Juditha triumphans

Theaterakademie August Everding

In Kriegs­zeiten

von Ruth Renée Reif

15. Juli 2023

Der Studiengang Musiktheater / Operngesang an der Theaterakademie August Everding in München bringt eine szenische Fassung des Oratoriums »Juditha triumphans devicta Holofernis barbarie« von Antonio Vivaldi zur Aufführung.

Als „eine Kirche des Blutes“ habe Thea Hoff­mann-Axthelm ihr Bühnen­bild bezeichnet, erzählen die Drama­turgie-Studie­renden Zoe Köppen und Takuya Maehara in ihrer Einfüh­rung. Die Erwar­tungen, die diese Bezeich­nung weckt, werden nicht enttäuscht. Beim Eintritt in den Bühnen­raum, wird man über­wäl­tigt von dem in grellem Rot leuch­tenden Bühnen­raum mit einer dreh­baren weiteren Spiel­fläche in der Mitte. Auch die Sänge­rinnen und Sänger tragen rote Kostüme. Ihre Köpfe sind kahl, was ihnen ein andro­gynes Aussehen verleiht. An der Thea­ter­aka­demie neigt sich das Studi­en­se­mester dem Ende zu, und die Abschluss­ar­beiten werden gezeigt. Der Studi­en­gang Musik­theater / Opern­ge­sang bringt das Orato­rium sacrum mili­tare Juditha trium­phans devicta Holo­fernis barbarie von in einer szeni­schen Fassung zur Auffüh­rung.

„Eine Kirche des Blutes“ das Bühnen­bild von Thea Hoff­mann-Axthelm

Das apokryphe Buch Judith des Alten Testa­ments, von dem drei mittel­al­ter­liche Nach­er­zäh­lungen in Versen erhalten sind, begeis­terte Schrift­steller wie Hans Sachs, und ebenso wie die bildenden Künstler Michel­an­gelo oder . Vivaldis Libretto trug auf dem Titel­blatt den Zusatz „in Kriegs­zeiten“. Wie das Programm­heft verrät, war damit der Krieg zwischen Venedig und den Osmanen in den Jahren 1714 bis 1718 gemeint, bei dem die vene­zia­ni­sche Truppe 1715 auf dem Pelo­ponnes und in der Ägäis herbe Rück­schläge erlitten hatte. Die Urauf­füh­rung des Werks habe nach heutigem Forschungs­stand wahr­schein­lich im März 1716 statt­ge­funden. Judithas Kampf gegen das Heer des Holo­fernes könne somit als eine Alle­gorie der Repu­blik Venedig gedeutet werden, in der Juditha am Ende über einen mäch­tigen Feind trium­phiere. Das Orato­rium erzählt von der Bela­ge­rung der Stadt Bethu­lien durch den assy­ri­schen Feld­herrn Holo­fernes und seinen Gehilfen Vagaus. Judith, die mit ihrer Dienerin Alba im gemein­samen Witwen­da­sein eine innige Bezie­hung entwi­ckelt hat, will ihrem Volk helfen. Sie versucht, Holo­fernes zum Frieden zu bewegen. Dieser sieht in ihr jedoch nur ein Objekt der Begierde.

Musi­ka­lisch folgt die Auffüh­rung der histo­risch infor­mierten Auffüh­rungs­praxis. Joachim Tschiedel, der stell­ver­tre­tende Leiter des Master­stu­di­en­gang Musik­theater, diri­giert vom Cembalo aus ein Ensemble, das er u.a. aus Studie­renden aufge­baut hat und das auf histo­ri­schen Instru­menten wie der Viola d’amore und der Chalu­meau spielt. Auch die Sänge­rinnen und Sänger stellen sich auf beein­dru­ckende Weise der Heraus­for­de­rung des baro­cken Gesangs mit seinen vielen Verzie­rungen und Spit­zen­tönen. Regie führt Alex­ander Nerlich, der von 1999 bis 2003 Regie an der Thea­ter­aka­demie studierte.

Hofo­fernes und Judith, darge­stellt von der Sopra­nistin Elisa­beth Frey­hoff, der Mezzo­so­pra­nistin Tamara Ober­mayr und dem Tenor Hoazhou Hu

Die Hand­lung wird wieder­ge­geben, als würden die Figuren jemandem erzählen, was geschehen ist. Die Rolle der Juditha verkör­pern die Sopra­nistin Elisa­beth Frey­hoff, die Mezzo­so­pra­nistin Tamara Ober­mayr und der Tenor Hoazhou Hu. Durch die drei­fache Beset­zung werden die verschie­denen Aspekte der Figur aufge­fä­chert und auch die männ­li­chen und weib­li­chen Anteile der Figur gezeigt. Die Partie des Holo­fernes wird von der Mezzo­so­pra­nistin Laura Mayer gesungen. Die Mezzo­so­pra­nistin Katya Seme­nisty singt Judithas Vertraute Abra, und die Sopra­nistin Harpa Ósk Björns­dóttir steht als Holo­fernes« Gefährte Vargaus auf der Bühne.

„Lenker der Welt im funkelnden Himmel, höre die Gebote und blicke voller Gnade auf das Opfer, das ein frommes Herz dir bringt, welches in deinem Namen kämpft.“ Bereits das Ritual am Beginn der Auffüh­rung lässt an die dunkelsten Kapitel der euro­päi­schen Geschichte denken. Aber auch erschre­ckende Paral­lelen zur Gegen­wart tun sich in dem Spiel auf. Immer wieder fällt das befremd­liche Wort „Sieg“, als ob es in einem Krieg Sieger geben könnte. Auch der Mord entpuppt sich am Ende als gemeiner Meuchel­mord. Dem Gebot, niemand dürfe im Schlaf getötet werden, wieder­setzt Juditha sich mit dem Argu­ment, das Gebot gelte nur für Gläu­bige, Holo­fernes aber sei ein Ungläu­biger. Dass mit einer unrechten Tat niemals Unrecht beendet werden kann, beweisen die Rufe der Anhänger Holo­fernes«: „Ihr Rache­geister, kommt!“ Dem nächsten Krieg ist damit bereits der Weg bereitet.

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Informationen zu den weiteren Aufführungen von Claudio Vivaldis Oratorium Juditha triumphans devicta Holofernis barbarie an der Theaterakademie August Everding am 16., 18., 20. und 22. Juli 2023: www.theaterakademie.de 

Fotos: Cordula Treml