Ein Kaffee mit Iris Berben
„Es gibt viele Mosaiksteine, die einen prägen.“
von Rüdiger Sturm
9. August 2020
Iris Berben feiert am 12. August 2020 ihren 70. Geburtstag, und im Fernsehen gibt es zwei Filme mit ihr zu sehen: Nicht tot zu kriegen und Altweibersommer.
Iris Berben feiert am 12. August 2020 ihren 70. Geburtstag, und im Fernsehen gibt es zwei Filme mit ihr zu sehen: Nicht tot zu kriegen und Mein Altweibersommer.
Wer Iris Berben begegnet, begreift, dass Lebensdaten nur relativ sind. So feiert die Grande Dame des deutschen Films und Fernsehens am 12. August 2020 ihren 70. Geburtstag. Doch parallel präsentiert sie gleich zwei Fernsehfilme, deren Figuren von unbändiger Energie getrieben werden. Was ihr privat nicht fremd ist – und unter anderem von der Musik Verdis befeuert wird.
CRESCENDO: In Ihrem Fernsehfilm Nicht tot zu kriegen (ZDF, 10. August 2020, 20:15 Uhr) erleben wir Sie als singende Diva. Haben Sie jemals eine musikalische Karriere ins Auge gefasst?
Iris Berben: Ich hätte immer gerne gesungen. In Filmen musste ich es zwei, drei Mal machen, und da gab es Anfragen, ob ich das nicht professionell tun möchte. Ich verspürte dann jedoch nicht die nötige Initialzündung. Deshalb habe ich das nicht weiterverfolgt.
Vielleicht hätten die Anfragen früher kommen sollen. Viele Musikkünstler finden ja schon in ihrer Kindheit zu ihrer Passion.
Ich habe als Kind Klavier gespielt. Aber ich musste aufhören, denn meine beiden kleinen Finger waren zu schwach, um Oktaven greifen zu können. Damals war ich glücklich, dass es vorbei war. Aber später habe ich mir gedacht: ‚Wie schade!‘.
Die Kraft der Musik
Welche Rolle spielt denn Musik für Sie als Zuhörerin?
Sie ist sehr wichtig für mich. Ich lasse mich durch die Kraft der Musik in meinen Stimmungen leiten oder aus Stimmungen wegbringen.
Welche Komponisten besitzen für Sie besondere Kraft?
In der Klassik ist es immer Verdi. Ich bin ein richtiger Fan. Er ist jemand, der für mich Bilder im Kopf entstehen lässt. Und damit gelingt es ihm, große Gefühle zu erzeugen, was eine der herausragenden Qualitäten der italienischen Musik überhaupt ist. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb seine Musik viel in Filmen eingebunden wird.
Beethoven, Janis Joplin und Jazz
Und er ist der Einzige?
Nein. Von frühester Zeit her liebe ich Beethoven. Schon als junges Mädchen fand ich seine Konzerte berauschend. In meinen Lesungen der Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger gibt es eine musikalische Begleitung – mit Kompositionen von Bach, Schumann und Schubert. Aber mein Geschmack geht quer durch. Ich lebe auch in der Vergangenheit der Rockmusik – höre gerne Jimi Hendrix oder Janis Joplin. Beim Kochen finde ich die absoluten italienischen Schnulzen ungeheuer inspirierend. Oder wenn ich einen Ruhepunkt finden will, höre ich mit Vorliebe Jazz.
Die Protagonistin in diesem Film blickt gern in ihre eigene Vergangenheit zurück. Wie ist das bei Ihnen? Sehen Sie sich Ihre alten Filme oder TV-Sendungen an, von denen Ausschnitte in dem Film eingeklinkt sind?
Überhaupt nicht. Erst in der Vorbereitung für dieses Projekt habe ich wieder geguckt, um meine Regisseurin mit jeder Menge Material zu versorgen. Allerdings war das dann auch eine Kostenfrage. Ich wusste gar nicht, dass es unendlich teuer ist, das zu verwenden. Ich dachte, die Rechteinhaber freuen sich, wenn die nochmal gezeigt werden.
Was haben Sie bei dieser Reise durch Ihr Schaffen empfunden?
Vieles war mir gar nicht mehr präsent. Bei einigen Filmen zuckte ich ein bisschen zusammen. Bei anderen dachte ich: ‚Ah, ist doch gelungen.« Man braucht eine lange Zeit und weiten Abstand, um mit sich selbst ein bisschen weniger hart ins Gericht zu gehen.
Die weibliche Hauptfigur Ihres zweiten Fernsehprojekts, Mein Altweibersommer (Das Erste, 10. August 2020, 20:15 Uhr) zieht indes ein hartes Resümee ihres Lebens und macht einen drastischen Schnitt. Können Sie das nachvollziehen?
