Jan Willem de Vriend
Wegweisender Sinfoniker
von Attila Csampai
9. Dezember 2018
Die lebendig-pulsierende Interpretation von Jan Willem de Vriend zeigt Franz Schubert als wegweisenden Sinfoniker.
Jan Willem de Vriend zählt zu den wichtigsten Pionieren der holländischen Originalklangszene. Er war 33 Jahre lang Konzertmeister und künstlerischer Leiter des Combattimento Consort in Amsterdam und wechselte 2006 endgültig zum Taktstock. Seither hat er durch historisch orientierte Aufnahmen der Klassik und Romantik Aufsehen erregt. Als „principle conductor“ des traditionsreichen Residentie Orkest in Den Haag begann er jetzt eine Gesamteinspielung der Sinfonien Schuberts mit den frühen Arbeiten Nummer zwei und Nummer vier. Sie galten selbst in Fachkreisen als zweitklassige Kopien der großen Wiener Klassiker. De Vriends ungemein frische und pulsierende Interpretation indes korrigiert entschieden die alten Ressentiments und verweist auf das sich abzeichnende eigene sinfonische Konzept Schuberts. So klingt die drängende Ruhelosigkeit im Schlusssatz der „Vierten“ wie ein Vorgriff auf die große „C‑Dur-Sinfonie“, und auch die wunderbar schlichten Andante-Sätze enthüllen Schuberts eigenen Lyrismus. Mit flüssigen Tempi und klarer Disposition führt de Vriend schon den Teenager Schubert aus dem Schatten Haydns und Mozarts und rehabilitiert ihn als wegweisenden Sinfoniker.