Vassilissa Reznikoff, Thomas Lettow

Salome in München

Frei­heits­kampf zweier Frauen

von Antoinette Schmelter-Kaiser

11. Februar 2025

Im Cuvilliéstheater inszeniert Ewelina Marciniak „Salome“ nach der Vorlage von Oscar Wilde als Stück im Stück, bei dem auch Hitlers Nichte und Geliebte eine entscheidende Rolle spielt

Für einen Thea­ter­be­such muss man sich nicht zwin­gend vorab einlesen, sondern kann sich auch unvor­be­reitet von Insze­nie­rungen über­ra­schen lassen. Doch im Fall von „Salome“ empfiehlt sich eine Vorab-Infor­ma­tion, die das Münchner Resi­denz­theater mit seiner Audio­kurz­ein­füh­rung namens„Vorspiel“ und einem Gratis-Auszug aus dem Programm­heft bequem ermög­licht. Denn da Regis­seurin Ewelina Marci­niak und Drama­turg Jarosław Murawski „Theater als Raum der Möglich­keiten und der Phan­tasie, in dem alles erlaubt ist“ verstehen, orien­tieren sie zwar an der Vorlage von Oscar Wilde über die Geschichte von Salome, Herodes, und den Propheten Joch­a­naan. Diese wird aber als Stück im Stück aufge­führt und von Opern­pre­mieren-Gästen begleitet, die sich in der Realität nie in dieser Konstel­la­tion begegnet sind: , Oscar Wilde, sowie die Tochter seiner Halb­schwester Geli Raubal, mit der Hitler am Prinz­re­gen­ten­platz seine Wohnung und wohl auch das Bett teilte. Dieses Quar­tett kommen­tiert die Auffüh­rung und ist dabei selbst mit auf der Bühne präsent. Es wird außerdem Teil der „Salome“-Darbietung, zuvor­derst Geli Raubal. Wie Salome ist sie von ihren weib­li­chen Reizen über­zeugt und setzt sie ein, um ihre Ziele zu errei­chen. Wie Salome möchte sie aber nicht auf eine Rolle fest­ge­legt werden, freier entscheiden und sein. Wie Salome möchte sie mehr Macht haben.
Diese Wünsche werden im Lauf des zwei­stün­digen Abends immer vehe­menter – bis Salome von Herodes den Kopf von Joch­a­naan fordert, da dieser nicht auf ihre Avancen einge­gangen ist. Und bis sowohl Salome als auch Geli Raubal – virtuos von Vassi­lissa Rezni­koff als Pole Dance-Nummer inter­pre­tiert – einen„Tanz der sieben Schleier“ zeigen, der für Regis­seurin Ewelina Marci­niak und Drama­turg Jarosław Murawski ein „Synonym für den Ausbruch sexu­eller Frei­heit ist“. Ihre „Salome“ kreist konse­quent um den Frei­heits­kampf zweier Frauen, männ­li­ches Begehren und gesell­schaft­liche Konven­tionen– ein ernstes Thema, dem durch das exal­tierte Spiel aller Prot­ago­nisten, schrille Kostüme von Julia Korn­acke, die ebenso hoch­ge­schlossen wie körper­be­tont sind, und live gemixte Musik (Tim Roth) die Schwere genommen wird.

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Weitere Aufführungen im Cuvillíestheater am 12./16.2.25, 2./8.3.25, Informationen über www.residenztheater.de

Fotos: Birgit Hupfeld