Ja, wobei ich aktuell nicht an den Punkt stoße, an dem ich etwas drastisch anders machen möchte. Manchmal werde ich auch gefragt, ob ich eine To-do-Liste von den Dingen habe, die ich noch tun möchte – nein, gar nicht.
Etwas Neues entdecken
Woran liegt es, dass Sie so mit sich im Reinen sind?
Ich befinde mich ständig im Austausch mit mir und denke über mein Leben nach. Dabei haben mir auch meine Rollen geholfen. Ich habe versucht zu begreifen, was ich verändern möchte, und wenn ich etwas gefunden habe, dann habe ich das auch getan. Man kann ein spannendes Leben führen, wenn man sich nicht in ein Korsett von eigenen oder fremden Erwartungen zwingen lässt, sondern bereit ist, neue Wege einzuschlagen. Die Frau in Mein Altweibersommer hat eine Affäre, aber sie verändert sich nicht, weil sie in den Armen eines anderen Mannes gelegen hat, sondern weil sie grundsätzlich bereit war, etwas Neues zu entdecken. Und diese Abenteuerlust kenne ich sehr wohl.
Von Träumen, Wut oder Hoffnungen erzählen
Es gibt ja in Film und Fernsehen zunehmend Geschichten über die Selbstfindung von Frauen jenseits der 50, 60, 70…
Das nehme ich auch so wahr, und ich freue mich sehr darüber. Plötzlich findet man Rollen für Frauen, denen man früher wegen ihres Alters Wege versperrt hat. Und mich interessieren natürlich Frauen, die in einem ähnlichen Alter sind wie ich. Ich liebe es, von deren Träumen, Bedürfnissen, Wut oder Hoffnungen zu erzählen. Das Entscheidende dabei ist auch, dass man das mit Leichtigkeit tut, so ernsthaft Themen wie Älterwerden und Tod auch sind.
Auf einem guten Weg
Die Alterswahrnehmung hat sich inzwischen verschoben. Sind Sie erleichtert?
Und wie. Früher war die 40 in der Film- und Fernsehwelt eine Wegmarke. Zwar war man noch dabei, aber eben nicht mehr vorne. Die Geschichten wurden seinerzeit auf eine extreme Weise verjüngt. Heute muss man sich nicht mehr verjüngen. Allerdings ist diese Offenheit in unserem Beruf noch nicht die Norm. Denn sonst würde es nicht auffallen. Aber wir sind auf einem guten Weg, der auch eingefordert wird. Das hat natürlich mit unserer Gesellschaft zu tun. Überdies haben sich Frauen mit 60 oder 70 Jahren selbst so zurückgezogen. Sie sind gewissermaßen in ihrem eigenen Beige versunken.
Gibt es spezielle Herausforderungen in der modernen Medienwelt, mit denen Sie noch zu kämpfen haben?
Es gibt viele Mosaiksteine, mit denen man sich auseinandersetzen muss und die einen prägen. Zum Beispiel die neue Form der Öffentlichkeit über die sozialen Medien. In denen bin ich zwar nicht vertreten, aber sie vereinnahmen einen doch. Selbst wenn man darin nicht aktiv ist, geben Menschen ihre Kommentare ab, und das bekommt man mit. Da muss man lernen, souverän zu werden, weil so viele Kränkungen oder Verunsicherungen dabei sind. Und man muss versuchen, genau zu unterscheiden: Ist das etwas, was ich für mich annehme, weil ich korrekturfähig sein möchte, oder will mir hier jemand aus sehr niedrigen Beweggründen etwas um die Ohren knallen?
Eine neue Perspektive
Eine weitere Herausforderung dürfte die aktuelle Krise sein, die fürs Erste überwunden scheint. Mit welchen positiven Erwartungen gehen Sie in die nahe Zukunft?
Ich habe selbst große, große Lust weiter zu drehen, nachdem geplante Filme unterbrochen oder verschoben wurden. Allgemein freue ich mich wirklich, wenn wir in unseren jeweiligen Berufen wieder eine neue Perspektive bekommen. Natürlich spreche ich besonders von dem meinen, wobei mir klar ist, dass viele Menschen unendliche existenzielle Ängste haben. In der Krise wurde die Kreativität in der Kunst ungeheuer gefordert. Dadurch wurden neue Fenster geöffnet, und man hat gemerkt, wie sehr die Menschen das auch angenommen haben. Sie haben manche Hemmschwellen überwunden und ihr Interesse für Klassik, Literatur oder Konzerte entdeckt. Es wäre schön, wenn diese wunderbare Stimmung bliebe.
Weitere Informationen zu den Fernsehfilmen mit Iris Berben:
„Nicht tot zu kriegen“, ZDF, 10. August, 20:15 Uhr: www.zdf.de
„Mein Altweibersommer“, Das Erste, 10. August, 20:15 Uhr: www.daserste.de