Audi Sommerkonzerte 2023
Heiter bis wolkig
von Barbara Schulz
18. Juli 2023
Der frisch gekürte Preisträger der Mahler Competition heißt Giuseppe Mengoli – Bravo! Mit viel Verve und Feuer dirigiert der 30-jährige Italiener mit den Bamberger Symphonikern bei den Audi Sommerkonzerten in Ingolstadt Haydn, Berg und Mahler, als wäre ihm nichts mehr fremd auf dieser Welt.
Eins vorneweg: Es geschieht nicht wirklich häufig, dass man den Preisträger eines so renommierten Wettbewerbs wie des Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerbs, der aufgrund des internationalen Anspruchs nun The Mahler Competition heißt, nur wenige Tage später auf der Bühne einer bayerischen Kreisstadt zu hören bekommt. Hamburg, München, Paris, London, das alles ja, aber Ingolstadt? Ja, genau: Ingolstadt. Und natürlich spricht die Tatsache, dass Sebastian Wieser, Kulturmanager von Audi, diesen Abend für die Audi Sommerkonzerte 2023 eintüten konnte, auch für die Qualität dieses Festivals, das mit wirklich internationalen Künstlern und extrem anspruchsvollen Programmen aufwarten kann. In diesem Jahr eben unter anderem mit dem gerade mal 30-jährigen Dirigenten Giuseppe Mengoli, der sich – wie Oksana Lyniv, Gustavo Dudamel oder Lahav Shani in den Jahren vorher – keine Sorgen mehr um seine Karriere machen muss. Wen die Bamberger Symphoniker und die Jury hier zum „Sieger“ küren, der hat definitiv Potenzial für eine Weltkarriere.
Umso gespannter durfte man also sein, Mengoli am Pult zu erleben. Und es war eine wahre Freude, wie elegant und dennoch kraftvoll, wie lebhaft und dann wieder sehr zurückhaltend und subtil der junge Italiener das Orchester in keinem Moment im Zweifel ließ, was er wollte. Sowohl das Temperament als auch die Begeisterungsfähigkeit und das Feuer des Dirigenten sprangen über – es war ein großartiges, kurzweiliges, klug zusammengestelltes Konzert mit ausnahmslos großartigen Künstlern.
Zum Auftakt Haydns Oxford-Sinfonie Nr. 92 in G‑Dur, mit der der Vertreter der Wiener Klassik seinen Siegeszug durch England anbrach und die er am Vorabend der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde dirigierte. Mit dem Ergebnis, dass der Oxforder Morning Chronicle schrieb: „…a more wonderful composition never was heard …“. Tatsächlich zählt sie in ihrer Leichtigkeit zu den gefälligsten und dabei doch interessantesten Werken Haydns. Die Bamberger Symphoniker zeigten erneut, dass sie zu den Spitzenorchestern zählen und ließen sich gern auf Mengolis Interpretation ein. Sie spielten wunderbar homogen, mal leichtfüßig und filigran, dann wieder satt und aufbrausend, und wussten die kleinen überraschenden Moment der Sinfonie mit Esprit und ja, auch dem nötigen Humor in Szene zu setzen. Hinreißend die Bläser, die später bei Mahler noch einmal mit viel Verstärkung zum Zug kommen sollten.
Im Anschluss dann Alban Bergs spätromantische Sieben frühe Lieder, alle komponiert während seiner Zeit als Schönberg-Schüler. Thomas Hampson wusste mit seinem weichen und samtigen Bariton – am schönsten in den leisen und eher dunklen Passagen – den Bogen von der Melancholie der Nacht und der Liebessehnsucht des Schilfliedes und der Nachtigall hin zur munteren und lebensfrohen und, ja, glücklichen Stimmung der Lieder Im Zimmer, Liebesode und Sommertage zu nehmen. Zentrum und Wendepunkt des gefühlsbewegten Zyklus‘: Traumgekrönt – die Liebe geht in Erfüllung. Mag die Orchesterbegleitung bei allen sieben Liedern hier und da auch ein wenig zu laut geraten sein, um den Text mühelos zu verstehen, so gelang doch auch hier eine hochemotionale Interpretation.
Nach der Pause schließlich der Höhepunkt des Abends: die beiden Nachtmusiken, also Satz 2 und 4 aus Mahlers 7. Sinfonie in e‑Moll. Hochkomplex und mit jenen kleinen und weniger kleinen musikalischen Widersprüchlichkeiten ausgestattet, die von innerer Zerrissenheit zeugen, dann wieder geprägt von Ewigkeits- und Transzendenzvisionen, widerspricht diese musikalische Zwischenwelt dem Komponisten selbst, der seine Siebte als ein Werk mit eher „heiterem, humoristischem Inhalt“ beschrieb. Tatsächlich sind auch menschliche Abgründe zu hören, neben der Liebe steht der Tod, neben der Schönheit die Morbidität. Auch wenn in der zweiten Nachtmusik die Gefühle milder werden, volkstümlicher und man die schmachtende Liebe deutlich zu spüren glaubt, bleibt doch auch mit der Interpretation Mengolis das Gefühl, tief in menschliche Abgründe geblickt zu haben. Auch hier gilt ein Sonderapplaus dem Orchester und vor allem den Blechbläsern. Sie alle intonierten Verzweiflung, Irritation und Hilflosigkeit ebenso plastisch wie die Momente der Erhabenheit und des kurzen Glücks. Insgesamt eine Symbiose aus Orchester und Dirigat, wie sie glücklicher nicht sein könnte.
Nicht verpassen: Martin Grubinger, „Percussive Planet", am 21.07.2023 um 20 Uhr im GVZ, Halle B, und „Salzburger Festspiele zu Gast" am 23.07.2023 um 20 Uhr in der Festhalle des Stadttheaters Ingolstadt