Ein Anruf bei Sabine Ruchlinski von KulturRaum e.V.
Kulturelle Grundversorgung
von Maria Goeth
13. März 2018
Ein Anruf bei Sabine Ruchlinski, Vorstandsmitglied von KulturRaum München. Hier wird ähnlich wie bei „Tafeln“ gearbeitet – nur dass statt Lebensmitteln Tickets für Veranstaltungen vermittelt werden.
Ein Anruf bei Sabine Ruchlinski, Vorstandsmitglied von KulturRaum München. Hier wird ähnlich wie bei „Tafeln“ gearbeitet – nur dass statt Lebensmitteln kostenfreie Tickets für Kulturveranstaltungen vermittelt werden.
crescendo: Frau Ruchlinski, was hat es mit KulturRaum München auf sich?
Sabine Ruchlinski: KulturRaum München ist ein Verein, der 2011 gegründet worden ist und sich der kulturellen Teilhabe von Menschen mit geringem Einkommen verschrieben hat, indem Karten für Veranstaltungen vermittelt werden. Das passiert via persönlicher Telefongespräche.
Wie kam es zur Initiative?
Die Idee kommt von der Journalistin Christine Krauskopf aus Marburg. Selbst bin ich über das Projekt KulturLeben Berlin darauf gestoßen. Ich habe am Theater gearbeitet und fand die Idee, nicht verkaufte Plätze an Menschen zu geben, die sie sich nicht leisten können, total überzeugend. In München gab es das noch nicht, und es fanden sich mehrere Menschen zusammen, um einen Verein zu gründen.
Wie wird das angenommen?
Sehr gut! Wir haben inzwischen rund 10.000 Gäste, die wir erreichen, darunter 3.000 Einzelgäste und der Rest über soziale Einrichtungen, die als Gruppen Kulturveranstaltungen besuchen. Wir haben inzwischen noch zusätzliche Angebote für bestimmte Zielgruppen entwickelt, zum Beispiel Kulturpaten für Menschen, die Begleitung brauchen, wie Geflüchtete oder Menschen mit Behinderung, ein Projekt für Jugendliche, „KulturKick“, und „KulturKinder“.
Spüren Sie eine Hemmschwelle bei den Leuten, die sich melden?
Nein, weil wir ganz eng mit sozialen Einrichtungen zusammenarbeiten. Das heißt, die Gäste müssen sich nicht bei uns ausweisen, sondern wir vertrauen den über 420 Einrichtungen vom Alten-Servicezentrum über Mutter-Kind-Einrichtungen, Einrichtungen für Geflüchtete bis hin zu psycho-sozialen Wohngruppen. Diese Sozialpartner bestätigen auf der Anmeldung, dass die Gäste berechtigt sind.
Erreichen Sie kulturelle „Erstkontakte“ oder eher Menschen, die Erfahrung damit haben?
Beides! Wir haben sehr viele Rentner, die schon immer kulturinteressiert gewesen sind und die sich aufgrund ihrer Mini-Rente keinen Kulturbesuch mehr leisten können, tatsächlich erreichen wir aber auch Menschen, die noch nie in einem Theater oder klassischen Konzert gewesen sind. Von denen bekommen wir oft auch sehr schöne telefonische Rückmeldungen.
Besteht die Gefahr, dass Kultureinrichtungen das Projekt als „Füller“ für schlecht verkaufte Vorstellungen missbrauchen?
Viele stellen uns inzwischen langfristig Karten zur Verfügung, weil sie das Projekt unterstützen und die Zielgruppe erreichen wollen. So sitzen unsere Gäste auch in ausverkauften Veranstaltungen und auf sehr guten Plätzen. Wir haben aber eine erhöhte Nachfrage an Kino‑,
Zirkus- und Musicalkarten, die wir am wenigsten bekommen.
Was gibt es aktuell für Besonderheiten?
Viele! Etwa eigene Konzerte, die junge Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete im Projekt „MixMuc“ organisieren, einen Lesekreis und einen Kalender „Eintritt.frei“ für alle Bürgerinnen und Bürger, nicht nur unsere Gäste, in dem wir alle Veranstaltungen in München sammeln, die kostenlos sind – das sind ungefähr 300 im Monat!
Weitere Infos unter: www.kulturraum-muenchen.de