Bomsori Kim
Schwelgerisch und sanft
von Roland H. Dippel
28. August 2021
Luxuriöse Feinheit! Bomsori Kim gestaltet auf ihrem Album „Violin On Stage“ sphärische Porträts von Opernfiguren.
Egal wie virtuos die Gesangsstars des 19. Jahrhunderts ihre Koloraturen in schwindelerregende Höhen oder in Melodien von derart himmlischen Längen trieben, wie ihr Atem reichte: Spätestens seit Paganini war die Violine noch höher, noch schneller und technisch noch bravouröser. Wenn man sich den Einrichtungen von Opernmelodien und ‑szenen heute nähert, gibt es für ambitionierte Instrumentalisten nur zwei Möglichkeiten, um die Originale im Bühnenkontext zu überwinden: Entweder sie generieren ihre eigene Form von Dramatik, die mit dem Charisma der Kunstform Oper konkurrieren kann. Oder sie setzen ihre individuellen Stärken dafür ein, mit einem persönlichen Ton und virtuosem Zierwerk die Originale neu und anders zu denken, zu färben, zu erfinden. Das erwarteten auch jene namhaften Komponisten und Arrangeure von ihren Interpreten, welche die Stücke für Konzertpodien und Salons einrichteten.
Den verhaltenen, schwelgerischen und sanften persönlichen Ton hat die Koreanerin Bomsori Kim, die Gewinnerin des ARD-Musikwettbewerbs 2013 und des Internationalen Henryk-Wieniawski-Violinwettbewerbs 2016. Diabolisch wird es bei ihr nur in den Saitensprüngen der Ballade Méphistos vom Goldenen Kalb aus Gounods Faust, in Henri Wieniawskis Fantasie brillante und der Chanson bohémienne aus der Carmen-Fantasie von Franz Waxman.
Bomsori Kim bleibt in erster Linie bei melodischen und lyrischen Gebilden aus französischen Opern des 19. Jahrhunderts, die trotz ihres elegischen Adels für die männlichen Figuren der Handlungen existenzbedrohend werden. Schließlich bemächtigt sich der Vamp Dalila in seiner Arie mit der Haarpracht auch der Kraft und der Potenz des Richters Samson. Zu den trügerisch sphärischen Klängen von Massenets Méditation liegt der Wüstenmönch Athanaël wie ein Hund auf der Schwelle des Hauses der Edelkurtisane Thais und ahnt nicht, dass er ihr verfallen wird wie alle anderen und so seine seelische Unschuld verlieren muss.
Giancarlo Guerrero lässt Bomsori Kim am Pult Zeit und treibt nicht. So findet diese einen eigenen und persönlichen Puls, mit dem sie aus den Gesängen der Opernfiguren ihre sphärischen Porträts gestaltet. Es scheint, dass sie große Freude daran hatte, das zu entdecken, was hinter der Dämonie, hinter den süßen Leidenschaften und zerstörerischen Liebschaften steckt. Für das betörende Gift mag sie sich nicht entscheiden, wohl aber für Fäden von bemerkenswerter und luxuriöser Feinheit. Damit bestätigt sie in einer Nummer aus dem Nussknacker auch das Bonmot über Tschaikowski, dieser sei ein Russe mit französischer Seele.
Auftrittstermine und weitere Informationen zu Bomsori Kim: www.bomsorikim.com