Gottlieb Muffat
Beinahe vergessen – Gottlieb Muffat zum 250. Todestag
von Ruth Renée Reif
8. Dezember 2020
Gottlieb Muffat wäre wohl in Vergessenheit geraten, hätte Händel ihn nicht beklaut. So undeutlich verschwommen wie sein Bild, ist auch das Wissen über ihn und sein Werk. Am 9. Dezember 2020 jährt sich sein Todestag zum 250. Mal.
Gottlieb Muffat hätte vermutlich das Schicksal vieler Komponisten seiner Zeit geteilt. Er wäre nie in einem Musiklexikon aufgetaucht. Warum er dennoch in Erinnerung blieb, könnte mit Georg Friedrich Händel zusammenhängen. Dieser war bekannt dafür, sich gelungene melodische Wendungen oder Motive und Themen anderer Komponisten kurzerhand anzueignen, und er bediente sich auch am Werk Gottlieb Muffats. So verarbeitete er etwa in seinen Concerti grossi op. 6 sowie in einigen Oratorien Melodien von Gottlieb Muffat.
Was von Gottlieb Muffat auf uns kam, sind Kompositionen für Orgel und Cembalo. Manche betrachten Muffat sogar als einen der wichtigsten Komponisten für Tasteninstrumente im Wien der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und als einen der ersten, dessen Werke ausgeprägt österreichische Eigenheiten aufwiesen. Die Pianistin Naoko Akutagawa nahm 2013 und 2019 zwei Alben mit Cembalo-Kompositionen von Gottlieb Muffat auf.
Gottlieb Muffat: „Componimenti Musicali“, Naoko Akutagawa (2013, Naxos), in Premium-Soundqualität anhören (exklusiv für Abonnenten)
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Gottlieb Muffat: „Suites for Harpsocord“, Naoko Akutagawa (2019, Naxos), in Premium-Soundqualität anhören (exklusiv für Abonnenten)
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Ob Muffat tatsächlich vor allem für Cembalo schrieb, oder ob seine anderen Werke verlorengingen, bleibt ungeklärt. 2015 erschien eine umfangreiche Dissertation von Alison J. Dunlop über das Leben und Werk Muffats. Tragischerweise starb Dunlop im Alter von nur 28 Jahren, noch bevor sie ihre Arbeit gedruckt in Händen halten konnte. Sie sah Gottlieb Theophil Muffat, der am 25. April 1690 als jüngster Sohn des Komponisten Georg Muffat in Passau getauft wurde, als den wahrhaften Erben des Genies seines Vaters an. Wie sie berichtet, soll er bereits mit zehn Jahren dem Kaiser in Wien auf dem Cembalo vorgespielt haben. Nach dem Tod des Vaters soll Gottlieb Muffat nach Wien übersiedelt sein, wo Johann Joseph Fux seine weitere Ausbildung übernahm.
Am Kaiserhof in Wien
1714 wurde Gottlieb Muffat von Amalia Wilhelmina, der Witwe Kaiser Joseph I., eingeladen. Amalia Wilhelmina lebte im Sommer im Schloss Schönbrunn, das ihr als Witwensitz zugewiesen war und im Winter in einem Teil der Hofburg, der nach ihr Amalienburg genannt wurde. Ihr Hofkapellmeister war Fux, und so ging ihre Einladung vermutlich auf seine Empfehlung zurück.
Drei Jahre später engagierte Kaiser Karl VI. Gottlieb Muffat mit einem jährlichen Salär als kaiserlichen Hof- und Kammerorganisten. Karl VI. hatte in der Nachfolge seines Vaters Joseph I. die Regierung übernommen und war ein großer Mäzen der Künste. Als Musiklehrer der kaiserlichen Familie gab Gottlieb Muffat auch Fürstin Maria Theresia, der späteren Gemahlin von Kaiser Franz Stephan, Unterricht.
Im Stephansdom beerdigt
Aus den folgenden Jahren gibt es Hinweise auf eine Reise nach Prag 1723, wo Karl VI. zum König Karel II. von Böhmen gekrönt wurde. Zur Aufführung kam damals in einem Freilufttheater im Hof der Prager Burg die Oper Costanza e Fortezza (Beständigkeit und Stärke) von Fux. 1741 reiste Gottlieb Muffat nach Bratislava, der Krönungsstadt, wo Maria Theresia nach dem Tod Karl VI. im Martinsdom zur Königin von Ungarn gekrönt wurde.
Über das Privatleben Gottlieb Muffats soll kaum etwas überliefert sein. Er heiratete eine Maria Rosalia, hatte fünf Kinder, von denen zwei bereits im Kindesalter starben und nur der Sohn Franz Joseph Musiker wurde. Mitte der 1750er-Jahre konnte er seine Aufgaben am Hof wohl nicht mehr erfüllen, und 1764 wurde er pensioniert. Gestorben ist er in seiner Wiener Wohnung Ecke Weihburggasse 2, Kärntnerstraße 13, wie eine Tafel anzeigt. Beerdigt wurde er im Stephansdom.