Wenn man ihn kürzlich in einer der wenigen Konzerte, die er noch dirigierte, erleben durfte, dann sah man einen Mann, der von Alter und Krankheit gezeichnet war – und der doch noch immer eine umwerfende musikalische Energie besaß. Da war jeder Musiker ganz beim Maestro und mit jeder noch so kleinen Handbewegung zauberte Claudio Abbado mit der Musik.
Das britische Magazin Gramophone wählte den Dirigenten 2012 unter die „50 Personen, die die klassische Musik veränderten“ und schrieb treffend: „Was Claudio Abbado zu einem großen Musiker macht, ist sein Humanismus, seine außerordentliche Fähigkeit, den Klang eines Orchesters vermittels einer einzigen Geste zu verändern… seine Aufführungen können ein Leben verändern.“
Das Aufeinanderhören als Grundvoraussetzung nicht nur des Musizierens, sondern auch des menschlichen Zusammenlebens im Allgemeinen blieb für Abbado auch als Dirigent großer Orchester zentral, ob als Chef an der Scala, bei den Wiener und Berliner Philharmonikern, in London und Chicago, bei seinen Jugendorchestern oder am Pult des Mahler Chamber Orchestra, des Lucerne Festival Orchestra und des Orchestra Mozart. Dass Musik nicht nur einer kleinen Élite, sondern allen Menschen, unabhängig von Alter, Herkunft und Vorbildung, zugänglich sein sollte, versuchte er an der Scala dadurch zu erreichen, dass er das traditionelle Opernhaus auch für Arbeiter und Studenten öffnete. Mit seinen Freunden, dem Pianisten Maurizio Pollini und dem Komponisten Luigi Nono, organisierte er Aufführungen in Fabriken und Gesprächskonzerte, um neuen Hörerschichten vor allem auch zeitgenössische Musik nahezubringen.
Auch die musikalische Jugend war Abbado ein großes Anliegen, so gründete er unter anderem das European Youth Orchestra, das Mahler Chamber Orchestra, das Lucerne Festival Orchestra und im Jahr 2004 das Orchestra Bologna Mozart.
Der 1933 in Mailand als Sohn einer Musikerfamilie geborene Dirigent und bedeutender Schüler des Wiener „Dirigentenmachers“ Hans Swarowsky war kein Mann der großen Maestro-Geste, sondern ein Orchesterleiter mit leiser, sanfter Autorität. Ihm ging es nicht um seine Person, sondern einzig um die Sache an sich: „Musik ist notwendig für das Leben. Sie kann es verändern, verbessern und in einigen Fällen sogar retten“.
Neben seinem musikalischen Engagement war Abbado passionierter Umweltschützer. Sein Verständnis von Natur ließ sich in gewisser Weise auch auf sein Wirken übertragen. So sagte Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, über seine Arbeit mit Abbado einmal, er fühle sich wie ein Vogel an einer sehr langen Leine, frei und doch unter Kontrolle.
Im Alter von 80 Jahren ist Claudio Abbado, der große Maestro, am 20. Januar in Bologna gestorben.
(red)