006. Glocken­klare, frisch anmu­tende Frucht. Keine einzige Pilz­note, nur konzen­trierte und reife Früchte, in erster Reihe Feige, Apri­kose, Mira­belle, Pflaume, gelbes Melo­nen­fleisch, Akazi­en­honig. Strah­lend und tanzend die virtuos einge­bun­dene Säure am Gaumen, die mit zarten Klängen wie bei einem Konzert beginnt, am Ende aber mit Pauken und Trom­peten verklingt. Ein ganz wunder­bares Trin­k­erlebnis.

Weitere Infor­ma­tionen zum Weingut unter: markus​mo​litor​.com

TRIE­BAUMER IM BURGEN­LAND

Schon als Kind habe ich regel­mäßig von Süßwein­fla­schen, vor allem von denen von Trie­baumers, zu Hause in der Spei­se­kammer genascht. Sicher, sie waren nicht für meinen jungen Gaumen bestimmt, aber so lernte ich durch sie die Faszi­na­tion Wein kennen. Trie­baumers gibt es viele in Rust, zwei davon stehen auf meiner Hitliste: Ernst Trie­baumer, berühmt und beliebt wegen seines Blau­frän­kisch Mari­en­tals und meiner ersten Süßwein­erleb­nisse.

Günter und Regina Triebaumer in ihrem Weingarten
Regina und Günter Trie­baumer
(Foto: Steve Haider)

Und dann Günter und Regina Trie­baumer. Sie kenne ich erst seit ein paar Jahren, war aber von Anfang an in erster Linie von ihren ganz wunder­baren Blau­frän­ki­schen begeis­tert. Die Ruster Spezia­lität „Ausbruch“ war mir zwar schon viel früher geläufig, aber diese Cuvée war neu für mich. Sie wird aus den Rebsorten Welsch­ries­ling, Char­donnay, Furmint und Traminer herge­stellt, in den Anteilen jedes Jahr etwas anders. Die Prädi­kats­wein­stufe „Ruster Ausbruch“ ist erst seit 2016 dem „Ausbruch“ vorbe­halten, die Reben müssen aus der Region stammen.

Ruster Ausbruch 2018

Ruster Ausbruch

2018 trumpft mit gewal­tigen 278 g Rest­zu­cker und 10,4 g/​l Säure auf, hat dabei aber nur 9 Vol.-% Alkohol. Noch viel zu jung, strahlt er dennoch mit seinen feinen Apri­ko­sen­tönen, Klet­zen­birnen, leichter Exotik mit Honig­duft, Fencheltee, Stein­obst und zarter Botrytis. Im Mund voll­kon­zen­triert, honigsüß und mit versteckter Säure, die nach langer Reife verlangt.

Weitere Infor­ma­tionen zum Weingut unter: trie​baumer​.at

CHÂTEAU RIEU­SSEC IN BORDEAUX

Zu den großen Klas­si­kern der Süßweine zählen ohne Zweifel jene aus Saut­ernes, allen voran Château d’Yquem, der König ohne Königin. Aber in dessen Nach­bar­schaft finden sich erst­klas­sige Beispiele, die ich für eine royale Begeg­nung geeignet halte, auch weil sie bereits im einen und anderen Jahr­gang als Konkur­renz aufge­treten sind. Château Rieu­ssec ist so ein Exempel: 72 Hektar Rebfläche, die sich einzig­artig – auf einem Hügel – zusam­men­hän­gend präsen­tieren. Die Jahres­pro­duk­tion ist beschränkt auf ca. 6.000 Kisten. 1993 wurde gar kein Wein produ­ziert, im Jahr 2000 nur die Hälfte.

Weinkeller von Chateau Rieussec
Der Wein­keller von Château Rieu­ssec

Qualität ist oberstes Gebot, spätes­tens nach 1984, als Rieu­ssec an die Besitzer von Château Lafite Roth­schild verkauft wurde. Seit dieser Zeit ging man noch­mals einen deut­li­chen Schritt nach oben. Im Wein­berg stehen 95 Prozent Sémillon, die von Musca­delle und Sauvi­gnon blanc ergänzt werden. Der Fass­ausbau spielt sich zu 50 Prozent in neuen Fässern zwischen 18 und 26 Monaten ab. Auf Château Rieu­ssec wird schon lange ein kräf­ti­gerer Stil und Charakter bevor­zugt. Power und Eleganz wird glei­cher­maßen geschätzt, solange das balan­cie­rende Säure­spiel Frische und Trink­fluss garan­tiert.

Château Rieu­ssec Saut­ernes 2009

Sauternes 2009

2009 ist jetzt trink­reif. Stroh­gelb, nach Bienen­waben, Kara­mell, gerös­teten Mandeln und Vanille duftend, präsen­tiert sich dieser große Saut­ernes im Glas. Immer noch geprägt von den Röst­aromen der Fässer, gepaart mit einem raffi­nierten Aromen­spiel hoch­reifer Ananas und Grape­fruit bis zu getrock­neter Zwetschge. Im Mund über­wäl­ti­gend, zupa­ckend und fordernd zugleich, präzise von Säure, Frucht und Alkohol. Endlos im komplexen Finale.

Zu beziehen unter: unger​weine​.de
Weitere Infor­ma­tionen zum Weingut unter: www​.lafite​.com

ISTVÀN SZEPSY IN TOKAJ

Der König aller Süßweine, mit ganz großer Historie, war viele Jahr­zehnte der Tokajer. Geliebt von vielen Berühmt­heiten ab dem 17. Jahr­hun­dert, so auch von Beet­hoven. Massive Wein­ver­fäl­schungen führten zu einer regel­rechten Verwahr­lo­sung der Wein­kultur. Das hat sich seit Beginn der 90er-Jahre geän­dert:

Der große Tokajer ist wieder da. Unter den verschie­denen Typen bei der Herstel­lung ist Aszú die Haupt­ka­te­gorie, die mit der Trocken­bee­ren­aus­lese vergleichbar ist. Seit Hunderten von Jahren herge­stellt, werden die von Botrytis (Edel­schimmel) befal­lenen Furmint‑, Muska­teller- und Hárs­le­velű-Trauben verwendet, wobei hier die spezi­elle Kombi­na­tion von Boden, Rebe und Wetter bedeu­tend ist.

István Szepsy in seinem Weinkeller
István Szepsy

Die Trauben werden punkt­genau hand­ver­lesen, um diesem fantas­ti­schen Wein ein perfekt ausge­wo­genes Süße- und Säure­spiel zu garan­tieren. Die Aszús von István Szepsy sind Para­de­bei­spiele für alle Süßweine der Region.

Tokaji Aszú 6 Putt­onyos 2007

Szepsy Aszu 6 Puttonyos

Im ersten Duft floral, nussig, mit Wald­ho­nig­noten. Dann kandierte Zitrus­früchte, getrock­nete Oran­gen­schalen, Kokos­flo­cken. Stramme, unend­lich lang anhal­tende Säure – ein absolut hinrei­ßendes Feuer­werk am Gaumen! Ganz nebenbei 200 g/​l Rest­zu­cker, drei Jahre in Holz­fäs­sern gereift.

Zu beziehen unter: bors​tore​.de
Weitere Infor­ma­tionen zum Weingut unter: www​.szepsy​.hu