Auro-3D-Technik

Gottes ­Stimme

von Alexander Rapp

7. Dezember 2018

Der Organist Peter Kofler spielt Bach mit neuer Technik ein. Mit der Auro-3D-Technik macht er sein Projekt „Opus Bach“ zu einem ganz neuen Klangerlebnis.

Der Orga­nist Peter Kofler spielt in der Münchner Micha­els­kirche Bach mit neuer Technik ein. Mit der Auro-3D-Technik macht er sein Projekt „Opus Bach“ zu einem ganz neuen Klang­er­lebnis.

Seit der Erfin­dung der stereo­fonen Aufnahme in den 1960er-Jahren ermög­licht die Audio­technik eine Hörerfah­rung, die die tatsäch­li­chen räum­li­chen Gege­ben­heiten des Live­kon­zerts abbildet. Ja, noch mehr: Bei beson­ders gelun­genen Aufnahmen, ­abge­spielt in einem entspre­chenden Setting, kann diese Erfah­rung das Original sogar über­treffen und gera­dezu über­na­tür­lich werden. Lange war Stereo das Maß aller Dinge. Bis das Format erwei­tert wurde, was tatsäch­lich vom Kino ausging, als 1978 mit „Superman“ zum ersten Mal ein Film für ein Surround Setup mit 5plus1-Kanälen produ­ziert wurde.

Die räum­liche Auflö­sung unserer Ohren ist so diffe­ren­ziert, dass wir erkennen, aus welcher Rich­tung ein Geräusch kommt. Um dies in der Audio-Wieder­gabe zu simu­lieren, werden die akus­ti­schen Lauf­zeiten von der Schall­quelle zum Ohr mit verteilten Laut­spre­chern vor und hinter dem Hörer wieder­ge­geben. Während der klas­si­sche 5.1‑Surround-Klang in einer Ebene ange­ordnet ist, nahm sich die nächste Erwei­te­rung der Mehrkanal­wiedergabe der verti­kalen Dimen­sion an. Die neuesten Verfahren wie Dolby Atmos und Auro-3D treiben diese Entwick­lung auf die Spitze: Bei Auro-3D kommen neben den 5.1‑Kanälen noch vier Kanäle in einer über dem Hörer gele­genen Ebene hinzu sowie ein Laut­spre­cher direkt über dem Kopf, der von den Entwick­lern bescheiden „Voice of God“ genannt wird. Schon seit Dezember 2014 sind Auro-3D-fähige AV Receiver ab ca. 1.000 Euro zu haben. Natür­lich braucht man für die Wieder­gabe der 10plus1-Kanäle ­auch ebenso viele Laut­spre­cher, einen davon in der Decke über dem Hörplatz.

„Eine neue Dimen­sion räum­li­cher Wahr­neh­mung erschließt sich: Wände und Decken des eigenen Wohn­zim­mers verschwinden“

Der Gewinn, den man dadurch erhält, ist einzig­artig. Mir persön­lich erschloss er sich beim Hören der ersten Aufnahmen des Projekts „Opus­Bach“, das diese Tech­no­logie nutzt. Der Orga­nist der Münchner Micha­els­kirche spielt unter diesem Titel das gesamte Orgel­werk Bachs ein. „Ausgangs­punkt bei alledem war die Über­le­gung, dass eine Orgel zual­ler­erst into­niert ist für den Hörer im Kirchen­raum“, sagt Tonmeister Martin Fischer, der für die tech­ni­sche Seite des Projekts verant­wort­lich zeichnet. Er hat für die Aufnahme auf der 2011 von Orgelbau Rieger reor­ga­ni­sierten und erwei­terten Orgel in St. Michael eine Mikro­fo­nie­rung erar­beitet, die nicht nur die Farbig­keit der mit 75 Regis­tern ausge­stat­teten Orgel in für das Verständnis der Bach’schen Poly­fonie nötiger Trans­pa­renz einfängt, sondern auch den Kirchen­raum hörbar werden lässt. Durch den zusätz­li­chen Laut­spre­cher in der Decke erschließt sich eine neue Dimen­sion räum­li­cher Wahr­neh­mung: Wände und Decke des eigenen Wohn­zim­mers verschwinden und werden noch mehr als mit bishe­rigen Wieder­ga­be­ge­räten zu Konzert­sälen, Open-Air-Bühnen oder eben zur Münchner Micha­els­kirche.

Zum Glück kann man auch auf einfa­chen Stereo­an­lagen in den Genuss der diffe­ren­zierten Inter­pre­ta­tion Koflers kommen, da die Auro-3D-
Formate sich auch dort abspielen lassen. Das Projekt „Opus Bach“ ist in Werk­gruppen geglie­dert, die im Halb­jah­res­rhythmus veröf­fent­licht werden. Das Programm des Volume 1 orien­tiert sich an Felix Mendels­sohns Leip­ziger Bach-­Kon­zert vom 6. August 1840, das den Anfang der Bach-Renais­sance markiert. Auch die weiteren Volumes, von denen bisher drei erschienen sind, präsen­tieren in sich geschlos­sene Programme mit entspre­chender musi­ka­li­scher Drama­turgie. So erschließt sich Bachs Orgel­werk orga­nisch, ohne die sonst häufig anzu­tref­fende akade­mi­sche Glie­de­rung nach Gattungen. Und all dies in bisher nicht dage­we­sener Klang­qua­lität. Einge­denk des Bach’schen Mottos: Gottes Stimme allein zur Ehre!

Fotos: Walter Glück