Simon Schlachter

Allgäuer Stern

von Barbara Schulz

24. August 2023

Von einem, der auszog … Simon Schlachter ist untrennbar mit seiner Heimat, dem Allgäu verwachsen. Und hat sich doch aufgemacht, den ganz Großen über die Schulter zu schauen. Eine Asien-Reise hat das Übrige getan: Der junge Sternekoch weiß aus schlichten Zutaten eine Geschmacksexplosion zu zaubern.

Spricht man von Spitzen- oder Ster­ne­kö­chen, so geht es um ausge­zeich­nete Küche im wört­li­chen Sinne. Es geht um Meis­ter­werke auf dem Teller als Ergebnis von kuli­na­ri­scher Krea­ti­vität, Respekt vor Nahrungs­mit­teln und eiserner Diszi­plin. Der 30-jährige Allgäuer Simon Schlachter hat von allem genug, ist aber dennoch anderen gekürten Häup­tern eine ziem­lich entschei­dende Ecke voraus: Er verwöhnt seine Gäste tatsäch­lich den Sternen ein biss­chen näher als andere, denn er betreibt seit dem Jahr 2020 auf 1.250 Metern das höchst­ge­le­gene Ster­ne­re­stau­rant Deutsch­lands auf der Burg Falken­stein, wo er aufge­wachsen ist – das Lokal war sein Wohn­zimmer, der Berg sein Spiel­platz, sagt er. Und wenn er vom Gipfel­glück spricht, dann darf man das gern in einer von ihm vermut­lich unge­wollten Doppel­deu­tig­keit verstehen: Es ist das Glück, ganz oben zu stehen auf „seinem Berg“, der ihm so viel bedeutet. Er hat aber auch den Gipfel der Gastro­nomie erklommen und ist da wie selbst­ver­ständ­lich gut aufge­hoben – ohne abge­hoben zu sein.

Das Kochen und die Gastro­nomie liegen dabei ganz offenbar in der Familie. Der Urgroß­vater über­nahm 1913 die Almwiese bei der Schloss­anger Alp auf einem Hoch­pla­teau nur gute 100 Meter unter der Burg Falken­stein und machte aus der Almhütte in vier Jahr­zehnten einen statt­li­chen Bauernhof. Groß­vater Anton, eigent­lich gelernter Konditor, über­nahm Hof und Land­wirt­schaft, bis er 1963 ein Hotel daraus machte. Vater Toni schließ­lich, Hote­lier und Koch, war offenbar nicht weniger kreativ und mutig als sein Sohn: 1988 über­nahm er zusammen mit seiner Frau den herun­ter­ge­wirt­schaf­teten Gasthof auf dem Falken­stein mitsamt einer Burg­ruine, drei Jahre später kam Sohn Simon zur Welt. Und so mag es Schicksal gewesen sein, denn der jüngste Spross der drei Kinder konnte sich von Anfang an nichts anderes vorstellen, als Koch und Gastronom zu werden.

Zunächst aber musste er erst einmal lernen, weg zu sein. Und mag der Abschied schon schwer gewesen sein, sein Weg war sicher nicht leichter, dafür waren die Stationen zu exklusiv: Koch­lehre bei Martin Fauster im Königshof in München, als Jung­koch zu Ali Güngörmüs nach Hamburg ins Le Canard Nouveau, danach ins Züri­cher Luxus­hotel Dolder Grand, wo er neben dem Zweis­ter­ne­koch Heiko Nieder am Herd stand. Schließ­lich folgten das Konstanzer Gour­met­re­stau­rant Ophelia und Schloss Schau­en­stein im schwei­ze­ri­schen Fürs­tenau. Bevor er noch eine letzte Station im Restau­rant Igniv in Bad Ragaz einlegte, absol­vierte er die Hotel­fach­schule in Heidel­berg und schloss als Küchen­meister und Betriebs­wirt ab. Dort war es auch, wo er seine Lebens­ge­fährtin Sabrina kennen­lernte, mit der ihn die Liebe zum Essen und zur Schön­heit des Allgäus verbindet.

Endlich zurück in der Heimat, endlich wieder auf dem Berg mit seinem endlosen Blick auf den Hori­zont, ins Pfrontner Tal und auf die Gipfel­ku­lisse, ist er wohl wirk­lich ange­kommen. Und so sehr ihm die Natur dort die notwen­dige Ruhe und Ausge­gli­chen­heit verschafft, so sehr schöpft er auch Kraft und Energie aus ihr, um die Küche des Fami­li­en­be­triebs auf dem Falken­stein ganz sanft zu revo­lu­tio­nieren: Neben einem À‑la­carte-Restau­rant betreibt er nun auch sein Ster­ne­lokal Pavo, ein „Fine-DiningS­ha­ring-Restau­rant“. Seine mit einem Michelin-Stern ausge­zeich­nete Küche ist geprägt von Tradi­tion, der er immer einen modernen Twist verpasst – nicht umsonst hat er sich mit seiner Part­nerin Sabrina Inspi­ra­tion in Südost­asien geholt. Unter anderem eben auch das Sharing-Prinzip: Locker soll es sein, unkom­pli­ziert und gesellig. Jeder am Tisch teilt mit jedem die 14 bis 18 kleinen Gerichte, die in einer aufein­ander abge­stimmten Reihen­folge serviert werden, was im ganzen Lokal zu einer ganz anderen Dynamik unter den Gästen führt als bei klas­si­schen großen Teller­ge­richten, auch darf – ganz nach asia­ti­schem Vorbild – mal mit den Fingern gegessen werden. Und das in einem Ster­ne­lokal!

