Künstler privat
Ira Hochman
7. Mai 2023
Korrepetitorin, Dozentin, Dirigentin, Cembalistin, vor allem aber leidenschaftliche Entdeckerin und Erweckerin barocker Musik: die in Usbekistan gebürtige Musikerin Ira Hochman, Leiterin des barockwerk Hamburg.
Name: Ira Hochman
Geburtsdatum: vergangenes Jahrhundert
Geburtsort: In der untergegangenen UdSSR, heute Taschkent, Usbekistan.
Wohnort: Hamburg
Lebenspartner/in: Ein interessanter und weiser Mensch, dem ich sehr viel zu verdanken habe.
Kinder: Sohn David, manchmal 3, manchmal 20, auf dem Papier bald 13 Jahre alt.
Sternzeichen: Waage
Wie fühlen Sie sich gerade?
Munter, im Begriff Ihre Fragen zu bewältigen
Ihre charakteristischste Eigenschaft?
Ungeduld und Reflektion
Was inspiriert Sie?
Alles, was nicht mit der Nützlichkeit, sondern mit der Sinnhaftigkeit zu tun hat. Einfacher ausgedrückt, Sachen, die Menschen aus ihrem inneren Bedürfnis heraus erschaffen, Kunst zum Beispiel
Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Bei allem, was ich tue, sich selbst nicht zu ignorieren
Was würde niemand von Ihnen vermuten?
Dass ich Angst von Menschenmengen habe und insgesamt sehr schüchtern bin
Welche natürliche Gabe hätten Sie gern?
Die Selbstverständlichkeit der eigenen Wichtigkeit
Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Mehrere Male sich in einem anderen Land niedergelassen zu haben, bis ich in Hamburg endlich angekommen bin
Ihre Vorstellung von Glück?
Ich weiß wenig vom Glück … Vielleicht setze ich auch da die Messlatte zu hoch? Schopenhauer sagte, Glück sei Illusion.
Was wäre für Sie das größte Unglück?
Wenn die Musik weg wäre
Was wollten Sie als Kind werden?
Ärztin. Ein Beruf, an dem man vermutlich nicht zweifelt.
Wobei bzw. wann werden Sie schwach?
Wenn ich in einer Kultur bin, welche die Eigenschaft hat, dem Leben viel Esprit und Genuss zu verleihen, kann ich schwach werden, zum Beispiel in Frankreich, Italien oder Israel.
Ihr größtes Talent?
O Gott, da muss man ja sich loben! In meiner Wahrnehmung: der klingenden Musik eine Form, Richtung und Emotion zu verleihen
Was können Sie gar nicht?
Unverbindlich sein
Woran zweifeln Sie am meisten?
An der Menschlichkeit
Wovor haben Sie Angst?
An Demenz zu erkranken
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Kommunikation mit Behörden
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Sprachfehler? Gute Ausrede, nicht wahr?
Ihre originellste Ausrede?
Bei Orchesterproben: „Wir wiederholen die Stelle ein allerletztes Mal“.…
Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?
Dass ich das, was ich mir für den Tag vornehme, schaffe
Das Credo Ihres Lebens?
Alles geben, was ich kann.
Ihre Lieblingsbeschäftigung/Ihr Hobby?
In den Musikhandschriften des XVIII. Jahrhunderts zu wühlen.
Ihr Lieblingsland?
Israel
Ihre Lieblingsstadt?
Tel Aviv
Ihr Lieblingsgericht?
Frisch gebackenes, duftendes, noch warmes Brot mit irischer Butter
Ihr Lieblingsgetränk?
Kaffee
Ihr Lieblingstier?
Ein Plüschtier meines Sohnes, ein brauner Bär mit langer Nase namens Nuky.
Ihre Lieblingsblumen?
Feldblumen
Ihr Lieblingsbuch?
„Pax“ von Sara Pennypacker (2016). Es ist ein Kinderbuch, ganz rührend und menschlich. Es handelt von Freundschaft, Verantwortung, Einsamkeit und Nähe, aber auch vom Krieg.
Ihr Lieblingsschriftsteller?
