Edita Gruberová

Das Adieu der Königin des Belcanto

von Ruth Renée Reif

18. Oktober 2021

Edita Gruberová hat sich 2020 still von der Bühne verabschiedet. Ihr letzter Auftritt in Geatano Donizettis „Roberto Devereux“ wurde zu ihrem letzten Auftritt. Am 18. Oktober 2021 starb sie.

Fünf Jahr­zehnte stand Edita Gruberová auf der Bühne. Ihre Leiden­schaft und ihre Hingabe galten dem Belcanto. Jene Kunst völliger Stimm­be­herr­schung, raffi­nierter Verzie­rungen und Kolo­ra­turen bestimmte ihren Weg. Sie war über­zeugt, dass diese Musik für ihre Stimme geschrieben sei. 1946 in geboren, erlebte sie eine schwere Jugend in der Tsche­cho­slo­wakei. Ihr Vater wurde als Anti­kom­mu­nist wegen „Landes­ver­rats“ zu fünf Jahren Gefängnis verur­teilt und war nach seiner Frei­las­sung ein gebro­chener Mann. Als Tochter eines Anti­kom­mu­nisten, die sich selbst eben­falls der Partei­mit­glied­schaft verwei­gerte, blieb ihr nach ihrer Ausbil­dung am Konser­va­to­rium ihrer Heimat­stadt nichts anderes übrig, als in die Provinz zu gehen. Am Opern­haus der kleinen mittel­slo­wa­ki­schen Stadt Banská Bystrica begann sie 1968 ihr erstes Enga­ge­ment, ehe sie hoch­schwanger mit ihrem Mann, dem mitt­ler­weile verstor­benen Musik­wis­sen­schaftler Štefan Klimo, und ihrer Mutter nach flüch­tete.

Ernst Fuchs setzte Edita Gruberová als Königin der Nacht auf einem Gemälde ein malerisches Denkmal
Der Maler Ernst Fuchs porträ­tierte 1989/1990 Edita Gruberová als Königin der Nacht auf einem Gemälde.
(Das Gemälde befindet sich in der Samm­lung Gruberová, .)

1970 debü­tierte sie als Königin der Nacht in Mozarts Zauber­flöte an der , wo sie in den sieb­ziger Jahren zur Prima­donna des Hauses aufstieg. Hier erlangte sie 1976 mit der Arie der Zerbi­netta in « Oper Ariadne auf , einer der schwie­rigsten Arien, die je für Kolo­ra­tur­so­pran geschrieben wurden, den Durch­bruch zum Welt­ruhm. Zwei Jahre darauf sang sie – eben­falls an der Wiener Staats­oper –unter der musi­ka­li­schen Leitung von Giuseppe Patanè und in der Insze­nie­rung von Boleslaw Barlog die Titel­partie in Doni­zettis Oper Lucia di Lammer­moor und wurde als Sensa­tion gefeiert. Ihr Biograf Niel Rishoi zitiert einen Wiener Kritiker, der von einer „fulmi­nanten Lucia“ schrieb und Gruberová als „Natur­be­ga­bung für hals­bre­che­ri­sche Kolo­ra­turen“ bezeich­nete. 1988 sang sie die Partie an der Metro­po­litan Opera in und 1989 in Zürich.

Wieder­ent­de­ckungen kaum gespielter Belcanto-Opern

1991 war sie in dieser Rolle auch an der Baye­ri­schen Staats­oper zu erleben, wo sie 1985 in der Titel­partie von Masse­nets Oper Manon Lescaut trium­phiert hatte. „Man hörte gewis­ser­maßen zu atmen auf. Das Premie­ren­pu­blikum wurde ganz still“, kommen­tierte die Auffüh­rung. „Ich habe die Callas und die Suther­land noch in großen Belcanto-Partien erleben dürfen: die Leis­tung der Gruberová am 19. Oktober 1991 in kam dem zumin­dest gleich – ja, war eigent­lich noch zwin­gender.“

Edita Gruberová als Elisabetta an der Wiener Staatsoper
Auch eine schau­spie­le­ri­sche Heraus­for­de­rung: Edita Gruberová an der Wiener Staats­oper als Elisa­betta in Doni­zettis Oper Roberto Devereux, die sie 1990 wieder­ent­deckt hatte

Mit Wieder­ent­de­ckungen kaum gespielter Belcanto-Opern wie Gaetano Doni­zettis Linda di Chamounix oder Vincenzo Bellinis Beatrice di Tenda beför­derte Gruberová den Belcanto-Boom der folgenden Jahre. Dass es ihr gelang, ihre Stimme über all die Jahre zu bewahren und die Partie der Lucia noch 25 Jahre nach ihrem Rollen­debüt in einer Jubi­lä­ums­auf­füh­rung an der Wiener Staats­oper erneut zu singen, führt sie vor allem auf ihre Technik zurück. Auch habe sie immer darauf geachtet, nur bestimmte Rollen anzu­nehmen, und das nicht zu früh. So gab sie erst 2006 an der Baye­ri­schen Staats­oper ihr Rollen­debüt als Norma in Bellinis gleich­na­miger Oper.

Zahl­lose ergrei­fende Bühnen­tode

Am liebsten habe sie immer Opern gesungen, in denen sie am Schluss sterbe, bekannte sie einmal. Zahl­lose ergrei­fende Bühnen­tode ist sie im Laufe ihrer Karriere gestorben. Als Violetta wurde sie von der Schwind­sucht dahin­ge­rafft, als Anna Bolena ging sie ihrer Hinrich­tung entgegen, als Lucia verfiel sie in geis­tige Umnach­tung und als Manon Lescaut hauchte sie in den Straßen von Le Havre ihr Leben aus. Sterben musste sie auch in ihrer letzten großen Rolle als Elisa­betta in Roberto Devereux. 1990 entdeckte Gruberová diese bis dahin kaum gespielte Oper Doni­zettis und sang die Partie der Elisa­betta am Teatro Liceo in . „Das ist die erste Oper, in der ich eine alte Frau spiele, die noch dazu einen jungen Mann liebt“, erklärte sie anläss­lich von Silviu Purca­retes Insze­nie­rung des Werkes im Mai 2002 an der Wiener Staats­oper. Über diesen jungen Geliebten Roberto Devereux verhängt Elisa­betta am Ende das Todes­ur­teil, ehe die Reue sie über­mannt und sie, heim­ge­sucht von schreck­li­chen Visionen des Enthaup­teten, zusam­men­bricht und stirbt. Dieser drama­ti­sche Bühnentod wurde zum Bühnen­ab­schied der groß­ar­tigen Sängerin. Am 18. Oktober starb sie im Alter von 74 Jahren in Zürich.

Zahl­reiche Aufnahmen mit Edita Gruberová zum Anhören gibt es in der NML.