Künstler privat
Andreas Bauer Kanabas
12. März 2023
Ob Sarastro, Mephisto, Elias oder Gremin: Der Bassist Andreas Bauer Kanabas ist sowohl in stimmlicher, darstellerischer, aber auch sprachlicher Hinsicht ein Ausnahmetalent – er singt in acht Sprachen! Sein weiches, warmes Timbre führte ihn auf alle großen Bühnen der Welt.
Name: Andreas Bauer Kanabas
Geburtsdatum: Wie Oscar Wilde am 16.Oktober
Geburtsort: Erfurt / Thüringen
Wohnort: Frankfurt am Main
Lebenspartner/in: Eine
Kinder: Zwei
Sternzeichen: Waage, wem es was weissagen will.
Wie fühlen Sie sich gerade?
Top. Ich habe gerade meinen ersten Baron Ochs im „Rosenkavalier“ in Dublin gesungen und bin noch ganz euphorisch. Kurz davor sang ich einen Schubert-Liederabend in der Oper Frankfurt. Also etwas konträr. Zu meiner positiven Überraschung hat es sich aber gegenseitig befruchtet.
Ihre charakteristischste Eigenschaft?
Ein Mix von gegensätzlichen … Ich habe meine Frau gefragt, sie muss es ja wissen: Selbstironie, nicht nachtragend, großzügig, manchmal (zu) zweiflerisch. Offen für neue Wege und Kritik. Aber meine stärkste Eigenschaft sei, dass ich immer genau wisse, was ich falsch gemacht habe.
Was inspiriert Sie?
Neue Herausforderungen
Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Keinen Kaffee zu trinken
Was würde niemand von Ihnen vermuten?
Dass ich Cannabis nicht schätze, den Namen Kanabas meiner böhmischen Großeltern hingegen sehr. Ein bekannter Casting-Chef fragte mich (offensichtlich wegen des Namens) jüngst, ob mein Vater Bauer gewesen sei. Er hatte scheinbar nicht vermutet, dass mein Vater Mathematiker und meine Mutter Geigen- und Klavierlehrerin war und wahrscheinlich auch nicht, dass ich bis zum 18. Lebensjahr in einer Neubauwohnung in Jena-Lobeda groß geworden bin. Ja, genau: an der A4. Nur, dass damals die Autobahn weniger befahren war als heute jede normale Bundesstraße und dass auf der anderen Seite eine riesige Kirschplantage lockte, wo sich heute ein Gewerbegebiet ausbreitet. Für meine Mutter als Vertriebene und meinen Vater als Halbweise war eine solche Wohnung des „sozialistischen Fortschritts“ offensichtlich das Mittel der Wahl.
Welche natürliche Gabe hätten Sie gern?
Bedingungslose Zufriedenheit
Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Beinahe hätte ich Tonmeister an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin studiert. Alle fünf Jahre durften 12 Abiturienten diesen exklusiven Studiengang beginnen. 1992 sollte es losgehen. Schon Jahre zuvor hatte ich die Eignungsprüfung bestanden. Kurz nach der Wende wurde der Studiengang jedoch eingestellt zugunsten der Tonmeister-Ausbildung in Westberlin. Aus der Enttäuschung heraus habe ich dann Gesang studiert.
Ihre Vorstellung von Glück?
Dass es gemäß dem ersten Lied unserer aktuellen Schubert-CD immer dort ist, wo ich nicht bin … (wie originell! 😉) Mein größtes Glück ist, wenn ich sehe, dass meine beiden Söhne sich gut verstehen und zusammenhalten. So wie ich das mit meiner Schwester pflege und es innerhalb der gesamten böhmischen Seite meiner Familie einen besonders engen Zusammenhalt gibt. Ich glaube, dass alles was wir sind, in unseren Kindern fortleben wird.
Was wäre für Sie das größte Unglück?
Wenn meinen Söhnen etwas zustoßen würde.
Was wollten Sie als Kind werden?
Im Kindergarten noch Kosmonaut, später Tonmeister. Niemals Musiker.
Wobei bzw. wann werden Sie schwach?
Bei Missgunst und destruktiver Kritik – im wörtlichen Sinne der Frage
Ihr größtes Talent?
Ausdauer und Resilienz – wie das heute hochtrabend heißt: sich überwinden. Unbequemes und bewusstes Erarbeiten von Fähigkeiten, die mir nicht in die Wiege gelegt sind. Ich habe das in der Schule gelernt, die sechs Tage in der Woche um 7 Uhr begann und wo ich kaum einen Tag fehlte. Meine Mutter hätte das nicht durchgehen lassen.
