Hania Rani & Dobrawa Czocher
Ein Zeichen der Hoffnung
von Corina Kolbe
19. Dezember 2021
Die Pianistin Hania Rani und die Cellistin Dobrawa Czocher legen mit „Inner Symphonies“ ein gemeinsames Album ausschließlich eigener Kompositionen vor. Vorbereitet und aufgenommen während des Lockdowns, soll es Hoffnung und Trost bringen in Zeiten der Pandemie.
Für musikalische Experimente ist das junge polnische Duo immer offen. Was Hania Rani und Dobrawa Czocher in Berlin erlebten, war aber noch einmal etwas Neues. Auf einer Wiese vor dem Berliner Kulturquartier Silent Green, einem ehemaligen Krematorium, traten sie vor einem Publikum auf, das ihnen beim Picknick über Kopfhörer lauschte. Eine interessante Erfahrung, finden beide.
Nicht nur Veranstalter, sondern auch Musiker müssen in diesen Pandemiezeiten besonders kreativ sein. Rani und Czocher konnten die konzertfreien Monate immerhin dazu nutzen, ihr Album „Inner Symphonies“ vorzubereiten. „Zunächst wusste ja niemand, wie es im Lockdown weitergehen würde“, sagen sie. „Wir hatten allerdings schon vorher geplant, in der Philharmonie in Szczecin ein Album mit eigenen Kompositionen aufzunehmen. Nun hatten wir viel Muße, intensiv daran zu arbeiten.“ Sie trafen sich im Haus von Ranis Eltern in Gdańsk (Danzig), um gemeinsam an den Stücken zu feilen. „Normalerweise lebe ich in Warszawa, und Dobrawa spielt bei den Filharmonia w Szczecinie (Stettiner Philharmonikern)“, erzählt Rani. „Über diese Distanz hinweg hätten wir uns nicht so gut austauschen können.“
Czocher kam mit 13 Jahren aus der Kleinstadt Tczew nach Gdańsk, um ihr Cellostudium fortzusetzen. Dort traf sie Rani, damals 14, die sich gerade auf eine Karriere als Pianistin vorbereitete. „Wir merkten, dass wir gut zusammenspielen und traten oft im Klaviertrio auf, mit einem rein klassischen Repertoire.“ Rani studierte dann weiter in Berlin, Czocher in Detmold. „Jede von uns war erst einmal auf ihre eigenen Pläne konzentriert, wir sahen uns nur ab und zu bei Konzerten. Als wir später beide in Warszawa lebten, nahmen wir irgendwann unser erstes gemeinsames Projekt mit eigenen Arrangements in Angriff.“
Hania Rani: »Wir waren immer neugierig, hörten unterschiedliche Musik und gingen zu allen möglichen Konzerten.«
Daraus entstand das Album „Biała flaga“ (Weiße Fahne) mit Bearbeitungen von Songs der polnischen Rocklegende Grzegorz Ciechowski, einst Frontmann der Band Republika. Damit feierte das Duo 2015 gleich einen großen Erfolg. „Wir haben uns in diese Arbeit gestürzt, obwohl wir auf dem Gebiet eigentlich noch keine Erfahrung hatten“, erinnert sich Rani. „Wir waren aber immer neugierig, hörten unterschiedliche Musik und gingen zu allen möglichen Konzerten.“
Ihr wurde aber bald bewusst, dass sie musikalisch neue Wege gehen wollte. Beim Komponieren für das Klavier begann Rani, sich mit verschiedenen musikalischen Genres jenseits der Klassik auseinanderzusetzen. Ihr international erfolgreiches Debütalbum „Esja“ nahm sie teils in Reykjavík auf, ganz unter dem Eindruck der wilden Natur Islands.
Dobrawa Czocher: »Es gibt keine starren Grenzen zwischen den Musikstilen. Alles hängt von unserer individuellen Wahrnehmung ab.«
Ähnliche Expeditionen haben Rani und Czocher nun auch als Duo unternommen. Ihre Musik passt in keine der üblichen Schubladen. Aber was bedeutet heute eigentlich der Begriff „klassische Musik“? „Die Leute wollen halt überall ein Etikett aufkleben, weil es so einfacher ist“, meint Czocher. „Ist man aber aufgeschlossen, erkennt man rasch, dass es in Wirklichkeit keine starren Grenzen zwischen den Musikstilen gibt. Alles hängt von unserer individuellen Wahrnehmung ab.“ Viele Komponisten habe man in ihrer Zeit als verrückt angesehen, sagt Rani. „Das Visionäre in ihrer Kunst spricht uns heute am ehesten an. Wir merken, dass Musik dieser Art voller Leben steckt.“
Mit ihrem Album wollen sie ein Zeichen der Hoffnung setzen. In den Corona-Monaten unterstützten sich die beiden Künstlerinnen gegenseitig und versuchten auch, anderen Musikern Mut zu machen. Im Zentrum stehen ihre Instrumente Klavier und Cello. „Anders als bei unserem ersten Album vor sechs Jahren haben wir die Instrumentalstimmen in mehreren Schichten übereinandergelegt“, so Rani. „Da durch dieses Layering ein voluminöserer Klang entsteht, fiel uns der Titel ‚Inner Symphonies‘ ein – einerseits etwas Intimes, das andererseits auch eine größere Dimension annimmt.“
Inspirieren ließ sich das Duo unter anderem von Max Richters Bearbeitung des Frühlings aus Vivaldis Vier Jahreszeiten. Der Song There Will be Hope bezieht sich dagegen auf Paul Thomas Andersons Kinodrama There Will be Blood. Die Vorliebe der beiden für fernöstliche Philosophie spiegelt sich in dem Titel Malasana – der Name steht für die sogenannte Girlandenhaltung beim Yoga. Auch die zahlreichen Wiederholungen innerhalb der Stücke lassen die Zuhörer wie bei einer Meditation allmählich in höhere Sphären abdriften.
Auftrittstermine und weitere Informationen zu Hania Rani und Dobrawa Czocher unter: www.hania-dobrawa.com