Michail Bulgakow
Ihr Lieblingsfilm?
„Tous les matins du monde“. Ein Film über den Gambisten und Komponisten Marin Marais. Grandiose Besetzung und Musik, gespielt von Jordi Savall.
Ihr Lieblingsmaler/darstellender Künstler?
Auguste Rodin
Ihr/e Lieblingskomponist/in?
Henry Purcell
Ihr Lieblingswerk/Ihre Lieblingsoper?
Verdis Falstaff
Ihr Lieblingsalbum?
Eine Einspielung der Violinsonaten von Corelli mit Enrico Onofri. Das ist Balsam für die Seele.
Ihr Lieblingsinstrument?
Stimme
Ihr beglückendster musikalischer Moment?
Eine Mahler-Sinfonie, dirigiert von Lenny Bernstein.
Was bedeutet Ihre Kunst für Sie?
Gott sei Dank gibt es die Musik auf dieser Erde. So ist sie meine Religion.
Der beste Auftritt Ihres Lebens?
Liegt hoffentlich noch vor mir? Aber ein guter Auftritt ist immer, wenn der „Geist“ dabei war. Dann bleibt im Raum nach dem Konzert eine gewisse Energie, etwas Spirituelles.
Gibt es Rituale für ein gelingendes Konzert?
Gute Einstudierung und ein Vertrauensverhältnis zum Orchester als Basis. Vor dem Konzert keine Hektik zulassen. Stattdessen einen Plan haben, was man mit Musik machen möchte, für jede Phrase, für jede Wendung, für jedes Wort.
Die Minuten vor dem Auftritt?
Ruhe bewahren, tief atmen
Und die Zeit danach?
Das plane ich nicht.
Welche Musik mochten Sie als Kind/als Jugendlicher?
Die Musik in Moll. Ich wollte aus dem „Wohltemperierten Klavier“ nur die Stücke in Moll spielen. Mein Klavierlehrer sagte mal zu mir: „Es werden noch Zeiten kommen, in denen du die Werke von Bach in Dur auch mögen wirst.“
Ein Werk, das Ihr Leben verändert hat?
Mein musikalisches Leben hat nicht ein Werk verändert, sondern die Entdeckung der Dissonanzen und des „tempo rubato“ in der Alten Musik. Dafür steht exemplarisch Monteverdis „Lamento della Ninfa“.
Welche Person/welches Ereignis hat Sie als Musiker/in maßgeblich geprägt und warum?
Als junger Mensch war es mein faszinierender Klavierlehrer, der inzwischen verstorbene Vladimir Smoljaninov. Obwohl er im Westen niemandem ein Begriff ist, möchte ich aus Dankbarkeit seinen Namen an dieser Stelle nennen. Bei der Hinwendung zur Alten Musik war es Alessandro De Marchi, ein italienischer Cembalist und Dirigent, der für mich der Wegweiser war. Als Ereignis kann ich mein Dirigierdebut an der Hamburgischen Staatsoper nennen. Es war ein Einspringen, das die Welt nicht veränderte, aber mich. Ich verstand plötzlich, dass ich etwas Selbstständiges machen muss. Drei Monate später habe ich meine Stelle als Repetitorin aufgegeben und arbeite seitdem als freischaffende Dirigentin.
Welches Werk wollen Sie unbedingt noch aufführen?
Top secret!
Wann haben Sie zuletzt bei Musik geweint?
Gar nicht lange her. Beim Einstudieren der „Kindertotenlieder“ von Mahler vor ein Paar Wochen.
Mit welcher/m Musiker/in der Vergangenheit würden Sie gern einen Abend verbringen?
Mit Carlos Kleiber
Welche Künstler beeindrucken Sie?
Die nicht selbst im Vordergrund stehen wollen, sondern die Musik in den Vordergrund stellen.
Welches Musikerklischee würden Sie gern geraderücken?
Dass Sänger dumm sind.
Kuriose Orte, an denen Sie musiziert/geübt haben?
In einem Küchenstudio
Welche drei Musikstücke würden Sie auf die berühmte Insel mitnehmen?
