Ana de la Vega & Ramón Ortega Quero
Dem Komponisten ganz nah
von Ruth Renée Reif
11. März 2020
Ana de la Vega und Ramón Ortega Quero zeigen das faszinierende Zusammenspiel von Flöte und Oboe. Mit den Trondheim Soloists haben sie Werke von Joseph Haydn und Carl Stamitz aufgenommen.
Ana de la Vega und Ramón Ortega Quero zeigen auf ihrem Album das faszinierende Zusammenspiel von Flöte und Oboe. Mit den Trondheim Soloists haben sie Werke von Joseph Haydn und Carl Stamitz aufgenommen. Im CRESCENDO-Gespräch erzählen sie von ihrer Suche nach alten Noten, ihrer Liebe zu den barocken Klängen und dem reizvollen Zusammenwirken ihrer Instrumente.
CRESCENDO: Frau de la Vega, Herr Ortega Quero, Ihr Album mit den Trondheim Soloists enthält eine musikalische Wiederentdeckung: zwei Konzerte von Carl Stamitz. Wie sind Sie darauf gestoßen?
Ana de la Vega: Als ich diese Musik hörte, verliebte ich mich sofort in sie und wollte sie unbedingt spielen. Dieses spezifische Flötenkonzert von Stamitz ist eines der großartigsten dieser Epoche. Und sein Konzert für Flöte und Oboe ist einfach umwerfend.
Ana de la Vega: »Ich brauchte Monate, um dieses Flötenkonzert von Carl Stamitz zu finden.«
Die Schwierigkeit bestand darin, die Partituren aufzutreiben. Stamitz stammte aus einer Musikerfamilie. Auch zwei seiner Brüder Johann und Anton waren Musiker. Zu den Kompositionen der Familie Stamitz wurde wohl 1801 ein Werkverzeichnis erstellt. Es ist jedoch verloren. Ich brauchte Monate, um dieses Flötenkonzert zu finden.
Haben mit Ana de la Vega und Ramón Ortega Quero Werke von Joseph Haydn und Carl Stamitz aufgenommen: die Trondheim Soloists
(Foto: Nikolaj Lund)
CRESCENDO: Sie haben direkt aus dem Manuskript gespielt. Was ist das für ein Gefühl?
Ana de la Vega: Das war eine besondere Erfahrung für mich. Man fühlt sich dem Komponisten ganz nah.
Ramón Ortega Quero: Da ich viel Barockmusik spiele, bin ich vertraut mit alten Notenschriften. Aber die Handschrift des Komponisten vor sich zu haben, ist noch einmal ein anderes Gefühl. Wenn man sieht, wie er die Akzente und Artikulationszeichen gesetzt hat, dann spürt man, welche Wichtigkeit er ihnen beimaß.
CRESCENDO: Was das Doppelkonzert auszeichnet, ist, dass es tatsächlich für Flöte und Oboe geschrieben ist…
Ramón Ortega Quero: Diese beiden Instrumente müssten als Soloinstrumente häufiger im Vordergrund stehen.
Ramón Ortega Quero: »Wir wollten zeigen, wie wunderbar der helle Flötenklang mit der dunklen Färbung der Oboe harmonisiert.«
Das war für uns ein entscheidender Beweggrund zu diesem Album. Wir wollten das Zusammenspiel der beiden Instrumente zeigen, wie wunderbar der helle Flötenklang mit der dunklen Färbung der Oboe harmonisiert.
Ana de la Vega: Das ist zauberhaft, und viele Komponisten haben diesen Effekt in Sinfonien und Opern auch wirkungsvoll eingesetzt. Seltsamerweise aber zeigten nur wenige Interesse daran, Flöte und Oboe als Soloinstrumente zu verwenden.
Freuen sich über die Reaktionen des Publikums in ihren Konzerten: Ana de la Vega und Ramón Ortega Quero
(Foto: Boaz Arad)
Für uns war es eine große Freude, die Reaktionen des Publikums bei den Konzerten zu erleben, die wir in Zusammenhang mit diesem Album spielten. Wenn wir beide gemeinsam auf der Bühne stehen, dann ist das Publikum gepackt von der klanglichen Magie dieser beiden Stimmen.
CRESCENDO: Wissen Sie etwas über die Entstehung dieses Doppelkonzerts?
Ramón Ortega Quero: Stamitz schrieb für die meisten Holzblasinstrumente Konzerte. Es gibt berühmte Klarinettenkonzerte, ein Oboen- und verschiedene Flötenkonzerte. Vermutlich baten ihn Kollegen oder befreundete Musiker darum.
Ana de la Vega: »Vom Nachlass der Familie Stamitz ist kaum etwas erhalten.«
Ana de la Vega: Herausfinden konnte ich dazu allerdings nichts. Vom Nachlass der Familie Stamitz ist kaum etwas erhalten. Was ich an Briefen und Notizen gesehen habe, befand sich in einem schrecklich schlechten Zustand.
