Was ist hier gesucht?

Freie Sicht ins Publikum

von CRESCENDO Redaktion

21. Oktober 2020

Die Einsicht ist hart: Man wird im Prinzip nur durch die anderen zu dem, was man ist.

Wollen wir an dieser Stelle einmal den großen Moritz Gott­lieb Saphir zitieren, den berühmten öster­rei­chi­schen Feuil­le­to­nisten, Sati­riker und Kritiker. Denn dann wird nicht nur dem geneigten Leser das ganze Problem ersicht­lich. Nun denn: „Du hältst dich für den Ersten, für den Einzigen. Bist du der Einzige, wie kannst du der Erste sein? Bist du der Erste, wie kannst du der Einzige sein?“ Frap­pie­rend. Was soll man dazu noch viel sagen? Recht hat er. Erster kann man nur dann sein, wenn es noch genü­gend viele andere gibt, die hinter oder neben einem stehen, sitzen, laufen oder spielen. Ein Erster ist oftmals doch nicht viel mehr als ein Primus inter pares. Und etwas anderes ist dieses Geschöpf ja auch ohnehin nicht. Darauf weist der Name schon ausdrück­lich hin. Nach einer Eins muss logi­scher­weise eine Zwei kommen.

Kein Grund zur Über­heb­lich­keit

Gut, viel­leicht gibt es hier und da noch ein kleines Solo. Aber was soll’s. Wir wollen mal nicht so klein­lich sein. Kein Grund für ein derart über­stei­gertes Selbst­be­wusst­sein. Hier macht doch jeder nur seinen Job. Und ein biss­chen Solo macht noch lange keinen Star. Also kein Grund zur Über­heb­lich­keit. Wichtig ist, wenn es keine anderen gibt, kann man so lange Erster sein, wie man will. Es inter­es­siert dann nur eben niemanden. Und auf Dauer als Erster allein zu sein, macht doch auch ziem­lich einsam. Und man kann noch so lange und beharr­lich allein in der ersten Reihe sitzen, dadurch wird es auch nicht besser. Denn wenn es keine Reihen drum­herum gibt, dann ist die erste Reihe keinen Pfennig wert. Die Einsicht ist hart: Man wird im Prinzip nur durch die anderen zu dem, was man ist.

Beson­dere Arm- und Bein­frei­heit

Und das Image ist, offen gesagt, nicht gerade positiv besetzt. Das wird nicht zuletzt daran deut­lich: Dieses Erster-Sein hat im Laufe der Zeit den Weg heraus aus der Musik und hinein in unsere Alltags­sprache gefunden. Aller­dings als oftmals wenig schmei­chel­hafte Floskel. Ehrgeiz wird damit verbunden, in gewisser Weise auch Egoismus und ein drin­gender Hang, im Mittel­punkt des Inter­esses zu stehen. Doch ganz so schlimm ist der oder die Erste nun auch wieder nicht. Schließ­lich hat dieser Job auch etwas mit Verant­wor­tung zu tun. Nicht nur für sich, sondern für das ganze Orchester. Denn der Erste hält alles zusammen. Er gibt im wahrsten Sinne des Wortes den Ton an. Und sagt, wo es lang­geht. Wenn er aufsteht, tun es die anderen ihm nach. Vorteil des Jobs: beson­dere Arm- und Bein­frei­heit. Und freie Sicht ins Publikum.

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