Barrie Kosky
Meistersinger und Muppet Show
von Roland H. Dippel
21. März 2023
Barrie Kosky erzählt in seiner Autobiografie »Und Vorhang auf, hallo!« aus seiner Kindheit in Australien, seiner Entdeckung der Oper und seiner Karriere in den europäischen Kulturmetropolen.
Die Verquickung aus Familiengeschichte, Coming-of-age-Report und künstlerischem Katechismus des Regisseurs (und bis 2022 Intendant der Komischen Oper Berlin) liest sich unterhaltsam, kurzweilig, intelligent. Barrie Kosky unterlässt alle Promi-Memoiren-Schemata. Dafür gibt es prägnante Aussagen und wesentliche Momente aus der inneren Biografie des „schwulen Kängurus“, als das er sich mehrfach bezeichnete. Der Band glänzt weniger durch neue Einsichten als dadurch, wie Kosky mit emotionalen und inhaltlichen Erkenntnissen umgeht. Was er ansteuert, ist getragen von einer an Sparten-Schwellen zwischen Oper, Operette und Musical nicht haltmachenden Leidenschaft für das Musiktheater. Wunderbar, wie er falsche Salome-Approximative herunterbügelt, wie er sich an erste intensive Kulturerkundungen mit seiner Großmutter erinnert und wie er den Bogen von der Muppet-Show zu seiner ersten Musical-Inszenierung Kiss Me, Kate mit Dagmar Manzel spannt. Hintergründiger Witz in allen Situationen und ein bemerkenswert unsentimentales, dabei intensives Erinnern an den Holocaust machen den Rückblick des Australiers mit den russisch-jüdisch-polnisch-ungarischen Wurzeln zu einem sehr persönlichen Souvenir-Book. Dieses schließt äußere Höhepunkte wie Die Meistersinger von Nürnberg bei den Bayreuther Festspielen und innere Meilensteine wie Eugen Onegin an der Komischen Oper Berlin ein. Billige Anekdoten gibt es keine, dafür in Erinnerungen verpackte persönliche Dankeschöns an wichtige KollegInnen wie Asmik Grigorian. Koskys intensives Ringen um von ihm zuerst gemiedene Werke zeigt: Im Opern- und Showbusiness steckt nicht nur Spaß, sondern auch harte Arbeit.