Leonie Klein
Eine der Besten ihres Schlags
von Stefan Sell
6. Dezember 2018
Eigentlich wollte Leonie Klein Balletttänzerin werden. Bis sie mit fünf Jahren einem Schlagzeuglehrer begegnete. Seither ist der Rhythmus ihr Leben.
Eigentlich wollte Leonie Klein Balletttänzerin werden. Bis sie mit fünf Jahren einem Schlagzeuglehrer begegnete. Seither ist der Rhythmus ihr Leben.
Sie weiß genau, was sie will: „Ich stelle mir zuerst den Klang vor, nicht den Schlag, der den Klang auslöst. Von dieser Klangvorstellung aus entwickle ich die Bewegung, die ich zu machen habe, um diesen Klang zu erreichen. Er muss nicht aus einem Schlag kommen, es kann auch einfach nur eine Berührung sein, egal wie, der Klang muss immer im Vordergrund stehen.“
Leonie Klein ist erst 25 und hat schon viel erreicht: Nicht nur, dass sie früh zu trommeln begann – bereits zwei Jahre vor ihrem Abitur war sie Vorschülerin auf der Hochschule für Musik in Karlsruhe. Inzwischen hat sie ihren Bachelor, macht jetzt den Master für „Schlagzeug“ wie auch den Master für „Musikjournalismus für Rundfunk und Multimedia“. Damit nicht genug, arbeitet sie auch an ihrer Doktorarbeit. Leonie Klein ist auf dem Weg, in der Neuen Musik eine der Besten ihres Schlags zu werden.
Für ihr CD-Debüt hat sie sich ein schwer zu stemmendes Repertoire ausgesucht, das sie gut vorbereitet mit großer Leichtigkeit eingespielt hat. Ja, man gewinnt den Eindruck, die diffizile und schwer zu spielende Komplexität der Musik beginnt unter ihren Händen zu tänzeln wie Laub auf den strudelnd sprudelnden Wellen eines Baches: Es perlt, gluckst, säuselt, und jeder Schlag wird zum Klang – ein Album, das schon beim ersten Hören überraschend meditativ anmutet. Klein kitzelt aus jeder kleinen Kompositionsanweisung das Größtmögliche heraus. Das muss nicht laut oder leise sein, es muss klingen, tönen, schwingen, singen. Und vor allem im Herzen des Zuhörers ankommen.
Es perlt, gluckst, säuselt, und jeder Schlag wird zum Klang – ein Album, das schon beim ersten Hören überraschend meditativ anmutet.
„Ich stelle mir zuerst den Klang vor, nicht den Schlag, der den Klang auslöst“
„Ich habe alle Stücke selbst vorgeschlagen und gewusst, dass es eine lange Vorbereitungszeit braucht, wenn man sie so spielen will, dass sie die eigene Handschrift tragen. Für Zyklus von Stockhausen habe ich ein ganzes Jahr gebraucht.“ Stockhausen überlässt im Zyklus dem Interpreten, wo er beginnt und endet, doch einmal angefangen, hat er der Partitur zu folgen. Wie ist es ihr gelungen, daneben auch noch das große Instrumentarium im Blick zu behalten? „Das ist eine gute Frage!“, lächelt sie. „Ich habe alles auswendig eingespielt, das ganze Album. Gerade bei Stockhausen gibt es exakt vorgeschriebene Teile und freie Elemente, die jeder Spieler nach bestimmten Regeln dort einsetzen kann, wo er will. Ich habe mir die Mühe gemacht, mir die Stellen, die ich frei gestalten kann, aus der Partitur auszuschneiden, um sie in dafür vorgesehene Raster zu kleben. So habe ich mir meine eigene Partitur erstellt und die komplett auswendig gelernt, Klang für Klang, Bewegung für Bewegung. Das In-und-auswendig-Kennen schenkt mir Freiheit. Ich kann mich anders bewegen, als wenn ich ständig in die Noten gucken muss, wo ich weiterspielen soll.“
Der ungarische Komponist Péter Eötvös beschrieb sich selbst einmal sehr bildlich als „Testpilot“ für Neue Musik. Wie aber würde sich dann Leonie Klein bezeichnen? Ganz einfach: „Testpiloten hat’s genug. Eötvös ist Komponist, ich bin Interpretin und versuche das, was die Testpiloten auf die Beine gestellt haben, an die Leute zu bringen.“ Sie lacht, wie sie überhaupt viel lacht, und zeigt damit, dass ernste Musik nicht immer ernst sein muss. Um aber im Bild zu bleiben: Ist sie also für den Linienflug zuständig, damit die Musik ankommt? „Ja, genau, der Interpret hat die Aufgabe so zu phrasieren, dass eine wirkliche Musikalität entsteht, von der sich ein Publikum angesprochen fühlt.“