Was können Sie gar nicht?
Socializing und Schmeicheln, um wichtige berufliche Kontakte aufzubauen. Ist mir zuwider.
Woran zweifeln Sie am meisten?
An mir selbst
Wovor haben Sie Angst?
Ich bin nicht besonders ängstlich.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Deutschen Humor
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Keine Ahnung, ich bin generell nicht nachtragend
Ihre originellste Ausrede?
Derartige Raffinesse ist nicht meine Stärke. Ich sage eher, wie es war, und versuche gewinnend zu lächeln.
Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?
Dass ich im Armdrücken noch einmal gegen einen meiner Söhne gewinnen kann.
Das Credo Ihres Lebens?
Sich auf kein Credo festzulegen. Dafür aber ein schöner Satz von Søren Kierkegaard: „Das Leben kann nur vorwärts gelebt und nur rückwärts verstanden werden.“ Ich finde es bemerkenswert, wie rigoros und absolut sich Menschen auf eine bestimmte Meinungsseite schlagen und sich dort verschanzen.
Ihre Lieblingsbeschäftigung/Ihr Hobby?
Wandern, klettern, angeln (aktives Raubfisch-Angeln, kein Ansitzangeln auf Friedfische – darauf lege ich Wert 😉). Tischtennis, Basketball und Schach gegen meine Söhne. Armdrücken scheidet leider aus, da ist die Demütigung bereits zu groß.
Ihr Lieblingsland?
Ich hatte die Freude, in Ländern wie Japan, Chile, Amerika, Kanada, Irland, Schottland, England, Frankreich, Spanien, Italien, Lettland, Australien und Neuseeland zu singen, bin überall wandern gewesen und stelle trotzdem immer wieder fest: Selten sind Landschaft und Natur so abwechslungsreich und vielfältig auf engstem Raum und so leicht zugänglich wie in Deutschland. Deshalb ist meine Heimat mein Lieblingsland. Allerdings gibt es einen wunden Punkt: Kaum anderswo wird im geselligen Miteinander so wenig und so verdruckst gesungen wie bei uns. Da ist ein großes Stück unserer Seele weggebrochen.
Ihre Lieblingsstadt?
Weimar, wo ich den schönsten, sonnigsten, hoffnungsvollsten goldenen Herbst meines Lebens hatte, als ich mein Aufbaustudium im Fach Gesang begann und jeden Morgen klopfenden Herzens die Belvederer Allee hinaufstürmte in Vorfreude auf den nächsten Unterricht. Weimar, wo mir der amerikanische Professor Eugen Rabine die Stimme öffnete wie kein deutscher Lehrer zuvor. Weimar, wo auch mein erster Sohn geboren wurde. Weimar, wo mein Lehrer Peter Frank unterrichtet und wo ich mit meinem Studienfreund Daniel Heide vor drei Jahren die Zusammenarbeit am Lied wieder aufnahm – was mich sehr bereicherte (und unsere Zuhörer hoffentlich auch).
Ihr Lieblingsgericht?
Ich esse alles, besonders gern japanisch und vietnamesisch.
Ihr Lieblingsgetränk?
Reines Wasser aus der Leitung. Ich bin nicht wählerisch.
Ihr Lieblingsbuch?
Die Novelle „Du meine Pappel im roten Kopftuch“ von Tschingis Aitmatow sprach meine melancholische, sehnsuchtsvolle Seite wie kaum ein anderes Buch an.
Ihr Lieblingsschriftsteller?
Warum sich festlegen? Momentan lese ich alles von Ian McEwan gern. Als Kind war es Erich Kästner. Großen Unterhaltungswert und Identifikationspotenzial haben die originellen Bücher des Schauspielers Joachim Meyerhoff. Noch mehr Identifikation bietet das Buch „Drüben und drüben – Zwei deutsche Kindheiten“ von Jochen Schmidt und David Wagner. Es werden die Jugendjahre bis zum Fall der Mauer beschrieben und gegenübergestellt: auf der einen Seite die Jahre des Mangels in einem Neubaugebiet in Ostberlin, auf der anderen Seite die des Wohlstands in der Bonner Republik. (Beim Lesen der lebendigen Schilderungen von Jochen Schmidt möchte man „fast doch lieber im Osten aufgewachsen sein“, schrieb ein Kritiker der Süddeutschen Zeitung.)
