Gidon Kremer

Daniel Hope und Gidon Kremer bei den Europäischen Wochen Passau

Zwei Ausnahme-Geiger geben sich die Ehre

von Dorothea Walchshäusl

1. August 2024

Mit Daniel Hope und Gidon Kremer waren an einem der Festival-Wochenenden im Rahmen der Europäischen Wochen Passau gleich zwei Violin-Weltstars zu Gast. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein und haben doch viele Gemeinsamkeiten.

Mit seinen drei Flüssen, seinem reichen baro­cken Erbe und seiner Fülle an Kunst und Kultur vor male­ri­scher Kulisse, ist Passau längst weit über die Stadt­grenzen hinaus bekannt als reiz­volle Kultur­stadt. Doch es gibt eine Zeit im Jahr, in der der kultu­relle Glanz der Grenz­stadt noch ein wenig heller erstrahlt. Sommer um Sommer bringt das Festival der Euro­päi­schen Wochen renom­mierte Künstler nach Passau, so auch in diesem Jahr. An einem der Festi­val­wo­chen­enden waren mit und gleich zwei Ausnah­me­geiger bei den Fest­spielen zu Gast, die unter­schied­li­cher und ähnli­cher zugleich kaum sein könnten.

Da ist Daniel Hope, 50 Jahre alt, umtrie­biger Kommu­ni­kator, char­manter Grenz­über­schreiter und musi­ka­li­scher Welten­bummler. Am 20. Juli hat er mit dem Ensemble AIR im großen Kursaal Bad Füssing seinen irischen Wurzeln gehul­digt und irische Stücke auf Barock­musik treffen lassen. Werke von Turlough O‘Carolan und irische Tradi­tio­nals standen Werken von Johann Sigis­mund Kusser, , , , James Oswald, und Andrea Falco­niero gegen­über, flossen eingängig inein­ander und verströmten einen tänze­risch beschwingten Grund­gestus, der die Zuhörer binnen weniger Minuten in den Bann zog. Das Ergebnis: ein viel­ge­stal­tiges und lebens­frohes Konzert, kurz­weilig, hoch virtuos und urmu­si­kan­tisch.

Und dann ist da Gidon Kremer, eine lebende Legende in der Klas­sik­welt, 77 Jahre alt, Fein­geist, exis­ten­zi­eller Klang­deuter und sensi­bler Philo­soph an der Geige. Einen Tag nach dem Auftritt von Hope und dem Ensemble AIR gab Kremer einen Trio­abend im Passauer Rathaus­saal. An seiner Seite: die Cellistin Giedre Dirva­n­aus­kaite und der Pianist Geor­gijs Osokins. Auf dem Programm: im ersten Teil, ganz in Kremer-Tradi­tion, Zeit­ge­nös­si­sches – Arvo Pärts „Mozart-Adagio“ und Giya Kanchelis „Middel­heim“. Im zweiten Teil mit Franz Schu­berts „Klavier­trio Nr. 2 Es-Dur op. 100 D 929“ dann ein bewe­gendes Groß­werk. Wie intim und unver­fälscht Kremer die verschie­denen Werke mit seinem Trio zum Leben erweckte, wie intensiv er die Pausen auskos­tete und die Phrasen singen ließ, nur um im nächsten Moment tief hinein zu gehen in die dichten harmo­ni­schen Struk­turen gerade Schu­berts, war ein Erlebnis. Es war, als würde die Musik in diesem Moment erst erschaffen, derart präsent und unmit­telbar durch­drangen Kremer und seine Kollegen die Stücke.

Am Ende beider Konzerte jubelten die Zuhörer, dankbar, Geigen­kunst von dieser Inten­sität, Bril­lanz und Hingabe erlebt zu haben. Was Hope und Kremer darüber hinaus eint: Beide sind sie Kammer­mu­siker durch und durch, die die innige Zwie­sprache und den gemein­samen Tanz mit ihren Kollegen zele­brieren und mit dem Gesamt­klang verschmelzen, ohne je solis­tisch heraus­ste­chen zu wollen. Und beide sind sie kompro­miss­lose Mittler und Diener der Musik, für die das größte Glück dann zu passieren scheint, wenn ihre Leiden­schaft für die Töne und Harmo­nien sich aufs Publikum über­trägt und die Musik für einen Moment alles ist. Beim Fest­spiel­wo­chen­ende ist ihnen das eindring­lich gelungen.

Fotos: Angie Kremer