????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????????

Genova & Dimitrov

Love, Love, Love…

von Katherina Knees

1. Februar 2021

Aglika Genova und Liuben Dimitrov sitzen seit 25 Jahren als Klavierduo gemeinsam an den Tasten. Zum Jubiläum haben sie ein Doppelalbum mit Sergei Rachmaninows Werken für Klavier-Duo veröffentlicht. Im Gespräch erzählen sie von ihrer Liebe, ihrem Glauben und ihrer Erfüllung in der Musik.

Die derzeit erzwun­gene Digi­ta­li­sie­rung hat nicht nur Nach­teile. Nein, denn tatsäch­lich kann man die Menschen direkt in ihrem Zuhause besu­chen. Und so erscheinen zu unserem Skype-Termin Aglika und Liuben Dimitrov auf dem Bild­schirm, und wir stecken sehr schnell und unmit­telbar mitten in einem ausge­spro­chen ange­regten und fröh­li­chen Gespräch.

Insge­samt drei Flügel stehen zu Hause in dem großen Haus der beiden Pianisten im Schaum­burger Land. Dort können die Musiker sich auch mal bis zwei Uhr nachts in die Musik vertiefen, das stört hier keinen – im Gegen­teil. Wenn es vor lauter Begeis­te­rung für die Vorbe­rei­tung einer neuen CD-Aufnahme statt Weih­nachts­essen nur Tief­kühl­pizza gibt, weil das Paar sich nicht von den Tasten trennen kann, dann passiert es schon mal, dass die Nach­barn plötz­lich klin­geln und einen Korb voller feinster Verpfle­gung vor die Tür stellen, erzählt Aglika Genova strah­lend. Die Musik bestimmt den Alltag.

Aglika Genova und Liuben Dimitrov gemeinsam am Flügel im WDR3 Studio bei Sergei Rach­ma­ni­nows Scherzo aus Duette für Klavier zu vier Händen op. 11

Bevor die beiden zum Duo wurden, waren sie hinter den Kulissen bereits seit fünf Jahren ein Paar – und eigent­lich Konkur­renten. Als blut­junge und ehrgei­zige bulga­ri­sche Studenten in der Klasse von Professor Wladimir Krainew in erfüllte sich für Aglika Genova und Liuben Dimitrov ein Traum, denn nur die besten der Welt wurden in dieser Klasse aufge­nommen. Doch dann kam alles ein biss­chen anders. Während der Vorbe­rei­tung auf einen Solo­wett­be­werb übte das junge Liebes­paar notge­drungen gleich­zeitig eine Chopin- Etüde an zwei Instru­menten in einem Raum, und so geschah es, dass die beiden das gemein­same Spiel an zwei Flügeln für sich entdeckten – und kome­ten­artig als Duo Karriere machten. 

Genova und Dimitrov

»Ohne das Durch­hal­te­ver­mögen in den Wett­be­werben und die strenge Schule von Hein­rich Neuhaus und Vladimir Krainev hätten wir vieles später nicht geschafft.«

Ob an zwei Instru­menten oder an einem Flügel zu vier Händen – sie ließen sich vom Reper­toire für Klavierduo im Sturm erobern, und auch Professor Krainev war begeis­tert von seinen begabten Schütz­lingen und unter­stützte sie auf ihrem neuen Weg. Vier große inter­na­tio­nale Klavierduo-Wett­be­werbe konnten Aglika Genova und Liuben Dimitrov inner­halb von zwei Jahren für sich entscheiden: In Miami, , im italie­ni­schen Calta­nis­setta und beim renom­mierten ARD Wett­be­werb in über­zeugten sie die Jury tech­nisch und musi­ka­lisch auf ganzer Linie.

„In so einem Wett­be­werb erlebt man kompri­miert inner­halb von zwei Wochen alles, was danach im musi­ka­li­schen Leben auf einen wartet”, erklärt Liuben Dimitrov. „Ohne das Durch­hal­te­ver­mögen, das wir in den Wett­be­werben gelernt haben und ohne das, was wir durch die strenge Schule von Hein­rich Neuhaus und Vladimir Krainev gelernt haben, hätten wir vermut­lich vieles später nicht geschafft.” Und Aglika Genova erin­nert sich: „Beim Wett­be­werb in Miami gab es zum Beispiel fünf Durch­gänge, mit Orches­ter­be­glei­tung, mit Kammer­musik, da musste man alles spielen. Lachend fügt ihr Mann hinzu: „Ja, und das bei 100 Prozent Luft­feuch­tig­keit und Sonne bis zum geht nicht mehr.”

Die beiden haben sich ihren Erfolg ehrgeizig erkämpft, zuerst mit dem Sprung von nach Hannover, dann in uner­müd­li­cher musi­ka­li­scher Arbeit zu zweit. Inspi­ra­tion beim Umgang mit Leis­tungs­druck haben die beiden unter anderem im Spit­zen­sport gefunden. Auch in diesem Umfeld bereiten sich die Athleten zum Teil Monate oder Jahre lang auf einen Wett­kampf vor, in dem sich in wenigen Minuten alles entscheidet. 2002 spielte das Klavierduo passen­der­weise bei der Eröff­nung der Olym­pi­schen Winter­spiele in Salt Lake City. Seitdem steht vor dem Konzert für die beiden Musiker immer Apfel­schorle und Pasta auf dem Spei­se­plan, um kurz vor dem Auftritt, genau wie die profes­sio­nellen Spit­zen­sportler, vom unmit­tel­baren Kick aus Zucker und Kohlen­hy­draten zu profi­tieren. 

