David Aaron Carpenter

Der Klang des Geldes

von Corina Kolbe

5. Juni 2018

Der New Yorker Bratschist David Aaron Carpenter tritt als Solist mit renommierten Orchestern in den USA und Europa auf. Als Geschäftsmann handelt er zugleich mit teuren Streichinstrumenten.

Der New Yorker Brat­schist David Aaron Carpenter tritt als Solist mit renom­mierten Orches­tern in den USA und Europa auf. Als Geschäfts­mann handelt er zugleich mit teuren Streich­in­stru­menten.

n inter­na­tio­naler Aner­ken­nung fehlt es nicht. Der 32-jährige Brat­schist, auf Long Island bei aufge­wachsen, gewann Preise bei mehreren Wett­be­werben, wurde von Stars wie , Yuri Bashmet und geför­dert und trat mit Mitglie­dern der auf. Unter Leitung von Diri­genten wie nahm er mit dem London Phil­har­monic Orchestra ein kürz­lich bei erschie­nenes Album mit Werken von , und William Walton auf. „Ein über­ra­gender Viola­spieler unserer Zeit“, jubelte ein Kritiker der Süddeut­schen Zeitung, der ihm einen „unge­mein offen­siven, manchmal verzeh­renden Ton von so lyri­scher wie drama­ti­scher Kraft“ beschei­nigte.

Konzerte zu geben und Alben einzu­spielen füllt Carpen­ters Leben aller­dings nicht aus. „Musik ist nicht das einzig Wich­tige in meinem Leben. Mehr als zwei oder drei Stunden am Tag wollte ich nie üben“, erklärt er frei­mütig im Inter­view. Statt sich im Hotel auf Tour­nee­auf­tritte vorzu­be­reiten, schaut er sich in fremden Städten lieber Museen an. Wie seine älteren Geschwis­tern Sean und Lauren, eben­falls ausge­bil­dete Musiker, studierte er an der Élite-Univer­sität Princeton, machte einen Abschluss in Poli­tik­wis­sen­schaften und spezia­li­sierte sich danach auf Wirt­schaft. Gemeinsam betreibt das Trio inzwi­schen einen offenbar florie­renden Handel mit wert­vollen Geigen, Violen und Violon­celli von legen­dären Instru­men­ten­bauern wie Stra­di­vari, Guad­a­gnini oder Guar­neri Del Gesù. Das 2010 gegrün­dete Fami­li­en­un­ter­nehmen bezif­fert den Wert seiner Geschäfte mit Instru­menten und Kunst­werken auf mehr als 150 Millionen Dollar.

David Aaron Carpenter mit seinen Geschwistern Lauren und Sean
Foto: Carrie Buell

Carpenter, der in seinen extra­va­ganten Desi­gner­ja­cken wie aus dem Ei gepellt aussieht, zog mit den Geschwis­tern in das ehema­lige Town­house des Diri­genten Lorin Maazel am Central Park und später in das luxu­riöse Plaza Hotel. Als Unter­nehmer knüpfen die Carpen­ters seither geschickt Verbin­dungen zur Finanz- und Musik­welt. Rare Instru­mente wie Stra­di­vari-Violinen sollen etwa bei Hedge­fonds-Mana­gern als sichere Kapi­tal­an­lagen hoch im Kurs stehen. Nach erfolgter Trans­ak­tion verleihen manche Käufer ihre Instru­mente an Musiker des von den Geschwis­tern gegrün­deten Salome Chamber Orchestra, in dem die Carpen­ters zusammen mit Absol­venten renom­mierter Hoch­schulen wie der Juil­liard School oder dem Curtis Insti­tute of Music spielen. Wie David Aaron Carpenter erklärt, könnten Nach­wuchs­ta­lente Ins­trumente im Wert von 300.000 bis 500.000 Dollar wohl kaum aus eigener Tasche bezahlen. Die Erlöse von Bene­fiz­kon­zerten des Orches­ters, an denen sich beispiels­weise auch der dama­lige Chef­di­ri­gent der , , betei­ligte, gehen an gemein­nüt­zige Orga­ni­sa­tionen. Die Carpen­ters haben sich auf diese Weise auch eine öffent­lich­keits­wirk­same Platt­form geschaffen, die ihren Geschäften förder­lich ist.

„Ich kann es nie erwarten, vor Publikum aufzu­treten. Warum man vor Konzerten über­haupt Lampen­fieber haben kann, verstehe ich nicht“, erklärt Carpenter mit einer Mischung aus kind­li­cher Unbe­fan­gen­heit und einer gewissen Groß­spu­rig­keit. Wenn er über die Origi­nal­stücke und Tran­skrip­tionen spricht, die er auf seiner Viola von Michele Deconet aus dem Jahr 1766 spielt, zwei­felt man nicht an seiner Begeis­te­rung für Musik. Welchen Spagat er zwischen Kunst und Kommerz voll­führt, zeigt sich aller­dings deut­lich, wenn er bei Werbe­ver­an­stal­tungen von Aukti­ons­häu­sern auftritt, die Instru­mente zu horrenden Preisen anbieten. In einem Video auf Youtube spielt er bei Sotheby’s in New York die 1719 von Stra­di­vari gefer­tigte „MacDonald“-Viola. Das eins­tige Instru­ment von Peter Schid­lof, dem 1987 verstor­benen Gründer des Amadeus Quar­tetts, sollte vor einigen Jahren für schwin­del­erre­gende 45 Millionen Dollar den Besitzer wech­seln. Unter dem Motto „Das teuerste Konzert aller Zeiten!“ postete das Salome Chamber Orchestra einen Clip, auf dem Carpenter und andere Musiker auf insge­samt acht Stra­di­varis Astor Piaz­zollas Liber­t­ango spielen. Obwohl Carpenter mehr­mals im Fern­sehen auftrat, fand die „MacDonald“-Viola zu dem avisierten Preis keinen Abnehmer.

Kunst hat zwei­fellos nicht nur einen ideellen, sondern auch einen mate­ri­ellen Wert. Doch wie viel künst­le­ri­sche Frei­heit bleibt erhalten, wenn das Preis­eti­kett stets über­groß sichtbar ist? Seine wert­volle Deconet-Viola spiele er nur zu seltenen Anlässen, sagt David Aaron Carpenter. „Auch meine Geschwister reisen nicht mit ihren Stra­di­varis und Guar­neris durch die Welt, obwohl sie uns gehören. Bei beson­ders wich­tigen Auftritten oder bei Plat­ten­auf­nahmen mache ich eine Ausnahme. Ansonsten benutze ich eine Kopie meines Haupt­in­stru­ments. Ich möchte ja nicht, dass es durch Kratzer oder Schweiß beschä­digt wird.“ Viele Musiker, die ihr Instru­ment täglich spielen, um ihre Inter­pre­ta­tionen weiter­zu­ent­wi­ckeln, mögen hier vehe­ment wider­spre­chen. Denn ein Samm­ler­stück, das im Museum für die Zukunft konser­viert wird, bleibt von der Gegen­wart abge­kop­pelt.

Fotos: Alikhan Photography