Frank Bungarten
Die gezupfte Orgel
von Anna Mareis
2. Oktober 2018
Preisträger in der Kategorie Instrumentalist | Gitarre: Frank Bungarten entdeckt das Gitarrenwerk des letzten Wiener Virtuosen Johann Kaspar Mertz.
Sie könnten Brüder im Geiste sein, der in Pressburg geborene, wohl größte Gitarrenvirtuose des 19. Jahrhunderts, Johann Kaspar Mertz, und der gegenwärtige Meister dieses Instruments, Frank Bungarten. Beide suchen nach vollkommen neuen Ausdrucksmöglichkeiten für das Instrument, erweitern seinen Tonumfang und versuchen, die Grenzen des Spielbaren auszuloten. Kein Wunder also, dass Bungarten sich nun dieses „letzten Wiener Virtuosen“ angenommen hat.
Mit unglaublich warmem Ton, präziser Technik und Mut zur Melancholie hat Bungarten neben den sechs Schubert’schen Liedern auch Mertz« Trois Morceau, einige der Bardenklänge und seine Bearbeitung von Verdis Ernani-Ouvertüre aufgenommen. Dafür hat der Gitarrenmeister die Kontragitarre ausgewählt, gefertigt nach einer exemplarisch erhaltenen historischen Vorlage von Johann Gottfried Scherzer. Sie verfügt über einen zweiten Hals und eine Reihe zusätzlicher Basssaiten. Gerade dieser Bass macht die nun preisgekrönte Aufnahme in glänzender MDG-Qualität aus!
Bungarten, der bereits vielfach ausgezeichnet ist, besticht in seinen Konzerten und seinen Aufnahmen nicht allein durch seine einfühlsame Virtuosität, sondern auch dadurch, dass er immer wieder hinabsteigt in die oft vergessenen Winkel der Musikgeschichte. Mit Mertz hebt er nun einen faszinierenden Musiker ins Rampenlicht: Als er nach Wien zog, nahm das allgemeine Interesse an der Gitarre gerade wieder ab, von Konzertauftritten konnte der Ausnahmemusiker nicht mehr leben, er war gezwungen, auch zu unterrichten, und bearbeitete – den Moden der Zeit entsprechend – zahlreiche Werke großer Meister wie eben Verdi oder Schubert. Mertz« anspruchsvolle Kompositionen waren zum großen Teil für eine zehnsaitige Gitarre mit den zusätzlichen Saiten D‑C-H‑A bestimmt (die in der Regel leer gezupft wurden). So wird das Instrument zum Teil zu einem großen Orchester, oder, wie Bungarten in seiner Aufnahme hören lässt, zu einer gezupften Orgel, wenn er Mertz« Orgelfuge nach Johann Georg Albrechtsberger interpretiert.
Frank Bungarten hat auch mit dieser Einspielung unter Beweis gestellt, dass die Gitarre ein Lebensgefühl ist, gleichsam zur individuellen Adaption großer Meister wie zur eigenständigen Suche zutiefst sehnsüchtiger Musik.