Boris Giltburg

Sein ohne Schein

von Anna Mareis

4. Oktober 2018

Preisträger in der Kategorie Solistische Einspielung | Musik 20. / 21. Jahrhundert / Klavier: Boris Giltburg beweist sich mit Sergei Rachmaninows Zweitem Klavierkonzert als Seelenerzähler des Komponisten.

Nachdem vor einiger Zeit Sergei Rach­ma­ni­nows Études-tableaux op. 39 vorge­stellt hat, war klar: Der in Moskau gebo­rene und in Israel aufge­wach­sene Pianist beschreitet einen voll­kommen neuen Weg, um das Werk des russi­schen Kompo­nisten in unsere Zeit zu stellen. Diese Vermu­tung bestä­tigt er nun mit der Einspie­lung des wohl bekann­testen und größten Werkes des Kompo­nisten, seinem Klavier­kon­zert Nr. 2, mit dem Royal Scot­tish National Orchestra und Carlos Miguel Prieto für das Label .

Beein­dru­ckend, wie Gilt­burg sich als Inter­pret einer­seits zurück­nimmt, es auf der anderen Seite versteht, einen voll­kommen neuen und indi­vi­du­ellen Zugang hören zu lassen. Das zuweilen Ober­flä­chige, das provo­kant Bombas­ti­sche, das Laute verschwindet bei ihm hinter einer voll­kommen neuen Perspek­tive: Gilt­burg scheint so tief mit dem Werk Rach­ma­ni­nows vereint, dass es ihm gelingt, den Geist des Kompo­nisten aufzu­spüren und auszu­stellen. In seiner Inter­pre­ta­tion erzählt er Geschichten, horcht auf das Orchester, lässt die Soli neben seinem Spiel atmen, reist durch schnee­be­deckte Land­schaften und vari­iert immer wieder seine Ausdrucks­formen. So entsteht ein 2. Klavier­kon­zert, das ener­gie­ge­laden ist, einen großen, einheit­li­chen Bogen spannt und sich niemals verrennt – ein zutiefst wahr­haf­tiger Rach­ma­ninow, der ohne Schein nur das Sein ausstrahlt. Ebenso klar und unprä­ten­tiös kommen die Études-tableaux op. 33 daher. Auch hier behält Gilt­burg stets die Erzäh­lung im Auge, lässt sich nie durch Effekte ablenken und steuert durch die verblüf­fende Klang­viel­falt der Parti­tur­land­schaft.

Fotos: Sasha Gusov