
Salome in München
Freiheitskampf zweier Frauen
von Antoinette Schmelter-Kaiser
11. Februar 2025
Im Cuvilliéstheater inszeniert Ewelina Marciniak „Salome“ nach der Vorlage von Oscar Wilde als Stück im Stück, bei dem auch Hitlers Nichte und Geliebte eine entscheidende Rolle spielt
Für einen Theaterbesuch muss man sich nicht zwingend vorab einlesen, sondern kann sich auch unvorbereitet von Inszenierungen überraschen lassen. Doch im Fall von „Salome“ empfiehlt sich eine Vorab-Information, die das Münchner Residenztheater mit seiner Audiokurzeinführung namens„Vorspiel“ und einem Gratis-Auszug aus dem Programmheft bequem ermöglicht. Denn da Regisseurin Ewelina Marciniak und Dramaturg Jarosław Murawski „Theater als Raum der Möglichkeiten und der Phantasie, in dem alles erlaubt ist“ verstehen, orientieren sie zwar an der Vorlage von Oscar Wilde über die Geschichte von Salome, Herodes, Herodias und den Propheten Jochanaan. Diese wird aber als Stück im Stück aufgeführt und von Opernpremieren-Gästen begleitet, die sich in der Realität nie in dieser Konstellation begegnet sind: Richard Strauss, Oscar Wilde, Adolf Hitler sowie die Tochter seiner Halbschwester Geli Raubal, mit der Hitler am Prinzregentenplatz seine Wohnung und wohl auch das Bett teilte. Dieses Quartett kommentiert die Aufführung und ist dabei selbst mit auf der Bühne präsent. Es wird außerdem Teil der „Salome“-Darbietung, zuvorderst Geli Raubal. Wie Salome ist sie von ihren weiblichen Reizen überzeugt und setzt sie ein, um ihre Ziele zu erreichen. Wie Salome möchte sie aber nicht auf eine Rolle festgelegt werden, freier entscheiden und sein. Wie Salome möchte sie mehr Macht haben.
Diese Wünsche werden im Lauf des zweistündigen Abends immer vehementer – bis Salome von Herodes den Kopf von Jochanaan fordert, da dieser nicht auf ihre Avancen eingegangen ist. Und bis sowohl Salome als auch Geli Raubal – virtuos von Vassilissa Reznikoff als Pole Dance-Nummer interpretiert – einen„Tanz der sieben Schleier“ zeigen, der für Regisseurin Ewelina Marciniak und Dramaturg Jarosław Murawski ein „Synonym für den Ausbruch sexueller Freiheit ist“. Ihre „Salome“ kreist konsequent um den Freiheitskampf zweier Frauen, männliches Begehren und gesellschaftliche Konventionen– ein ernstes Thema, dem durch das exaltierte Spiel aller Protagonisten, schrille Kostüme von Julia Kornacke, die ebenso hochgeschlossen wie körperbetont sind, und live gemixte Musik (Tim Roth) die Schwere genommen wird.
Weitere Aufführungen im Cuvillíestheater am 12./16.2.25, 2./8.3.25, Informationen über www.residenztheater.de