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Absolute Gewissheit
2. Dezember 2020
Auf mich kann man sich verlassen. Und wer mit mir nicht Schritt halten kann, ist eben raus. Ich bin die Nähmaschine der Musik.
Ludwig, das Schicksal steht vor der Tür. Und schau nur an, eilig hat es das Schicksal auch noch. Viel eiliger als früher. Mensch, Ludwig! Das hat man davon. Das haben wir davon! Man glaubte dir ja lange Zeit nicht. Man glaubte uns nicht! Man dachte, du hättest dich bei mir geirrt, getäuscht. Vielleicht verschrieben. Die Herren Theoretiker sagten: Jaja, der arme Mann war ja taub. Vielleicht war er ja dann auch nicht mehr richtig im Kopf? Und dabei hattest du dir doch noch so viel Mühe gegeben, also mit mir. 25 von 400 – das nenn ich doch mal was. Alle Sinfonien, die wichtigen Streichquartette und die Klaviersonate op. 106. Kaum einer hat so einen Narren an mir gefressen wie du. Nachträglich hast du deine Werke bearbeitet, Note für Note, Takt für Takt – und nur für mich. Durch mich. Mit mir!
Die Nähmaschine der Musik
Ich muss dir sagen, lieber Ludwig, ich kann dich verstehen. Schließlich bin ich so etwas wie die absolute Gewissheit. Wo gibt es das heute noch? Auf mich kann man sich eben verlassen. Ich bin beständig. Gnadenlos, diszipliniert. Ich bin sogar im Takt. Ach, was sag ich: Ich bin der Takt! Mein Maß ist die Minute. Und wer mit mir nicht Schritt halten kann, ist eben raus. So einfach ist das, du weißt es Ludwig. Da bin ich erbarmungslos, man könnte auch sagen: Ich bin die Nähmaschine der Musik. Tack, tack! Tack, tack. Am Anfang war ich ja auch nicht mehr als ein justierbares Pendel.
200 Exemplare verschenkt
Weißt du noch, wie es mit mir anfing, Ludwig? Ein geselliger Abend soll es gewesen sein, 1812 – so sagt man zumindest. Du und der Mälzel. O pardon, der kaiserliche Hofkammermaschinist Johann Nepomuk Mälzel. Ihr träumtet von Neuerungen, Dingen und Maschinen, die die Musik verändern könnten. Der Mälzel war ja schon bekannt für seine Musikautomaten, die er konstruierte. Ach, weißt du noch, später hat er es auch mit Schachmaschinen probiert. Aber ein Schlingel war er, der liebe Mälzel. Hat sich doch allzu gern bei anderen bedient. Deshalb ging es ja auch in meiner Angelegenheit sogar bis vor das Gericht. Am Ende hat ein anderer Recht bekommen: nämlich Diederich Nikolaus Winkel. Ganz offiziell wurde ihm das Patent an mir zu gesprochen. Der liebe Mälzel, ach, der hat ihm Grunde doch nur die Pyramide erfunden. Aber, immerhin, großzügig war er. 200 Exemplare meiner Wenigkeit hat er verschenkt, an Komponisten und Musiker. Sogar in Serie ging er mit mir, in Wien und Paris war das. Das war ein Ding. Erinnerst du dich noch, Ludwig?
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