Was ist hier gesucht?
Von klassischer, spanischer Schönheit
2. Juni 2021
Gewandet in leuchtend rotes Velours, bestickt mit Kristallperlen, 50 Quadratmeter Blattgold im Trompe-l’oeil-Stil.
Gleich vorweg: Ohne mich geht nichts! Ich gehöre einfach auf die Bühne. Egal, wie sie hießen oder heißen, sie kennen mich. Früher, der Nurejew oder die Callas, heute die Netrebko oder der Jonas Kaufmann. Sie alle brauchen mich. Sie fürchten mich. Sie wollen mich! Hybris, denken Sie? Nein, Bühnen-Realität. Ich bin der Stoff ihrer Träume. Der Samt ihrer Seele. Anfangs stehen sie in der Geborgenheit meiner dunklen Seite. Ruhig, gesammelt, konzentriert die einen. Trippelnd wie Rennpferde die anderen: nervös, geblähte Nüstern, die Pupillen nicht nur wegen der Dunkelheit geweitet. Doch dann geben sie sich den letzten Ruck, schieben mich – mich! – achtlos beiseite und treten ins gleißende Licht.
Ohne Raffungen nach oben
Natürlich gibt es auch bei uns Unterschiede. Wer einsteigt, bei einer kleinen Stadtbühne etwa, der ist kommunalen Controllern gerademal 8000 Euro wert. Die Stars bei uns kosten aber mehr als das mittlere Jahresgehalt eines Generalmusikdirektors: bis zu 400.000 Euro. Mein geschätzter Kollege von der Oper in Oslo beispielsweise ist ein Riese. Er wirkt wie in verknitterte Alufolie gekleidet. „MetaFoil“, so sein Künstlername, hat sogar schon zahlreiche Staatsgäste begeistert. Eine US-Künstlerin, Pea White mit Namen, hat ihn erschaffen. „MetaFoil“ schiebt man nicht achtlos beiseite. Ihn öffnet man „deutsch“ – sein metallen wirkender Mantel zieht sich ohne Raffungen nach oben.
50 Quadratmeter Blattgold
Von klassischer, spanischer Schönheit hingegen ist der Kollege im Teatro Real in Madrid. Gewandet in leuchtend rotes Velours, bestickt mit Kristallperlen, 50 Quadratmeter Blattgold im Trompe-l’oeil-Stil – ein 350 000 Euro teurer Prototyp unserer besten Tage. In Spanien, da hat unser Auftritt eben noch Grandezza. Die wissen uns eben noch zu zelebrieren! Wobei so viel Patriotismus darf sein. Weltweit führend ist noch immer die deutsche Schule. Wer von Gerriets in Freiburg kommt, findet überall eine Bühne. Die Metropolitan in New York etwa kauft sich hier alle zehn Jahre einen neuen Kollegen. Meist in eineinhalb Tonnen gelber Seide.
Ach ja, die Stars. Am Ende, wenn sie es hinter sich haben, dann kommen sie wieder ins Dunkle – und können einfach nicht genug von uns haben. Nochmal, nochmal, nochmal und nochmal müssen wir ihnen die Bühne geben. Dann lachen sie, strahlen wie die Scheinwerfer um sie herum, sind locker und gelöst. Sehen Sie, das ist es doch, was ich meine. Sie brauchen mich. Sie wollen mich. Ohne mich geht es nicht im klassischen Alltag.
Wissen Sie, was wir suchen? Die Auflösung finden Sie auf der nächsten Seite!