Genova und Dimitrov

»Gottes Kraft steht für uns an erster Stelle, aus dieser Kraft strömt alles andere. Deshalb sind wir immer von Musik und Liebe umgeben.«

Bei aller Karrie­re­pla­nung und allen großen Erfolgen, sind Aglika Genova und Liuben Dimitrov in den letzten drei Jahr­zehnten als Paar eben­falls immer enger zusam­men­ge­wachsen. „Wir erleben unsere Bezie­hung auch über die Musik, das macht auch die Liebe noch inten­siver”, sagt Liuben Dimitrov. Über die Frage, welche der beiden Kräfte denn die größere ist, müssen sie erst einmal nach­denken. „Wir beide sind sehr gläu­bige Menschen”, sagt Aglika Genova. „Gottes Kraft steht für uns an erster Stelle, aber aus dieser Kraft strömt dann alles andere. Deshalb sind wir immer von Musik und Liebe umgeben. Love, love, love – überall, wissen Sie…” Die Pianistin lacht. „Das ist für uns aber alles immer mit Gottes Gnade verbunden. Ohne Gott und ohne Musik wären wir verloren.” 

Während viele Musiker gerne aufnehmen, was sie gerade auf Tournee für das Publikum gespielt haben, ist für Aglika Genova und Liuben Dimitrov jedes neue CD-Projekt wie ein eigenes Kind. Der musi­ka­li­schen Ausein­an­der­set­zung, die den Aufnahmen voraus­geht, widmen sie sich jedes Mal mit großer Sorg­falt. „Wir vergessen dann für eine gewisse Zeit völlig die Welt um uns herum”, sagt Liuben Dimitrov. Im Januar haben die beiden Pianisten die Aufnahmen für ihr neues Album mit Werken der ameri­ka­ni­schen Kompo­nistin Amy Beach beendet, es ist bereits das 17. Album, das sie gemeinsam einge­spielt haben, darunter 11 Konzerte mit Orchester.

Genova und Dimitrov

»Wir versu­chen, so nahe wie möglich an die Seele des Kompo­nisten heran­zu­kommen, damit wir die Musik nicht nur verstehen, sondern auch erfühlen.«

Gerade wenn man das Gesamt­werk eines Kompo­nisten aufnimmt, lernt man ihn als Künst­ler­per­sön­lich­keit noch einmal beson­ders intensiv kennen. Solo­werke von Liszt hatten beide schon während ihrer Kind­heit in Bulga­rien gespielt, doch während der Aufnahmen für ihr Liszt-Album wurde ihnen erst die ganze Palette an Emotionen bewusst, die in seiner Musik für Klavierduo steckt. „Wir versu­chen, so nahe wie möglich an die Seele des Kompo­nisten heran­zu­kommen, damit wir die Musik nicht nur verstehen, sondern auch erfühlen”, sagt Liuben Dimitrov voller Begeis­te­rung. „Als wir Rach­ma­ninow aufnahmen, vertieften wir uns so in sein Leben und lasen so viel über ihn, dass wir sogar manche seiner Ausdrucks­weisen im Alltag über­nahmen”.

Wenn zwei Solisten sich als Klavierduo zusam­mentun, muss jeder einen Schritt zurück­treten und sich auf eine gleich­be­rech­tigte Rolle an den Tasten einlassen. Für Aglika Genova und Liuben Dimitrov ist es als Paar Ehren­sache, sich gegen­seitig zu unter­stützen und auch musi­ka­lisch immer wirk­lich gemein­same Sache zu machen. „Wir sind bereits als Kinder in Bulga­rien in Wett­be­werben gegen­ein­ander ange­treten”, erzählt Liuben Dimitrov lächelnd. „Wenn ich damals mitbe­kommen habe, dass Aglika sich für denselben Wett­be­werb ange­meldet hatte, wusste ich immer ‚Oh Mann, jetzt sollte ich noch ein biss­chen mehr üben.«” Beide lachen. „Sie war damals meine ernst­haf­teste Konkur­rentin. Heute ist sie für mich in jedem Sinne die stärkste Frau, die ich kenne.”

Genova und Dimitrov

»Für uns ist es zu jeder Zeit wichtig, alles tief­gründig zu analy­sieren. Wir setzen uns immer die höchsten Ziele.«

Das Leben als Klavierduo ist äußerst viel­seitig. Ob die beiden Musiker beim Spielen vier­händig an einem Instru­ment sitzen oder jeder einen Flügel für sich hat, macht für sie einen Riesen­un­ter­schied. In Werken für zwei Klaviere klingen die Instru­mente wie ein ganzes Orchester, die Klang­farben haben große Dimen­sionen. Beim Spiel zu vier Händen muss man dagegen anders mit der Dynamik und der musi­ka­li­schen Gestal­tung umgehen. „Ohne die rich­tige Pedal­kunst verschwimmt beim vier­hän­digen Spiel schnell alles”, erklären die Pianisten. Die Bril­lanz und Trans­pa­renz jedoch in jedem Moment perfekt auszu­ba­lan­cieren, das sei in den Proben die aufwen­digste Ange­le­gen­heit. „Ich sage immer, mein Mann ist der Master der Peda­li­sie­rung”, lacht Aglika Genova. „Für uns ist es zu jeder Zeit wichtig, alles tief­gründig zu analy­sieren und profes­sio­nell an alle Projekte heran­zu­gehen. Wir setzen uns immer die höchsten Ziele.”

>

Auftrittstermine und weitere Informationen unter: pianoduo.info