Twelfth Night | GP

Kwame Kwei-Armah und Shaina Taub

»Was für eine bessere Welt könnte es sein«

von Ruth Renée Reif

20. November 2022

Mit überbordender Spielfreude und großem Engagement bringt der Musical-Studiengang der Bayerischen Theaterakademie August Everding die deutsche Erstaufführung der Shakespeare-Adaption »Twelfth Night« auf die Bühne des Prinzregententheaters.

Viola, einfühlsam darge­stellt von Roberta Monção, rettet sich nach einem Schiffs­un­glück an den Strand Illy­riens. Ihren Zwil­lings­bruder Sebas­tian hält sie für tot. Als Edel­mann Cesario verkleidet, findet sie eine Anstel­lung am Hof des Herzogs Orsino. Verkör­pert von Johannes Summer, wirbt er in schwär­me­ri­scher Verklä­rung um die Gräfin Olivia, die, gespielt von Danai Siman­tiri, ihn jedoch abweist. Viola respek­tive Cesario kommt nun die Aufgabe zu, im Namen des Grafen um Olivia zu werben.

Twelfth Night, Jacky Smit
Wunder­bare Gesangs­ein­lagen: Jacky Smit als Feste

Selbst in Liebe zum Herzog entbrannt, entfacht Viola auch in Olivia dieser bis dahin unbe­kannte Gefühle, und die Verwir­rungen um Täuschung, Verken­nung und Selbst­täu­schung nehmen ihren Lauf. Ernste Szenen wech­seln mit heiteren und klamauk­haften. Die Gewiss­heit des guten Endes, in dem die rich­tigen Paare zusam­men­kommen, verleiht dem Spiel Leich­tig­keit und Übermut. Besinn­liche Momente beschert Feste, heraus­ra­gend gespielt und gesungen von Jacky Smit. Ihr fällt die Rolle von Shake­speares Hofnarr zu. Für den Klamauk sorgen Malvolio, darge­stellt von Leopold Lachnit in seiner grotesken Eigen­liebe.

Twelfth Night, Leopold Lachnit
Groß­ar­tige Darstel­lung: Leopold Lachnit als Malvolio

Twelfth Night ist eine Adap­tion von William Shake­speares roman­ti­scher Komödie Twelfth Night, or What You Will von Kwame Kwei-Armah und Shaina Taub. Kwei-Armah entwarf das Libretto, und Taub kompo­nierte eine schmis­sige, jazzige Partitur mit vielen eingän­gigen Liedern. Urauf­ge­führt wurde das Musical 2016 vom Dela­corte Theatre, einer Frei­licht­bühne im New Yorker Zentral­park, auf der seit 1962 Shake­speare-Auffüh­rungen verschie­dener Art statt­finden.

Die Hand­lung des Musi­cals folgt, abge­sehen von kleinen Abwei­chungen, der Shake­speares. Auch der Titel ist von Shake­speare über­nommen. Die zwölfte Nacht ist bei Shake­speare der Drei­kö­nigs­abend, an dem die Weih­nachts­fei­er­lich­keiten ihren Höhe­punkt errei­chen. Im Musical ist es der Karneval von Notting Hill, wo die in die Gegen­wart verlegte Hand­lung spielt. In jenem Stadt­teil von London kam es 1958 zu Ausschrei­tungen weißer Jugend­li­cher gegen dunkel­häu­tige Migranten. Die Akti­vistin Claudia Jones veran­stal­tete daraufhin eine Karne­vals­party. Aus ihr ging der jähr­liche Notting Hill Karneval hervor.

Twelfth Night, Band von Andreas Kowalewitz
Roberta Monção als Viola in der Verklei­dung von Cesario, Jacky Smit als Feste, Johannes Summer als Orsino und im Hinter­grund die von gelei­tete Band

Harald B. Thor hat für Stefan Hubers Insze­nie­rung das Bühnen­bild auf eine große Scheibe und wenige Versatz­stücke redu­ziert, die von den Darstel­lern immer wieder umgrup­piert werden und durch das Beleuch­tungs­kon­zept von Benjamin Schmidt sehr effekt­voll wirken. Die von dem Keyboarder Andreas Kowa­le­witz gelei­tete Band, der der Saxo­fo­nist Norbert Nagel, der Trom­peter Marko Merbus, der Posau­nist Lukas Jochner, der Schlag­zeuger Marius Wankel, der Bassist Lorenz Huber sowie der Gitar­rist Jan Zehr­feld ange­hören, befindet sich auf einem Podest im Hinter­grund der Bühne. Sie leitet schwung­voll durch das Geschehen und die Gesangs­ein­lagen. Die von Tanja Hofmann entwor­fenen poppigen Kostüme zitieren 100 Jahre Musi­cal­ge­schichte.

Warum man für die deut­sche Erst­auf­füh­rung August Wilhelm Schle­gels Über­set­zung gewählt hat und nicht auf eine jüngere zurück­griff oder eine eigene ange­fer­tigt hat, bleibt ein Rätsel. Mit Shake­speares diffe­ren­zierter sprach­li­cher Gestal­tung hat sie kaum etwas zu tun, und die alter­tüm­li­chen Worte und gedrech­selten Verse konter­ka­rieren immer wieder das ambi­tio­nierte Bemühen der Darsteller um text­ver­ständ­liche Gestal­tung. Am besten gelingt es in den heiteren Szenen, wenn Ironie und Über­trei­bung den Tonfall bestimmen.

Twelfth Night
Mitrei­ßendes Schluss­tableu und Jubel im Publikum

Drei glück­liche Paare gibt es bei Shake­speare am Ende Viola und Orsino, Olivia und Sebas­tian sowie die Mitglieder von Olivias Hofstaat Maria und Sir Toby. Im Musical kommt noch ein viertes Paar hinzu: der Pirat Antonio und Malvolio. Zum Schluss­ta­bleau, in dem Shake­speare die Vision eines Goldenen Zeit­al­ters beschwört, singen alle: „Wenn wir die Herzen fürein­ander öffnen, was für eine bessere Welt könnte es sein“, und im voll­be­setzten Haus erklingen Jubel und lang­an­hal­tender Applaus.

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Aufführungstermine und weitere Informationen zur Bayerischen Theaterakademie August Everding in München auf: www.theaterakademie.de

Fotos: Lioba Schöneck