„Der fliegende Holländer“ bei den Bayreuther Festspielen

Ökono­mi­sche Versu­chung in der Venti­la­to­ren­fa­brik

von Maria Goeth

8. August 2018

„Die Frist ist um…“ und nach sieben Jahren segelt Jan Philipp Glogers Bayreu­ther Insze­nie­rung von Richard Wagners „Flie­gendem Holländer“ dem Himmel abge­spielter Produk­tionen entgegen.

So wirk­lich schwer will einem der Abschied nicht werden, gestaltet sich doch an diesem Abend – außer den hölli­schen Tempe­ra­turen im bekann­ter­maßen nicht klima­ti­sierten Fest­spiel­haus – alles etwas lau. Zwar gelingt Glogers Über­füh­rung der Holländer-Geschichte in eine moderne Welt des Kapi­ta­lismus und der Digi­ta­li­sie­rung schlüssig: Daland und Holländer treffen im Innern einer Art über­di­men­sio­nierten Schalt­raums aufein­ander, sind in einem „Daten­meer“ Gestran­dete. Da wirkt es nur konse­quent, dass Daland – der ökono­mi­schen Versu­chung erlie­gend – in dieser Hoch­ge­schwin­dig­keits­welt binnen weniger Minuten dem Fremden seine Tochter als Braut verscha­chert. Auch dass die summenden Rädchen der Spinn­stube bei Gloger zu denen einer Venti­la­to­ren­fa­brik werden (übri­gens erfreut allein deren Anblick den bei 39°C dahin­kö­chelnden Fest­spiel­gast), fügt sich bruchlos. Die Arbei­te­rinnen rackern dort zur finan­zi­ellen Beglü­ckung ihrer Liebsten im Akkord.

„In dieser Hoch­ge­schwin­dig­keits­welt verscha­chert Daland binnen weniger Minuten dem Fremden seine Tochter als Braut.“

Alter­na­tive zum kühlen Kommerz
Senta widmet sich systemun­kon­form der Bild­hauerei, labo­riert an einer eini­ger­maßen scheuß­li­chen Holz­schnit­zerei, die ihre Idee des „Hollän­ders“ reprä­sen­tiert. Diese symbo­li­siert trotz aller Häss­lich­keit eine immer­noch erstre­bens­werte Alter­na­tiv­welt zur durch Tech­no­logie emotional erkal­teten Realität. Senta will erlöst werden, eigent­lich ziem­lich egal von wem.

In dieser erbar­mungs­losen Kapi­ta­lis­mus­welt scheint selbst der finale Doppel­selbst­mord des Prot­ago­nis­ten­paares als Ausbruch aus ökono­mi­scher Gefan­gen­heit nach­voll­ziehbar. – als Schluss-Gag wird selbst dieser tragi­sche Tod unmit­telbar kommer­zia­li­siert: Statt Venti­la­toren fertigt die Fabrik von nun an elek­tro­ni­sche Senta-Holländer-Figuren.

Trotz oder gerade wegen der Schlüs­sig­keit dieses Insze­nie­rungs­an­satzes mit durchaus gele­gent­li­chen komi­schen Elementen – wie dem zwischen Über­dreht­heit und Bühnen-Freeze chan­gie­renden Damen­chor–, will er nicht so wirk­lich über­springen, der Leiden­schafts­funke, wirkt die Produk­tion stre­cken­weise leblos und konflikt­frei.

Im Ensemble über­zeugt beson­ders Peter Rose als Daland mit großer Unmit­tel­bar­keit und Stimm­stärke, auch die beiden Tenöre – Tomislav Mužek als Erik und, neu dabei!, Rainer Trost als kraft­voller Steu­er­mann – lassen aufhor­chen. als Holländer fehlt es etwas an Dämonie, Ricarda Merbeth als Senta an stimm­li­cher und körper­li­cher Beweg­lich­keit. Diffe­ren­ziert und mit alle schwül­nisb­dingte Träg­heit vertrei­benden Tempi leitet Diri­gent das Fest­spiel­or­chester. Der Gene­ral­mu­sik­di­rektor der Deut­schen Oper am Rhein über­nahm die Produk­tion 2016 von .

Fotos: Enrico Nawrath