Dorothee Oberlinger & Nils Mönkemeyer

Oberlinger & Mönkemeyer

Ein Hauch von Ewig­keit

von Barbara Schulz

11. Juli 2023

Warum erst jetzt, fragt man sich, hört man das Album »Dance for Two« von der Flötistin Dorothee Oberlinger und dem Bratscher Nils Mönkemeyer, denen ein Coup gelungen ist: Was vermeintlich nicht passt, wurde passend gemacht. Eine aufregende Aufnahme und vielleicht die Entdeckung des Jahres.

Es ist ein biss­chen wie Stern­zei­chen­ora­keln: Stein­bock und Löwe, das passt nicht … Brat­sche und Flöte? Vermut­lich auch nicht. Gibt es doch nicht umsonst keinerlei Origi­nal­li­te­ratur für eine Liaison der beiden Instru­mente. Die Flötistin und der Brat­scher beweisen mit ihrem neuen Album Dance for Two das Gegen­teil. Und wenn zwei so neugie­rige wie kluge Musiker sich gemeinsam auf den Weg machen, die Musik seit dem 12. Jahr­hun­dert bis in die Gegen­wart nach geeig­neten Stücken zu durch­forsten, darf man gespannt sein.

Die Flötistin Doro­thee Ober­linger und der Brat­scher Nils Mönke­meyer spielen Dance for Two, op. 96, das für sie kompo­nierte.

Kleiner Komfort an dem Unter­fangen: „Keine Vorbilder zu haben, verschafft einen entschei­denden Vorteil: Man hat alle Frei­heit der Welt“, kommen­tiert Nils Mönke­meyer die unge­wöhn­li­chen und über­ra­schenden Arran­ge­ments, die von über Bach und Bartók bis hin zu und der 1962 gebo­renen Kompo­nistin Konstantia Gourzi reichen. Die in München lebende Grie­chin war es auch, die das einzige Origi­nal­werk für die beiden Instru­mente als Auftrags­ar­beit für die beiden Musiker geschrieben hat. Dance for Two fügt sich in seiner folk­lo­ris­ti­schen Anmu­tung nicht nur wunderbar in die Stück­aus­wahl ein, sondern setzt als letztes der 18 Werke einen Höhe­punkt. Insge­samt aber – und das ist fast ein kleines Wunder – wirken die Stücke wie aus einem Guss. Ob nun Hilde­gard von Bingens O Ecclesia moderner klingt, als man es kennt, oder die zeit­ge­nös­si­schen Werke tradi­tio­neller, lässt sich schwer sagen.

Man schwankt beim Hören zwischen „mal ganz anders“ und „wie sonst sollte man?“, aber es hört und fühlt sich immer richtig an. Weil die beiden der Musik das einhau­chen, was sie im besten Fall ist: zeitlos. Weil die beiden Künstler gefunden haben, worum es ihnen ging und geht: „Musik, die die Zeit über­dauert. Also um einen Hauch von Ewig­keit“, sagt Doro­thee Ober­linger. Die ihrem Instru­ment Töne entlockt, wie man sie viel­leicht noch nie auf einer Flöte gehört hat. Sie gurrt und zwit­schert und träl­lert und kreischt, vor allem im zweiten, Gourzis anderem Stück auf dem Album, messages between trees. Aber sie summt auch und haucht und singt, satt und dunkel, nervös und schrill, dann wieder fast wie in Trance. Nils Mönke­meyer steht ihr in nichts nach: Es grenzt an Akro­batik, wie er seine Brat­sche in allen Lagen ausspielt, wie er von einem Moment auf den anderen spritzig und sanft, kratz­bürstig und geschmeidig, über­mütig und nahezu medi­tativ into­niert. Und ja, er tanzt gera­dezu teuf­lisch auf der Brat­sche. Und dennoch: Manchmal meint man auch, er würde sich galant vor seiner Part­nerin verneigen.

Was nichts zu bedeuten hat im Hinblick auf die Ausge­wo­gen­heit der beiden. Doro­thee
Ober­linger und Nils Mönke­meyer nehmen sich nichts, schenken aber alles – eine tief
empfun­dene Musi­ka­lität, eine schier gren­zen­lose Virtuo­sität, dazu gegen­sei­tige
Wert­schät­zung, Sympa­thie, Bewun­de­rung, Respekt. Davon getragen führen sie einen so
innigen Dialog, wie es nur Menschen können, die ein tiefes Verständnis verbindet – ihre
Demut vor der Musik. Und so tanzen sie als Paar wie aus einem Guss, dennoch aber sehr
indi­vi­duell. Keiner führt, keiner wird geführt. Ob Rock’n’Roll oder Steh­blues: Es ist ein
Tanz auf Augen­höhe.

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Auftrittstermine und weitere Informationen zur Flötistin Dorothee Oberlinger: www.dorotheeoberlinger.de

Auftrittstermine und weitere Informationen zum Bratscher Nils Mönkemeyer: www.nilsmoenkemeyer.com

Fotos: Johannes Ritter