OPUS KLASSIK
Scheinwerfer ins Dunkel!
15. Oktober 2018
Der ECHO KLASSIK heißt nun OPUS KLASSIK. Man mag über die Veranstaltung geteilter Meinung sein. Aber es gibt durchaus Preisträger, die es zu entdecken gilt.
Neuer Name – und sonst? Der Musikpreis, einst bekannt als Echo Klassik, heißt nun OPUS KLASSIK: Er besteht aus weitgehend derselben Jury. Die Preisverleihungs-Gala, die wieder vom ZDF übertragen wird, findet am selben Veranstaltungsort statt (Konzerthaus Berlin) und wird vom selben Moderator präsentiert ( Thomas Gottschalk). Vom einstigen Sturm nach dem ECHOPOP- Skandal um die antisemitischen Texte der Rapper Kollegah und Farid Bang ist wenig übrig geblieben. Dabei waren es damals ausgerechnet die Klassikkünstler, die ihre Preise aus Protest als Erste zurückgegeben haben. Und nun? Weiter so, wie gehabt, außer dass die Phono-Akademie nicht mehr offizieller Veranstalter ist und ein neuer Name gefunden wurde? Ja, so sieht es leider aus.
DER OPUS KLASSIK IN ZAHLEN: DIE JURY
5 Vertreter von Plattenfirmen
2 Fachjournalisten
2 Vertreter ZDF-Redaktion Musik
1 Kulturmanager
1 Vertreter Deutscher Musikrat
Zwar wird eine vollkommene Revolution des Preises im nächsten Jahr versprochen (dann auch mit Konzerten und Bühnenproduktionen als Preisträger), aber die Chance, ein Innehalten der Branche zu signalisieren, und sei es nur, indem die Preisträger in der ZDF-Gala Werke sogenannter „entarteter Komponisten“ spielen? Fehlanzeige! Unter diesen Umständen mag es verwundern, dass wir von crescendo uns dennoch entschlossen haben, auch in diesem Jahr wieder einen Schwerpunkt zum neuen Musikpreis herauszugeben. Wir haben innerhalb der Redaktion lange darüber debattiert. Und sind am Ende zu folgendem Schluss gekommen: Seit wir den ECHO KLASSIK begleiten, ging es uns stets darum, auch jenen Künstlern ein Forum zu bieten, die nicht in der großen ZDF-Sause auftreten. Dorthin zu horchen, wo Musik noch ein Abenteuer ist, wo couragierte Labels und leidenschaftliche Musiker, oft in der Nische der Öffentlichkeit, Trouvaillen ausgraben, sich akribisch um neues Repertoire und neue Interpretationsansätze kümmern. Denn das wäre für uns von crescendo der größte Verdienst einer solchen Veranstaltung: das Scheinwerferlicht auf jene Künstler zu werfen, die in den Massenmedien ansonsten in der Dunkelheit stehen. Sie haben wir in den letzten Jahren in intensiven Video- Gesprächen vorgestellt, uns von ihnen begeistern lassen und an ihrer Leidenschaft teilgenommen.
DER OPUS KLASSIK IN ZAHLEN: DIE KANDIDATEN
511 Einreichungen
22 Kategorien
53 Preisträger, davon gehen:
28 Preise an die Majors (Universal, Sony, Warner)
25 Preise an kleinere Plattenfirmen („Independents“)
Es sind auch diese Künstler, die besonders vehement gegen die antisemitischen Ausfälle bei der ECHO-POP-Verleihung protestiert haben (die Superstars der Branche haben erst später aus oft strategischen Gründen mitgemacht). Und wir finden, dass ein Preis, wie es der ECHO war und wie es der OPUS ist, noch immer eine gute Gelegenheit darstellt, diese Menschen in den Fokus zu rücken. Deshalb wird sich crescendo dieses Jahr im Hochglanzgeschäft des OPUS bewusst zurückhalten, nicht von der Verleihung und der großen Show berichten. In diesem Schwerpunkt geht es uns darum, Ihnen, verehrte Leser, jene Musiker vorzustellen, die auch bei der großen Gala nicht im Scheinwerferlicht stehen werden. Preisträger, die das Geschäft mit der klassischen Musik so spannend machen. Künstler, die keine x‑beliebige La Traviata oder Beethoven 5 einspielen. Sondern Musiker, die sich intensiv mit dem Repertoire, das sie aufnehmen, auseinandersetzen, deren Ergebnisse nie beliebig, sondern existenziell für das sind, was sie mit ihrer Kunst aussagen wollen. Künstler, von denen wir fest überzeugt sind, dass sie und ihre Aufnahmen es wert sind, gehört zu werden. Künstler, die jenseits der schillernden Klassik-Oberfläche in die Tiefe abtauchen und wirklich Neues und Aufregendes für uns zutage fördern. So wie immer wird die ZDF-Gala auch wieder ein Treffen der Branche sein: Die Entscheider der Labels, Journalisten, Künstler und Publikum werden aufeinander treffen. Und in den Gesprächen auf den Fluren wird es in diesem Jahr sicherlich auch um die Frage gehen, wie es denn konkret mit dem Preis weitergehen soll. Ob man sich wieder mehr Ernsthaftigkeit leisten kann, ob die große Show sich auch wieder intensiver um die Musik kümmern sollte, ob man den Künstlern einen größeren Raum einräumen kann, um von ihren Projekten zu schwärmen, ob es nicht an der Zeit sei, neben den allgemein bekannten Megastars mehr Newcomer auf die Bühne zu stellen, um ihre Begeisterung zu erleben. crescendo freut sich auf all diese Diskussionen und auf einen bevorstehenden Wandel des Preises. Aber diese Debatte um die Zukunft des OPUS KLASSIK wird wohl erst beim ersten OPUS KLASSIK selbst geführt werden.
DER OPUS KLASSIK IN ZAHLEN: DIE ZDF-GALA
10 auftretende Preisträger, davon
9 Major-Künstler
1 Independent-Künstler
43 Preisträger, die Sie nicht sehen werden …
Und wir von CRESCENDO hoffen, dass allen Beteiligten klar wird, dass die Kunst, für die wir gemeinsam schwärmen, mehr ist als eine bunte und schrille Verpackung. Dass sie gerade nach den Vorfällen beim ECHO POP die Chance birgt, Bewusstsein für das Vergangene zu schärfen und Visionen für die Zukunft zu entwickeln. Und dass dafür zunächst einmal vollkommen offen alles Bisherige auf den Prüfstand gestellt werden sollte: von der Jury über die Präsentation der Preisträger bis zu den Kriterien, nach denen entschieden wird. Und deshalb nutzen wir diese Denkpause, um Ihnen, verehrte Leser, auf den nächsten Seiten jene Künstler intensiv vorzustellen, von denen wir glauben, dass sie die wahre Zukunft der klassischen Musik sind.