Ihr Lieblingsinstrument?
Die menschliche Stimme. Früher dachte ich, es wäre das einfachste Instrument, weil jeder singen kann. Heute denke ich, es ist vielleicht doch das schwierigste und komplexeste. Das kompletteste auf jeden Fall.
Was bedeutet Ihre Kunst für Sie?
Selbstwahrnehmung. Selbsterkenntnis. Selbstbewusstsein. Sinnliche Erfahrung. Sublimation. Ermutigung. Trost.
Der beste Auftritt Ihres Lebens?
Kommt noch
Gibt es Rituale für ein gelingendes Konzert?
Durch Yoga und ruhige Atmung von einem im Alltag eher nervösen Zustand in eine plötzlich sehr ruhige, gesammelte Verfassung zu wechseln.
Ihr größtes musikalisches Missgeschick?
Geschah ausgerechnet unter Barenboim. Meine verkrampften Jahre in Berlin hatten mich zurückgeworfen. In Frankfurt blühte ich wieder auf. Bin wohl eher ein Mario Götze-Typ und muss Zutrauen spüren.
Welche Musik mochten Sie als Kind/als Jugendlicher?
Seltsamerweise jene mit den rauen Stimmen. Mir gefiel der Schmerz darin: Joe Cocker, Bryan Adams, Rod Stewart, Tina Turner, Janis Joplin, Louis Armstrong. Fischer Dieskau hingegen nicht. Ich konnte allerdings als Kind „Leise zieht durch mein Gemüt“ glockenklar von einer Peter Schreier-Platte nachsingen. Und ich sang seit Kindheit in verschiedenenen gemischten Chören, wo ich die erfüllendsten Glücksgefühle hatte. Mein erstes großes Oratorium in der Jenaer Singakademie war Händels „Samson“. Ich war 17 und sang im zweiten Bass.
Ein Werk, das Ihr Leben verändert hat?
Baron Ochs: „Verändert? Ei, nicht dass ich wüsst!“
Welche Person/welches Ereignis hat Sie als Musiker/in maßgeblich geprägt und warum?
Paul Robeson. In der DDR gab es viele Platten mit Work- und Protestsongs aus Amerika, mit Gospels, Blues und Jazz. Seine Stimme hat mich fasziniert. Sie war tief, reich an Klang und völlig ungekünstelt. Ich dachte, wenn singen, dann nur so. Sein „O Isis und Osiris“ auf Englisch – unerreicht. Ich weiß, das mag manche Klassikliebhaber vielleicht irritieren, aber ich darf sagen, dieselbe Inspirationsquelle hatte auch Robert Lloyd, der große Bassist und Grandseigneur von Covent Garden, mein Mentor und Freund.
Welches Werk wollen Sie unbedingt noch aufführen?
Von den Rollen, die ich noch nicht sang, den Gurnemanz im „Parsifal“ und die Titelrolle in Mussorgskis „Boris Godunov“. Schumanns „Dichterliebe“ kommt auf CD – leider nicht sehr originell, aber unausweichlich.
Mit welcher/m Musiker/in der Vergangenheit würden Sie gern einen Abend verbringen?
Gern würde ich mit Franz Schubert über den Sarkasmus von Heinrich Heine reden. Dabei würde ich viel über Franz und sein Seelenleben erfahren. Und über sein Liebesleben auch, wohl oder übel.
Welche Künstler beeindrucken Sie?
Jene, die sich nicht so wichtig nehmen und ihre Kunst so unprätentiös wie möglich darbieten, sie dabei selbstverständlich und einfach erscheinen lassen.
Kuriose Orte, an denen Sie musiziert/geübt haben?
Während meiner Dresdener Studienzeit bin ich mit einem befreundeten Jazzmusiker in verschiedene Wasserspeicher eingedrungen. Dort haben wir Obertongesang praktiziert. Eine faszinierende Erfahrung, umgeben von absoluter Dunkelheit und irrer Nachhallzeit. Berauschend und unvergessen.
Welche drei Musikstücke würden Sie auf die berühmte Insel mitnehmen?
Ich bin nicht sicher, ob Musik dort ohne den Kontext einer anwesenden Gesellschaft ihre Wirkung entfalten würde. Ich liebe die Geräusche der Natur und würde freiwillig eine akustische Auszeit nehmen.
