Daniel Hope und Sebastian Feydt

Daniel Hope trifft Sebastian Feydt

Die Politik der Musik

von Barbara Schulz

7. Februar 2019

Wie politisch darf Kunst sein? Sebastian Feydt, Pfarrer an der Dresdner Frauenkirche, im Gespräch mit Daniel Hope

Sie verbindet, sie vermit­telt, sie versöhnt: Musik, die die Menschen erreicht, kann, darf und soll poli­tisch sein. Daniel Hope spricht mit Sebas­tian Feydt, Pfarrer an der Dresdner Frau­en­kirche

Daniel Hope: Pfarrer Feydt, 2007 wurden Sie an die Dresdner Frau­en­kirche berufen. Als einer der beiden Pfarrer des Gottes­hauses zählen neben dem regel­mä­ßigen Predigt­dienst, der Ausge­stal­tung verschie­dener geist­li­cher Formate auch Amts­hand­lungen wie Trau­ungen und Taufen sowie die Koor­di­na­tion des viel­fäl­tigen geist­li­chen Lebens der Frau­en­kirche. Welche Rolle spielt die Musik für Sie?

: Die Frau­en­kirche ist ohne Musik nicht denkbar. Als Pfarrer in dieser Kirche werde ich jeden Tag mit wunder­barer Musik beschenkt. In jeder der beiden ­tägli­chen Andachten erklingt die Orgel: Ganz groß wird es, wenn die Stif­tung Frau­en­kirche von Ostern bis Neujahr immer sams­tags zu heraus­ge­ho­benen Konzerten mit Spit­zen­mu­si­kern aus aller Welt einlädt. Noch nie in meinem Berufs­leben habe ich so viel Kraft aus der Musik, insbe­son­dere der sakralen, schöpfen können. Die Musik wurde mir zu einer Quelle der Inspi­ra­tion.

„Die Musik wurde mir zu einer Quelle der Inspi­ra­tion.“

Über die „Peace Academy“ der Frauen­kirche sagten Sie: „Begeis­terte Jugend­liche geben ein Frie­dens­zei­chen aus Dresden. Ihr Enga­ge­ment für Verstän­di­gung, Versöh­nung und Frieden macht die Welt wert­voller.“ Wie zuver­sicht­lich sind Sie, dass dieses Jahr­hun­dert fried­lich verläuft?

Leider gestaltet sich das 21. Jahr­hun­dert nicht fried­lich. Aber das hindert uns nicht daran, selbst zu Frie­dens­stif­tern zu werden. Zusammen mit jungen Menschen fragen wir: „Was können wir heute dafür tun, dass unsere Welt in zehn Jahren fried­voller ist?“ Unter dieser Leit­frage steht auch die jähr­liche Einla­dung an Frie­dens­no­bel­preis­träger, in die Dresdner Frau­en­kirche zu kommen und ihre Vorstel­lung einer demo­kra­ti­schen und die Menschen­rechte achtenden Welt mit uns zu teilen. Insbe­son­dere junge Menschen zeigen uns, wie groß ihr Enga­ge­ment für eine fried­volle, nach­haltig und gerecht gestal­tete Zukunft ist.

„Was können wir heute dafür tun, dass unsere Welt in zehn Jahren fried­voller ist?“

Wie gehen Sie mit dem aktu­ellen nega­tiven Image Sach­sens in den Medien um?

Ich versuche, posi­tive Akzente zu setzen, den Trend umzu­kehren: berüh­rende Bilder des welt­of­fenen und enga­gierten Dresden in die Welt zu senden, wie mit der weih­nacht­li­chen Vesper vor der Frau­en­kirche am Tag vor Heilig­abend. Jähr­lich kommen da ca. 20.000 Menschen zusammen und offen­baren ihre Sehn­sucht: nicht nur vom „Frieden auf Erden“ zu hören, sondern selbst dafür einzu­stehen. Auch die aus der Kirche über­tra­genen Gottes­dienste und Konzerte schaffen ein posi­tives Bild unserer Stadt.

Seit Anfang des Jahres bin ich künst­le­ri­scher Leiter der Frau­en­kirche Dresden. War die Frau­en­kirche immer auch als Konzertort vorge­sehen?

Die Frau­en­kirche ist ein sakraler Raum. Und unter der Kuppel der Kirche gilt, was Sie, Daniel Hope, immer mit Blick nach oben sagen: Wir haben noch einen anderen „Chef“. In der Kirche erklingt Musik zur Ehre Gottes. Und um Menschen Kraft- und Inspi­ra­ti­ons­quelle zu sein. Mit diesem Ziel ist das Gottes­haus im 18. Jahr­hun­dert gebaut und später wieder­auf­ge­baut worden: Um Wort und Musik zusammen klingen zu lassen. Und um viele Menschen einen Reso­nanz­raum für ganz eigene, spiri­tu­elle Erfah­rungen entde­cken zu lassen.

2017 sorgte ein Kunst­werk des syrisch-deut­schen Künst­lers Manaf Halbouni auf dem Dresdner Neumarkt unweit der Frau­en­kirche teil­weise für Irri­ta­tionen. Wie poli­tisch darf Kunst heut­zu­tage sein? 

Wo Kunst Menschen anspricht, vermag sie poli­ti­sche Kraft zu entfalten. Geschieht sie nur um ihrer selbst willen, entzieht sie sich ihre eigent­liche Kraft. Kunst in der wieder­errich­teten Frau­en­kirche ist immer poli­tisch. Das bringt der Ort mit sich. Der Wieder­aufbau der Frau­en­kirche erfolgte mit dem ausdrück­li­chen Ziel, einen Ort der Verstän­di­gung zu schaffen, der als Wahr­zei­chen zu Tole­ranz und Frieden mahnt. 

„Wo Kunst Menschen anspricht, vermag sie poli­ti­sche Kraft zu entfalten.“

Ali al-Abdali gilt als einer der besten Oud-Bauer Arabiens (Anm.: Oud ist eine Kurz­hals­laute aus dem Vorderen Orient). Im Inter­view sagte er: „Im Irak darf man eine Rakete tragen, aber keine Oud. (…) Die Reli­gion hat die iraki­sche Straße fest im Griff. Für sie ist die Oud tabu – eine Sünde, die dich vom Beten ablenkt.“ Kann und darf Musik vermit­teln?

Viele Konflikte und poli­ti­sche Krisen welt­weit werden mit Reli­gionen in Verbin­dung gebracht. Musik ist eine starke Sprache der Verstän­di­gung und kann eine Brücke zwischen Reli­gionen und Konfes­sionen schlagen. Mit ihrer versöh­nenden Kraft ist sie unab­dingbar für das Mitein­ander von Menschen unter­schied­li­cher Glau­bens- und Lebens­hal­tungen. Sei es Beet­ho­vens Neunte Sinfonie, Brit­tens War Requiem, Schost­a­ko­witschs Lenin­grader Sinfonie oder eben die Musik der Oud-Spieler – wenn Musik Versöh­nung und Völker­ver­stän­di­gung voran­bringt, kommt sie ihrer wahren Bestim­mung nach. Wann laden wir diesen Oud-Spieler denn ein? 







Fotos: Thomas Schlorke