Aber all das passt auch zu seiner Haltung: Boden­ständig und welt­offen will er sein. Und das ist ihm nicht nur mit dem Sharing-Prinzip gelungen, sondern auch kuli­na­risch: Er ergänzt tradi­tio­nelle Topfen­knödel mit einer Brioch­ecreme und Tonk­a­boh­neneis, serviert ein Thai-Basi­li­kum­süpp­chen mit geeister Passi­ons­frucht und Kaffee-Kokos-Crunch oder garniert ein Ceviche vom Wolfs­barsch mit mari­nierten Gurken­wür­feln. Und mal ganz ehrlich: Ein derart schi­ckes Lokal ohne jede alpen­län­di­sche Garnitur, weil das die Kulisse vor den Fens­tern erle­digt – da hat einer mit viel Know-how und Gespür alles richtig gemacht.

Das neue Buch

So macht Ster­ne­küche Spaß! Wichtig ist Simon Schlachter: Die Rezepte sind weder beson­ders aufwendig in der Zube­rei­tung noch kompli­ziert hinsicht­lich der Zutaten – auch wenn’s nach viel aussieht: Es ist einfach gut geglie­dert. Stimmt übri­gens (Anmer­kung der Redak­tion)!

Hier geht es direkt zu einem Rezept aus dem Buch:

Pochi­erter Saib­ling an Rahmjus mit Blumen­kohl­püree und ‑garnitur

Zutaten für 4 Personen

// 250 g Saib­lings­fi­lets mit Haut, in 4 gleich große Stücke geschnitten
// Abrieb von 2 Bio-Limetten
// Meer­salz
// 2 Scha­lotten, fein gewür­felt,
// 1 Knob­lauch­zehe, fein gewür­felt
// 120 g Butter
// 100 ml Weiß­wein
// 1 EL Weiß­wein­essig
// 50 ml Gemü­se­fond
// 250 g Sahne
// Salz
// Pfeffer aus der Mühle
// 200 g Blumen­kohl in Weiß, Lila und Grün (Wild­blu­men­kohl)
// Zucker
// 250 g weiße Blumen­kohl­rös­chen
// Saft von ½ Limette
// 1 Prise Cayenne­pfeffer
// Saib­lings­ka­viar zum Anrichten

Die Saib­lings­fi­lets in einer heißen Pfanne auf der Haut­seite etwa 15 Sekunden scharf anbraten. Mit der Fleisch­seite nach unten auf ein Blech legen. Den Back­ofen auf 60 °C vorheizen. Den Fisch kurz vor dem Servieren für 15 Minuten in den Back­ofen schieben. Anschlie­ßend die Haut abziehen und mit Meer­salz und dem Abrieb von 1 Limette würzen. Für die Rahmjus Scha­lotten und Knob­lauch in 70 g Butter anschwitzen, mit Weiß­wein und Weiß­wein­essig ablö­schen. Den Gemü­se­fond dazu­geben und auf die Hälfte einko­chen. Anschlie­ßend 200 g Sahne zugeben, abschme­cken und durch ein Sieb passieren. Bis zur weiteren Verwen­dung warm halten. Den Blumen­kohl in kleine Röschen teilen. Einen Teil der weißen Blumen­kohl­rös­chen mit einem Hobel in feine Scheiben hobeln und mit Meer­salz und dem Abrieb der zweiten Limette mari­nieren. Die rest­li­chen Blumen­kohl­rös­chen (nicht die 250 g weißen Röschen) in Salz­wasser blan­chieren und in Eiswasser abschre­cken. Vor dem Servieren 20 g gewür­felte Butter, eine Prise Salz, Zucker und etwas Koch­fond in eine Pfanne geben, erhitzen und den blan­chierten Blumen­kohl dazu­geben. Für das Blumen­kohl­püree die 250 g Blumen­kohl­rös­chen in Salz­wasser weich kochen und das Wasser abgießen. Mit dem Limet­ten­saft und Cayenne­pfeffer fein mixen und anschlie­ßend durch ein Sieb strei­chen. Das Blumen­kohl­püree auf den Tellern verteilen, den pochi­erten Saib­ling darauf­setzen und mit den Blumen­kohl­rös­chen belegen. Mit Saib­lings­ka­viar ausgar­nieren und zum Schluss die Rahmjus angießen.