„Eternal source of light divine“ („Ode for the Birthday of Queen Ann“, Händel), „Vorrei spiegarvi oh Dio!“ (Konzertarie von Mozart) und ein Requiem, vielleicht von Britten?
Wenn morgen die Welt unterginge, welche Musik würden Sie spielen/singen?
Wenn ich die Welt retten sollte? Ich würde es mit einem einfachen Wiegenlied versuchen.
Wenn Sie nicht Ihr Instrument spielen bzw. singen würden, welches würden Sie wählen?
Die Violine oder die Harfe oder doch die Stimme!
Gibt es weitere Interessen/Leidenschaften neben der Musik?
Sprachen. Sechs kann ich, wenn ich die Zeit fände, würde ich gerne noch Portugiesisch lernen.
In welchem Jahrhundert hätten Sie gern gelebt?
Unser Jahrhundert ist schon problematisch, aber die anderen waren es noch mehr. Ich lebe gern hier und jetzt.
Welche historischen Figuren bewundern Sie?
Ben Gurion
Und welche lebenden Menschen?
Angela Merkel
Gibt es einen Denker/Philosophen, der Sie begleitet?
Schopenhauer. Ziemlich düster, dafür treffend.
Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie?
Hitler, Stalin und ähnliche.
Welche Musik würden Sie einem Klassikeinsteiger empfehlen?
Ich würde die „Dreigroschenoper“ empfehlen.
Was ist Ihr Seelenort?
Eine große schöne Bibliothek
Gibt es einen Sehnsuchtsort?
Nicht konkret. Soll am Wasser sein.
Wofür würden Sie Ihr Leben opfern?
Für eine glückliche Kindheit aller Kinder auf diesem Planeten
Wenn es schon sein muss: Wie und wo würden Sie gern sterben?
In Israel, das ist einfach. Gerne selbst bestimmt, so wie ich gelebt habe, das ist nicht einfach.
Wie soll man sich an Sie erinnern?
Als eine Person, die Menschen mit Respekt behandelte. Und als eine Musikerin, die eine Vielzahl an Werken der deutschen Barockmusik zu neuem Leben erweckt hat.
Was möchten Sie Ihren Kindern mit auf den Weg geben?
Dass es sehr wichtig ist, die eigene Berufung zu entdecken und einen eigenen Weg im Leben zu gehen.
Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Der Tag ist gelungen, wenn die Musik den größten Anteil daran hatte.
Welcher Illusion geben Sie sich gern hin?
Dass sich alles irgendwie fügt.
Welche Frage stellen Sie am liebsten anderen?
Ob Sie zufrieden sind
Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Mit Musik
Was haben Sie – neben Schlüssel und Handy – immer dabei?
Eine Frauentasche, in der ALLES drin ist. Das Problem ist, dass man dort nicht mal das Handy und den Schlüssel findet.
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?
Die, die ich auch bei einem Mann schätze. Empathie, Intelligenz, Verbindlichkeit, Selbstständigkeit
Welche Eigenschaften verabscheuen Sie am meisten?
Unverbindlichkeit!
Was lieben Sie an Ihrer Lebenspartnerin/Ihrem Lebenspartner am meisten?
Die Ruhe
Eine Entdeckung, die Sie erst kürzlich gemacht haben?
Dass ich in einer russischen Kolonie aufgewaschen bin.
Ihre Strategie für kurzfristige Entspannung?
Die nächste Tasse Kaffee und ab an die frische Luft
Welcher Urlaubstyp sind Sie? Strandschläfer, Berg- und Tal-Aktivist oder Kulturreisender?
Das einzig wichtige ist: bloß keine Verpflichtungen. Ort und Art des Urlaubes sind egal.
Tag- oder Nachtmensch? (Nachtigall oder Lerche?)
Nachtmensch
Sind Sie abergläubisch?
Nein
Haben Sie ein Maskottchen?
In jeder von mir ausgegrabenen Oper gab es eines. Das letzte war „Das goldene Vlies“.
Auftrittstermine und weitere Informationen über Ira Hochman und das Ensemble barockwerk hamburg: www.barockwerk-hamburg.de