Günter Steffen

Endzeit­stim­mung

von Mario-Felix Vogt

16. Januar 2022

Günter Steffen zeigt in dem Band „Die Hauptstadt – The Capital“ Fotografien von Ost-Berlin aus den Jahren 1984 bis 1989.

Wer heute die schick sanierten Grün­der­zeit­fas­saden im Prenz­lauer Berg bewun­dert, kann sich kaum vorstellen, wie es in Ost-Berlin zur Endphase der SED-Herr­schaft aussah. Nun ist ein Bild­band erschienen, der die Atmo­sphäre jener Zeit eindrucks­voll doku­men­tiert. Zwischen 1984 und 1989 hat der Foto­graf bei ausge­dehnten Streif­zügen durch das Ost-Berliner Zentrum scheinbar unbe­lebte Straßen, Hinter­höfe und Ruinen mit seiner Klein­bild­ka­mera in Schwarz­weiß einge­fangen.

Ostberlin vor der Wende
Die nach dem bulga­ri­schen Minis­ter­prä­si­denten Georgi Dimitroff benannte U‑Bahn-Station Dimitroff­straße in Prenz­lauer Berg trägt heute den Namen Ebers­walder Straße.
Foto aus dem Band „Die Haupt­stadt – The Capital“ von Günter Steffen

Viele dieser Szenen vermit­teln in ihrer Aura von Tris­tesse und Geis­ter­haf­tig­keit eine abso­lute Endzeit­stim­mung. Noch verstärkt wird diese durch Text­frag­mente aus dem Roman Wir, den der sowjet­rus­si­sche Schrift­steller Jewgenij Samjatin 1920 verfasste. Samjatin beschreibt einen tota­li­tären und brutalen Über­wa­chungs­staat mit gläsernen Häusern und nahm damit Aldous Huxleys Brave New World und George Orwells 1984 vorweg.