Emre Akal
Kluft zwischen kontrastierenden Generationen
von Antoinette Schmelter-Kaiser
10. November 2022
Mit »Göttersimulation« schickt Emre Akal in den Münchner Kammerspielen zwei alte Männer auf ihre letzte Reise in eine virtuelle Welt, die acht jugendliche Fabelwesen bevölkern. Ein Stück über Unverständnis und Entfremdung.
Egal ob Unterhaltung, Information oder Kommunikation – digitale Medien sind in unserem Alltag omnipräsent. Das betrifft besonders die Generation Z: 92 Prozent der 14- bis 21-Jährigen können sich ein Leben ohne Internet laut einer Studie nicht mehr vorstellen; Präsenz in sozialen Netzwerken, Musik- oder Serien Streamen und Video Games sind für sie eine Selbstverständlichkeit. Deutlich weniger Knowhow und Kompetenz im Bezug auf digitale Medien haben Senioren, die mit Wählscheiben- statt Mobil-Telefonen und Landkarten anstelle von Google Maps analog aufgewachsen sind.
Diese Kluft zwischen zwei kontrastierenden Generation treibt Emre Akal in seinem Stück Göttersimulation auf die Spitze: In ihm schickt er auf der Bühne der Münchner Kammerspiele zwei alte Männer auf ihre letzte Reise in eine virtuelle Welt, die acht jugendliche Fabelwesen bevölkern. In diesem immersiven Metaverse von „Digital Natives“ suchen die beiden nach Gott stellvertretend für einen tieferen Sinn und Orientierung. Doch weil tradierte Regeln, Gewohnheiten und Rollen nicht mehr gelten und in diesem utopischen Universum alles – wie mehrere Götter – möglich ist, laviert das betagte Duo zwischen Staunen und Ratlosigkeit. Das Gefühl von Unverständnis und Entfremdung haben nicht nur sie. Auch die Stimme einer Mutter, die aus dem Off zuhören ist, spiegelt immer verzweifelter die Angst, die Kontrolle über ihr Kind zu verlieren, das lieber in einer Virtual Reality statt im echten Leben ist.
Knallbunte Bühnenelemente und Kostüme arbeiten mit extremen Verfremdungseffekten, zusätzlich verstärken Videoprojektionen den Eindruck, in ein surreales Computerspiel einzutauchen. Über dem Boden wabernder künstlicher Nebel sorgt für Fantasy-Ambiente. In diesem künstlichen Kosmos lässt Emre Akal jugendliche Laien-Darsteller agieren, deren Bewegungen er gekonnt choreographiert und als Chor sprechen lässt. Ihnen gegenüber stellt er das verdiente Ensemblemitglied der Kammerspiele Walter Hess und seinen eigenen Vater Erkin Akal als Wegbegleiter. Emre Akal, der selbst 1981 geboren wurde, schlägt sich auf keine Seite der vorgeführten Fronten, sondern zeigt Alters-Starrsinn und ‑Selbstzufriedenheit genauso wie jugendliche Hybris und Verdrängungsstrategien als Reaktion auf eine Welt im Wandel.
Weitere Informationen zu den Aufführungen von Emre Akals Göttersimulation an den Münchner Kammerspielen am 26. November sowie am 11. und 23. Dezember 2022 auf: www.muenchner-kammerspiele.de