Was ist hier gesucht?
Folter bleibt Folter
3. Februar 2021
Hätten sich die Steinzeitmenschen nicht etwas Besseres einfallen lassen können? War das Leben damals wirklich so langweilig?
Was ist das bloß, mit dem Menschen, dass er sich selbst so gerne quält? Sich selbst – und wenn die Möglichkeit besteht, auch andere. Vor Tausenden von Jahren fing er schon damit an – und er hat bis heute nicht damit aufgehört. Was trieb ihn bloß dazu, dieses Instrument der Folter zu erfinden? Hätten sich die Steinzeitmenschen nicht etwas Besseres einfallen lassen können? War das Leben damals wirklich so langweilig? Gab es keinen anderen Ausweg? Sie hätten doch Mammuts jagen oder Beeren sammeln können. Oder irgendwelches Zeug an Felswände kritzeln. Und als Alternative hätte es ja auch immer noch die Trommel gegeben.
Ein alles durchdringender Ton
Ein paar harmlose Löcher, was kann daran schon Schlimmes sein. Nichts, eigentlich. Oh, ihr Steinzeitmenschen, ihr habt ja keine Vorstellung! Wenn ihr bloß wüsstest, was ihr getan habt. Vor allem jetzt, in der Adventszeit, wird es wieder besonders schlimm. Krippenspiele, Adventsgottesdienste, Weihnachtsmärkte – sie sind jetzt einfach überall, es gibt kein Entkommen. Die Ohren zuzuhalten, bringt auch nichts. Dieses Instrument ist perfide: Sein Ton durchdringt einfach alles. Kommet i‑ihr Hirten, i‑ihr Männ-e-err u‑und Fraaaun! Besonders beliebt ist auch der Heilige Abend zusammen mit den Lieben. Da gehört die Folter vieler Orten zum guten Ton. Aber ach, die lieben Kleinen, die spielen doch so schön. Also durchhalten und gute Miene zum bösen Spiel machen. Stille Nacht, heilige Nacht.
Jeder von uns ein Folterknecht
Dabei ist doch fast ein jeder von uns ein Folterknecht. Fast jeder hat es schon einmal getan. Grundschule und musikalischer Früherziehung sei Dank. Wie heißt es so schön: Man muss bei den Jüngsten anfangen. Heutzutage am besten schon im Kindergarten. Doch weiß der Mensch eigentlich, was er da tut? Dieses Instrument in den Händen eines Kindes: eine gefährliche Waffe! Das erstaunliche aber ist, dass die Folter quasi ein globales Phänomen ist. So etwas wie die Cola der Musikinstrumente. Man findet sie überall. In verschiedenen Formen. Mal schmeckt sie besser, mal ein bisschen schlechter. Mal quält sie mehr, mal quält sie weniger. Und dabei ist es ganz egal, ob man nun reinpustet oder drüberbläst. Ob man sie nun längs oder quer hält. Folter bleibt Folter.
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