Ein Anruf bei Jörg Piringer vom Vegetable Orchestra

Gemüse-Musik

von Maria Goeth

12. April 2018

Ein Anruf bei Jörg Piringer, Musiker bei The Vegetable Orchestra, einem Wiener Ensemble, das ausschließlich auf frischem Obst und Gemüse musiziert.

Ein Anruf bei Jörg Piringer, Musiker bei The Vege­table Orchestra, einem Wiener Ensemble, das ausschließ­lich auf frischem Obst und Gemüse musi­ziert.

crescendo: Herr Piringer, The Vege­table ­Orchestra macht ausschließ­lich Musik auf Obst und Gemüse? Wie kam es dazu?

: Als wir vor 20 Jahren begonnen haben, wollten wir einfach Musik auf unge­wöhn­li­chen Gegen­ständen machen. Da fiel uns Gemüse ein. Ursprüng­lich sollte es nur eine einzelne Perfor­mance damit geben, aber es kam so gut an, dass wir dabei geblieben sind. Es stellte sich he­raus, dass mit Gemüse unheim­lich viel anzu­fangen ist. Es ermög­licht eine Klang­viel­falt, die uns bis heute inter­es­siert.

Begonnen hat alles ausge­rechnet mit Tomaten?

Es gibt ein Stück, bei dem jeder Musiker zwei Tomaten in der Hand hat, die er gegen­ein­an­der­schlägt. Im Laufe des Stücks werden die Tomaten immer weicher, wodurch sich der Klang verän­dert – von perkussiv zu mehr feucht und matschig. Das Stück endet, wenn die Tomaten kaputt sind.

Wie kommt Ihr Reper­toire zustande?

Es gibt nur wenige Stücke, die wir nicht selbst schreiben. Sie werden von einzelnen Mitglieder unserer zehn­köp­figen Ensem­bles kompo­niert oder entstehen aus der Impro­vi­sa­tion. Und wenn wir fremde Stücke spielen, verän­dern wir diese stark, denn es ist eben Gemüse-Musik – und die ist sehr speziell.

Ihr persön­li­ches Lieb­lings­in­stru­ment?

Ich spiele gerne Flöten, die aus Karotten oder Retti­chen gemacht sind. Karotten sind sehr univer­sell, weil sie sehr hart und gut schnitzbar sind. Aber es gibt so vieles: Zwei anein­an­der­ge­rie­bene Kraut­blätter geben einen Quietsch­klang, der – richtig gespielt – sehr spanned und subtil sein kann. Wichtig für uns ist auch der Kürbis, der als Pauken­er­satz verwendet wird. Gene­rell gibt es viele Perkussions­instrumente: gegen­ein­an­der­ge­schla­gene Auber­ginen, ausge­hölte Selle­rie­knollen. Dann viele Flöten­arten – im Block- oder Panflö­ten­stil. Das Gurkofon ist eher den Blech­blas­in­stru­menten nach­emp­funden: ein trom­pe­ten­ar­tiges Instru­ment aus einer Salat­gurke. Gemüse ist so viel­fältig – selbst wir kommen bei jeder Probe auf etwas Neues!

„Gemüse ist so viel­fältig – selbst wir kommen bei jeder Probe auf etwas Neues“

Zu jedem Konzert müssen Sie Ihr Instru­men­ta­rium neu bauen. Ist man da nicht mehr mit Bauen als mit Musi­zieren beschäf­tigt?

Tatsäch­lich dauert die Vorbe­rei­tung immer einen ganzen Tag: Zum Bauen brau­chen wir circa zwei bis drei Stunden. Danach gibt es einen ausführ­li­chen Sound­check, da ja alles immer wieder neu ist.

Wie schaut es mit der „Entsor­gung“ des Instru­men­ta­riums aus?

Nach jedem Konzert gibt es für das Publikum eine Suppe aus dem nicht verwen­deten Gemüse. Die gespielten Instru­mente, in die wir teils schon hi­neingeblasen haben, verko­chen wir natür­lich nicht, verschenken sie aber ans Publikum. Da sieht man dann Menschen mit unseren Instru­menten durch die Straßen gehen. Wir werfen also relativ wenig weg. Beim Schneiden der Instru­mente fällt natür­lich, wie in jeder Küche, ein biss­chen Abfall an.

Führt die unter­schied­liche Beschaf­fen­heit des Gemüses oft zu Pannen und Problemen?

Natür­lich. Das planen wir zum Teil mit ein, zum anderen merken wir schon beim Bauen, was weniger haltbar ist. Dann muss man das Instru­ment anders bear­beiten oder ersetzen oder baut einfach zwei, um Ersatz zu haben. Dass der Klang nie perfekt ist, das wissen wir, und damit spielen wir bewusst.

Sie haben auch Alben aufge­nommen, aber kommt es bei Gemüse-Musik nicht beson­ders auf die Optik an?

Uns ist sehr wichtig, dass die Musik auch auf rein akus­ti­scher Ebene funk­tio­niert. Aber natür­lich ist es span­nend, uns auch zu sehen: Man kennt die Instru­mente nicht, und es tritt live ein Verfall ein. Das sieht man, das hört man, und wenn man in den ersten Reihen sitzt, dann riecht man das auch. Manche unserer Instru­mente geben einen starken Duft ab. Ein multi­sen­so­ri­sches Erlebnis!

Aktu­elle Konzert­ter­mine und Infos zu finden Sie unter www​.vege​ta​ble​or​chestra​.org.

Fotos: Zoefotografie