Der Fächer
Hauptfächer: Geschichte, Kunst, Musik
6. Juni 2019
Der Fächer war in Europa immer auch Modeaccessoire, Übermittler koketter Botschaften und sogar Journaille.
Spätestens seit dem Sommer 2018 ist das fast vergessene Accessoire modisch wieder en vogue: Verschwindet bei grauem Himmel in der kleinsten Clutch, rettet bei unbarmherziger Glut von oben aber sogar über den Ring in Bayreuth. Nicht umsonst heißt das hübsche Ding auf Englisch „fan“. Und hinter dem frischen Wind steckt mehr.
Reisender
Die Geschichte des Fächers beginnt im Mittelalter, als Fächer in Form langstieliger Radfächer eine wichtige Rolle in der christlichen Liturgie spielten. Als Modeaccessoire gewann er erst im 15. Jahrhundert, vor allem in Italien, an Bedeutung, als Fahnenfächer, Federfächer, als in sich unbeweglicher Stiel- bzw. Blattfächer oder Handschirm zum Schutz des Gesichtes vor der Hitze des Kaminfeuers. Erst die Heirat der Katharina de Medici mit dem französischen Thronfolger, dem späteren Heinrich II. im Jahre 1533, trug wesentlich zur späteren überragenden Position der französischen Fächermanufakturen bei.
Eroberer
Ein neuer, raffinierterer Fächertypus, der sogenannte Faltfächer, sorgte Ende des 16. Jahrhunderts für einen Siegeszug des Fächers in ganz Europa. Er ließ eine kunstvolle und aufwendige Gestaltung zu. Dieser faltbare – und bis heute geläufigste – Fächertypus gelangte durch den portugiesischen Handel mit China nach Europa, wo er im 18. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte. Frankreich lief damals in der Fächerherstellung allen anderen Nationen sowohl mengen- als auch qualitätsmäßig den Rang ab.
Botschafter
Natürlich war der Fächer auch Statussymbol – der Aufwendig- und Kostbarkeit der Materialien waren keine Grenzen gesetzt. Daneben diente der Fächer in Europa in erster Linie als unverzichtbares Moderequisit, und, très charmant: als Mittel der Koketterie. Im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelte sich eine Fächersprache. So ließen sich wichtige Mitteilungen der Damen auf graziöse und lautlose Art an ihren Kavalier übermitteln. Jede noch so unauffällige Bewegung des Fächers hatte eine fest kodierte Bedeutung: Ablehnung, Zustimmung, Verliebtheit oder die Stunde des Rendezvous.
Journaille
Während der französischen Revolution übernahm der Fächer fast ausschließlich die Rolle eines Nachrichtenübermittlers: Man stellte aktuelle revolutionäre Tagesgeschehnisse auf einfachen bedruckten Papierblättern dar, montiert auf Holzgestellen. Erst zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Fächermalerei – auch durch die Beschäftigung erstklassiger Maler – neuen Aufschwung. Édouard Manet zählte wohl zu den ersten Künstlern, die das halbrunde Bildformat als kompositionell interessantes Format für sich entdeckten.