Die Bayreuther Festspiele eröffnen 2018 mit „Lohengrin“.
„Blau, von opiatischer, narkotischer Wirkung“– mit diesen Worten beschrieb Friedrich Nietzsche einst die sphärischen Klänge von Wagners „Lohengrin“-Vorspiel. Zumindest das mit dem Blau scheint das Künstlerduo Neo Rauch und Rosa Loy, die für Bühnenbild und Kostüme der neuen Bayreuther Inszenierung verantwortlich zeichnen, wörtlich genommen zu haben: Sie tunken – abgesehen von ein paar orangen Streben und einer orangen Elsa und einem froschgrünen Gottfried am Schluss – die komplette Opernoptik in den Cyan-Topf: Da bildet ein blaues Umspannwerk das Zentrum des Geschehens, von blauen Wolken umhuscht und natürlich von ausnahmslosen blau gekleideten Wesen bevölkert.
Mehr Opium bitte!
Von Nietzsches „Opiatischem“ und „Narkotischem“ hätte man sich indessen mehr gewünscht: Das Ganze ist hübsch anzuschauen, aber mehr auch nicht. Regisseur Yuval Sharon versäumt es, den Bläulingen Leben einzuhauchen. Und ein bisschen fühlt man sich an die Problematik der nur wenige Wochen zurückliegenden „Parsifal“-Première bei den Münchner Opernfestspielen (Regie: Pierre Audi, Bühne: Georg Baselitz) erinnert: Berühmter Künstler gestaltet mäßig innovatives Bühnenbild. Regisseur scheint es nicht mehr für nötig zu halten, die Sänger in diesem Bühnenbild auch zu bewegen (CRESCENDO berichtete). Und in Bayreuth kommt erschwerend hinzu, dass derzeit parallel noch die quirlige „Meistersinger“-Produktion von Barrie Kosky zu sehen ist, in der im Gegensatz zu Yuvals blauen Ölgötzen jedes noch so in den Bühnenhintergund gerückte Chormitglied beweist, was sauber gearbeitetes Regietheater heißt.
Elsa als Befreite
Zu einem einzelnen Clou kann sich Yuval dann doch noch durchringen: Lohengrin, der vermeintlich elektrisierende Superheld – sein „Schwan“ entspringt der Stromleitung und Telramund streckt er ohne Direktkontakt mittels Kurzschluss nieder – ist nicht so erlösungsbringend wie es scheint: In der Hochzeitsnacht fesselt er Elsa an einen Trafo. Diese scheint also wieder mal reichlich Pech mit ihren Mitmenschen zu haben. So entpuppt sich der von Ortrud gesäte Zweifel an Lohengrin schließlich als durchaus berechtigt – am Ende triumphiert Ortrud denn auch mit Elsa und Gottfried über die ersterbende Welt der „Glühwürmchen“ (Telramund trug entsprechende Flügel, Lohengrin bekam sie in einer Art Aufnahmeritual vermacht; warum, erschließt sich nicht ganz).
„Der vermeintlich elektrisierende Superheld entpuppt sich als Scharlatan.“
Musikalisch erweist sich der Abend im glutheißen Festspielhaus als durchaus erfreulich: Piotr Beczala liefert einen Lohengrin mit gewaltigem Schmelz und Schönklang. Er war kurz vor Probenbeginn für Roberto Alagna eingesprungen, der die Rolle wegen Überlastung nicht fertig gelernt hatte. Waltraud Meier mimt eine stimmstarke Ortrud ebenso wie Georg Zeppenfeld einen bombigen König Heinrich, und Christian Thielemann kitzelt im Graben das ganze, breitgefächerte Klangspektrum des Festspielorchesters heraus. Nur Anja Harteros als Elsa wirkt zu Anfang besonders in den tieferen Lagen nicht auf gewohntem Niveau (kleine Indisponiertheit?), kommt aber im Laufe des zweiten Aufzugs zu Kräften.