CRESCENDO: Als Stamitz starb, hinterließ er hohe Schulden, sodass sein Nachlass versteigert wurde. Viele seiner Werke sind daher verschollen. Hoffen Sie, noch welche aufzustöbern?
Ana de la Vega: Das wäre großartig.
Ramón Ortega Quero: Nachdem ich dieses Flötenkonzert gehört habe, das ich für eines der besten Konzerte halte, die damals für Flöte geschrieben wurden, hoffe ich, dass noch ein ebenso geniales Oboenkonzert von ihm auftaucht.
CRESCENDO: Die beiden Haydn-Konzerte waren ursprünglich für Orgelleier geschrieben. Warum haben Sie sich für sie entschieden?
Ramón Ortega Quero: Sie schaffen als Concerti grossi eine wunderbare Balance zu den beiden virtuosen Solokonzerten von Stamitz. Haydn selbst hat diese Umbesetzung zugelassen. Die Konzerte waren ein Auftrag von König Ferdinand von Neapel.
Ramón Ortega Quero: »Die Orgelleier war das Lieblingsinstrument von König Ferdinand von Neapel.«
Die Orgelleier war sein Lieblingsinstrument. Er spielte sie auch selbst und erteilte einer Reihe von Komponisten Aufträge dafür. Da Haydn damals der berühmteste Komponist war, lud der König ihn sogar ein, nach Neapel zu kommen und die Aufführung seiner Konzerte selbst zu leiten. Haydn aber entschied sich, einer Einladung nach London zu folgen. Er nahm eine Abschrift der Konzerte mit. Und da es in London keine Orgelleier gab, wurden sie dort mit Flöte und Oboe gespielt.
Planen ein weiteres Album mit selten aufgenommenen Flöten- und Oboenkonzerten: Ana de la Vega und Ramón Ortega Quero
(Foto: Boaz Arad)
CRESCENDO: Frau de la Verga, auf Ihrem ersten Album spielten Sie Mozart und Mysliveček, jetzt Haydn und Stamitz. All diese Komponisten sind tief verwurzelt in der mitteleuropäischen Kultur. Sie sind in Australien aufgewachsen. Was begeistert Sie an dieser Musik?
Ana de la Vega: Ganz einfach: dass sie so herrlich ist! Ja, Australien mag geografisch weit entfernt von ihrem Ursprungsort liegen. Aber vom ersten Augenblick an, als ich diese Musik hörte, war ich völlig bezaubert. Ich wusste, dass ich sie spielen möchte, auch wenn sie hohe Anforderungen an ihre Interpreten stellt.
Ramón Ortega Quero: Diese Musik spricht direkt zur Seele. Da ist es egal, woher man kommt. Diese Sprache versteht jeder.
CRESCENDO: Das Stück von Mysliveček war auch eine Entdeckung. Befinden Sie sich immer auf der Suche?
Ana de la Vega: Ja, in Paris, wo ich lange Zeit lebte, verbrachte ich viel Zeit in Bibliotheken. Als Flötisten verfügen wir nur über ein begrenztes Repertoire. Aus der Romantik haben wir gerademal ein paar Stücke von Carl Reinecke.
Ana de la Vega: »Ich hoffe immer, noch etwas Vergessenes oder Verschollenes zu finden.«
Aber von Mozart bis zur französischen Musik des frühen 20. Jahrhunderts klafft ein riesiges Loch. Auch von Mozart haben wir nur zwei Konzerte sowie eines für Flöte und Harfe, und eines davon wurde von der Oboe gestohlen. So hoffe ich immer, noch etwas Vergessenes oder Verschollenes zu finden.
Ramón Ortega Quero: Flöte und Oboe erlebten im 20. Jahrhundert eine Renaissance. Gegenwärtig werden, so scheint es mir, sogar mehr Stücke für sie geschrieben, als zur Zeit des Barocks. Die Zukunft sieht gut aus für die beiden Instrumente. Dennoch fühle ich mich mehr zur Alten Musik hingezogen.
Ana de la Vega: Mir liegt ebenfalls mehr daran, ältere Werke aufzufinden und ans Licht zu bringen. Das ist die Ära, der meine Leidenschaft gehört.
CRESCENDO: Welche weiteren musikalischen Pläne haben Sie?
Ana de la Vega: Es gibt viele Ideen. Mein nächstes Album soll sich in Richtung französischer Musik des frühen 20. Jahrhunderts bewegen.
CRESCENDO: Werden Sie es wieder gemeinsam aufnehmen?
Ramón Ortega Quero: Unsere Wege werden sich ohne Zweifel wieder kreuzen. Aber es ist auch wichtig, dass jeder von uns seine eigenen Projekte hat.
Ana de la Vega: Für unsere gemeinsamen planen wir ein weiteres Album mit selten aufgenommenen Flöten- und Oboenkonzerten. Und ein Bach-Projekt ist ebenfalls angedacht.
Weitere Informationen zu Ana de la Vega und Ramón Ortega Quero:
www.anadelavega.com und www.ramonortegaquero.com