Barbara Heuberger

Von der Puppe geküsst

von Maria Goeth

9. Oktober 2017

Am Salzburger Marionettentheater wird die Kunst der Figurenbewegung seit über 100 Jahren perfektioniert. Ein Blick hinter die Kulissen.

Ein Pygma­lion-Moment muss es gewesen sein: 1913 hatte der Bild­hauer Anton Aicher die Vision, dass seine Schöp­fungen zum Leben erwa­chen. Seine beweg­li­chen Figuren waren der Ursprung des Salz­burger Mario­net­ten­thea­ters – und frap­pieren bis heute durch ihren Grenz­tanz zwischen Kunst­ob­jekt und „Mensch­wer­dung“.

Barbara Heuberger
Barbara Heuberger, die Geschäfts­füh­rerin des Salz­burger Mario­net­ten­thea­ters, in der Puppen­werk­statt

Es geht alles um die Bewe­gung!“, macht Barbara Heuberger, Geschäfts­füh­rerin des Salz­burger Mario­net­ten­thea­ters, klar. Nur wenn sie perfekt gelingt, kann diese eigen­tüm­liche Aura entstehen, in der die Puppe zum Menschen wird. Und Bewe­gung kann nur durch ihren unsicht­baren Spieler entstehen, wodurch eine faszi­nie­rend rätsel­hafte Drei­er­be­zie­hung „Spieler–Puppe–Zuschauer“ einge­gangen wird. Dann geschieht es plötz­lich, dass Puppen beim Zuschauer etwas Beson­deres öffnen und ganz anders berühren. Ist es Nost­algie, eine Atmo­sphäre aus der Kind­heit? Oder ist es die eigen­tüm­liche Perfek­tion der Puppe, denn der Mensch schwitzt, ist zu dick, ist zu groß? Eine einfache Antwort gibt es nicht. „Der Theater- und Opern­be­trieb ist unun­ter­bro­chen auf der Suche nach etwas Neuem, aber auch nach Gefühlen“, analy­siert Heuberger, hier könne Puppen­spiel perfekt ansetzen.

The Sound of Music
Das Musical The Sound of Music, die Geschichte der aus Salz­burg stam­menden Trapp-Familie, am

Am Salz­burger Mario­net­ten­theater wird die Kunst der Figu­ren­be­we­gung seit über 100 Jahren perfek­tio­niert – vornehm­lich zu Opern von Mozart, vornehm­lich für Erwach­sene, wobei es auch spezi­elle Kinder­vor­stel­lungen gibt. Die Musik kommt in der Regel vom Band, die sorgsam ausge­wählten Aufnahmen werden im haus­ei­genen Tonstudio präzise geschnitten und bear­beitet. Neben den rund 160 Vorstel­lungen im hübschen Salz­burger Theater – ehemals dem prunk­vollen Spei­se­saal des legen­dären „Hotel Mira­bell“, in dem Künstler wie resi­dierten – stemmt das zehn­köp­fige Ensemble bis zu 100 Gast­spiel­auf­tritte jähr­lich. „Gerade bereiten wir eine Tournee nach Saudi Arabien mit The Sound of Music vor. Gestern stellte der Veran­stalter fest, dass dort eine ganze Gruppe von Nonnen mitspielt, und fragte, ob man das ändern könne. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll“, hadert Heuberger, die zu jedem Auftritt rund fünf Tonnen Bühnen­bild und Figuren auf die Reise schickt.

Puppenwerkstatt
Ein Blick in die Puppen­werk­statt

An den Puppen selbst hat sich seit der Grün­dung wenig verän­dert, außer dass sie wegen des größeren Zuschau­er­raums zur besseren Sicht­bar­keit deut­lich größer geworden sind, heute oft um die 70 Zenti­meter hoch. Die Puppen­spieler bauen ihre Figuren größ­ten­teils selbst, sind Künstler und Hand­werker zugleich, haben dementspre­chend völlig unter­schied­liche Lebens­läufe – vom Lite­ra­tur­wis­sen­schaftler bis zur Ofen­bauerin. Die ganz beson­dere Führung des Spiel­kreuzes, die bereits seit der Grün­dung prak­ti­ziert wird, wurde 2016 in die UNESCO-Liste des Imma­te­ri­ellen Kultur­erbes aufge­nommen. Kein Wunder, dass man diese Art des Spiels nur vor Ort lernen kann, indem man einfach übt, übt und übt. Da kommt es auch mal vor, dass eine komplexe Figur wie die der russi­schen Tanz­le­gende Anna Pawlowa von fünf Spie­lern gleich­zeitig bedient werden muss. „Der Puppen­spieler muss sich in die Puppe entseelen, damit sie ihre Kraft hat“, weiß Heuberger. Ist ein Spieler schlechter Laune, hat er Liebes­kummer, so über­trage sich das sofort auf seine Figur.

Und Heuber­gers Visionen für die Zukunft? 2019 wird es in Koope­ra­tion mit eine Fidelio-Produk­tion geben. Außerdem würde sie sehr gerne das Sissi-Musical auf die Bühne bringen, denn Sissi liebe einfach jeder. Auch weitere Koope­ra­tionen, wie 2006 mit den Salz­burger Fest­spielen, wünscht sie sich. Schließ­lich ist Heuberger offen für kleine Revo­lu­tionen im Zuschau­er­raum: Die Guck­kastenoptik aufbre­chen, die Mario­netten mal mitten ins Publikum holen – und ja, gerne auch die Spieler sichtbar machen und so eine weitere Betrach­tungs­eben öffnen zwischen Mensch und vermensch­lichter Puppe.

Fotos: Salzburger Marionettentheater, Maria Goeth