Jazzamind
Grenzenlos und kulturoffen
von Ralf Dombrowski
4. April 2023
Ein neuer Wettbewerb und hoch dotierter Award will die Jazzszene anschieben. Im September 2023 startet der JAZZAMIND – the european award in der europäischen Kulturhauptstadt Timișoara.
Dem Jazz ist etwas passiert, was er so nicht vorhersehen konnte: Er wurde als Struktur zum Mainstream. Denn die Prozesse gesellschaftlicher Wertzuweisung haben sich verändert. Als er sich einst erfand, waren Spontaneität und Kreativität Eigenschaften, die einer kleinen gesellschaftlichen Gruppe zugeschrieben wurden. Künstlerinnen und Künstler kümmerten sich darum, im Speziellen eine Avantgarde, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Gewohnheiten der Berechenbarkeit zu durchbrechen. Heute machen das alle. Die Vermassung des Besonderen verstetigt eine Kultur der Ausnahmen, singuläre Authentizität ist Voraussetzung für Attraktivität, und der Jazz hat sein Alleinstellungsmerkmal des Genialischen, Subversiven, Wunderlichen verloren. Er wird gelehrt, reproduziert und wurde vom Real Book der Freaks zum Repertoire der Freundeskreise. Das heißt wiederum, dass zum Beispiel ein neues Festival nicht mehr einfach Künstlerinnen und Künstler kompilieren kann, um auf sich aufmerksam zu machen. Jazz als Jazz ist Konsens, Geschmacksfrage womöglich, aber kein automatischer Aufreger mehr, der dem Bürger vom spitzen Kopf den Hut bläst und damit Interesse generiert.
Ein programmatischer Rahmen sollte daher weit und vielfältig gefasst sein, ein Anknüpfungspunkt für Geschichten und Ideen, die am besten über das Feld der Musik hinausreichen. „Klar“, meint Rabih Abou-Khalil: „Jazz ist eine Musik, die Menschen verbindet. Es ist egal, woher du kommst oder wer du bist. In der Musik kannst du zusammenfinden. Und das gilt besonders auch für Europa. Da haben sich über die ursprünglichen Wurzeln hinaus viele eigene Traditionen entwickelt, die sich gut verbinden lassen. Eigentlich ist es Zeit für ein Festival, das diese Entwicklung im Blick hat.“ Und Rabih Abou-Khalil kennt die Hintergründe aus eigener Erfahrung. Als junger Mann floh er 1978 vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Libanon, fand in München und der europäischen Jazzwelt ein neues Zuhause, das er inzwischen von Südfrankreich aus mit stetigen künstlerischen Impulsen beeinflusst. Seine Musik ist Klang gewordene Kultursynthese und daher ist er eine gute Wahl für den Vorsitz der siebenköpfigen Jury, die den neu ins Leben gerufenen JAZZAMIND – the european award durch seine Erstausgabe leitet.
»Eine große Chance für alle Seiten«
Die Idee hinter JAZZAMIND ist klar und perspektivisch. Neben dem generellen Strukturwandel war die Pandemie die größte Herausforderung für junge Musikerinnen und Musiker während der vergangenen Jahre. Künstlerisches Überleben, aber auch die Weiterentwicklung der eigenen Formensprache hängen eng sowohl mit dem Publikum und Konzerten, aber auch mit Ideen und Impulsen zusammen, die die persönliche Neugier und Schaffenskraft beflügeln. JAZZAMIND überschreitet daher Grenzen. Als European Award kooperiert er mit den Kulturhauptstädten Europas und garantiert auf diese Weise große Flexibilität und Variationsbreite von Gestaltung und Wahrnehmung. Als erste Station ist daher die rumänische Stadt Timișoara Gastgeber und Austragungsort von Semifinale und Finale des Wettbewerbs. Drei mit jeweils 20.000 Euro dotierte Hauptpreise werden vergeben, verbunden mit einer Tournee durch fünf zentrale Jazzclubs Europas.
Gewürdigt werden künstlerische Qualität ebenso wie Publikumswirksamkeit und überraschende Konzeption. Regionale Jurys treffen über digitale Einreichungen eine Vorauswahl, an deren Ende zehn junge Bands zum Semifinale und Finale am 20. und 21.September 2023 nach Timișoara eingeladen werden. Die Gruppen dürfen bis zu fünf Mitglieder haben, die Musikerinnen und Musiker am Tag des Finales nicht älter als 30 Jahre sein, mindestens eine Musikerin oder ein Musiker muss seinen regulären Wohnsitz in Europa haben. Damit sind die Formalia aber schon weitgehend abgedeckt, stilistische Vorgaben gibt es keine. Denn der JAZZAMIND-Wettbewerb soll es möglichst einfach machen, sowohl musikalische Ideen zu präsentieren, als auch sie als Publikum genießen zu können. Als Stifter steht der Münchner Unternehmer Thomas Krohne hinter dem Award, um Konzept und Organisation des Wettbewerbs kümmert sich die Kulturstiftung Europamusicale, für die Durchführung vor Ort stehen die Teams der Kulturhauptstädte zur Verfügung. „Ich finde das eine große Chance für alle Seiten“, sinniert Rabih Abou-Khalil weiter. „Also ich hätte als junger Musiker so einen Wettbewerb durchaus brauchen können!“
Er ist trotzdem seinen Weg gegangen und in die erste Liga der internationalen Jazzmusiker vorgerückt. Aber seitdem hat sich auch vieles verändert und daher steht er gerne als helfende Autorität der Kulturverschmelzung für den Launch einer wichtigen Initiative zur Verfügung. Denn der JAZZAMIND Wettbewerb und sein Award knüpfen an die neuen Bedürfnisse einer polymedialen Gegenwart an. Er betont das Besondere, das die Musik zu bieten hat, stellt die jungen Künstlerinnen und Künstler in den Mittelpunkt, die für ihre Ideen ein möglichst breites, begeistertes Publikum brauchen und durch die Plattform im Wechselspiel der Optionen, der realen und digitalen Konkurrenzen sichtbarer werden. Der Jazz der Gegenwart muss viele Herausforderungen meistern. Und der JAZZMIND Award wird ihm dabei helfen.
Termine und weitere Informationen zum Wettbewerb JAZZAMIND – the european award: www.jazzamind.eu