Wenn morgen die Welt unterginge, welche Musik würden Sie spielen/singen?
„Totengräbers Heimweh“ von Franz Schubert, weil passend in Text und Ausdruck. Eines meiner Lieblingslieder auf unserem Schubert-Album. Aber um ehrlich zu sein, mir würde die Lust auf Musik vergehen. Ich würde Stille und Besinnung vorziehen.
Gibt es weitere Interessen/Leidenschaften neben der Musik?
Ja :)
Ihr persönlicher Bühnenalbtraum?
Ein geselliger Spieleabend zu Hause, und plötzlich der Anruf eines ferngelegenen Opernhauses: Wo ich denn bliebe, man würde warten – „Die Vorstellung beginnt in 10 Minuten…“
In welchem Jahrhundert hätten Sie gern gelebt?
Im finsteren Mittelalter, um zu sehen, ob es wirklich so finster und prüde war.
Welche historischen Figuren bewundern Sie?
Sokrates. Er hat die Erkenntnisse seiner Schüler durch Fragen geweckt, nicht durch Vorgaben und Belehrungen.
Gibt es einen Denker/Philosophen, der Sie begleitet?
Der berühmte „Satz des Fermat“ des berühmten Mathematikers Pierre de Fermat – für den wollte unser Papa auf langen Spaziergängen einen Beweis finden, deshalb sollten wir Kinder „die Klappe halten“.
Bei wem wären Sie gern zum Dinner eingeladen?
Bei Freunden. Ich mag es gern gemütlich.
Wären Sie manchmal gern ein/e andere/r und wenn ja, wer?
Eigentlich nein. Aber es wäre doch interessant, sich einmal in Fjodor Iwanowitsch Schaljapin hineinzufühlen, schon der Stimme wegen. Aber auch, in einer Zeit zu singen, wo sich Sänger jede künstlerische Eigenart, Freiheit und Frechheit herausnehmen konnten und dafür noch gefeiert wurden. Heute werden wir eher auf saubere, werkgetreue Interpretation zurecht gestutzt. Wir sind ein bisschen brave beflissentliche Befolger geworden. Die Werktreue steht über allem. Der Wille des Schöpfers ist unantastbar. Das hat schon fast was Ideologisches. Man kann sich daran gut festhalten in Zeiten der unbegrenzten Freiheit. Der Rahmen, innerhalb dessen man frei interpretieren darf, ist eng gesteckt. Unser ureigenes Temperament wird angepasst (parallel zu den Profifußballern). Man kann das „Professionalisierung“ nennen. Oder auch „glattbügeln“. Interessante Entwicklung.
Gibt es einen Sehnsuchtsort?
Die Dolomiten. Das Riesengebirge. Die Sächsische Schweiz.
Wenn es schon sein muss: Wie und wo würden Sie gern sterben?
Wie Udo Jürgens auf einem Spaziergang. Bitte nicht auf der Bühne!
Was möchten Sie Ihren Kindern mit auf den Weg geben?
Liebe
Welcher Illusion geben Sie sich gern hin?
Leider keiner. Dafür bin ich zu realistisch.
Welche Frage stellen Sie am liebsten anderen?
Nicht am liebsten, aber oft: Warum so und nicht anders?
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?
Dieselben wie bei einem Mann: Eine natürliche, unverstellte Art.
Welche Eigenschaften verabscheuen Sie am meisten?
Das Gefühl von Verabscheuung ist mir nicht präsent. Aber wo ich wachsam geworden bin: emotionale Abhängigkeiten und Manipulation im beruflichen Umfeld. Da bin ich allergisch.
Was lieben Sie an Ihrer Lebenspartnerin/Ihrem Lebenspartner am meisten?
Ich kenne kaum einen Menschen, insbesondere in meiner Branche, dessen Selbstwertgefühl so wenig auf Bestätigung von außen baut wie bei ihr. Das bewundere ich sehr.
Welcher Urlaubstyp sind Sie? Strandschläfer, Berg- und Tal-Aktivist oder Kulturreisender?
Berg- und Tal-Aktivist, Raubfisch-Angler. Kleine Fischkunde: Forelle, Äsche, Saibling, Lachs, Hecht, Barsch, Zander, Dorsch, Heilbutt usw.
Tag- oder Nachtmensch? (Nachtigall oder Lerche?)
Nachtigall
Sind Sie abergläubisch?
Nein
Haben Sie ein Maskottchen?
Nein