Isang Enders
Hassliebe mit Harmonie
von Roland H. Dippel
25. November 2022
Der Cellist Isang Enders und das WDR Sinfonieorchester haben anlässlich des zehnten Todestages von Hans Werner Henze ein Album mit dessen Cello-Kompositionen ausgenommen.
„Diese unmögliche Kombination: Hackbrett und Streichbrett, Hilflosigkeit und Pathos“ räsonierte Hans Werner Henze in einem Tagebucheintrag. Tatsächlich wirken die Fakturen des von Isang Enders auf seinem Streifzug durch Henzes Werke für das von diesem offenbar ungeliebte Cello widersprüchlich. Es gibt viel lyrisch Introspektives auf diesem anlässlich von Henzes zehntem Todestag erscheinenden Album, aber kein extrovertiertes Pathos. Wenn man weiß, dass Henzes Notenstimmen oft den Verlauf grafischer Linien, Bewegungen von fallenden Blättern und anderes nachahmen, wird dieses kompositorisches Verfahren um die Cello-Stimmen der ausgewählten Werke als großartige Verpackungs- und Umhüllungskunst erkennbar.
Denn es sind oft die Instrumentalstimmen, die das (Solo)-Cello mit Charisma aufladen, die in den Englischen Liebesliedern die für Henze charakteristischen Kantilenen beisteuern und der Ode an den Westwind eine dunkle wie durchlässige Schönheit geben. ‚Nebenstimmen‘ korrigieren die von Henze dem Cello zugesprochene Antipathie. Gerade in den aktuellen Krisen wird an diesen Klängen ersichtlich, dass Henze eine der profiliertesten Komponier-Handschriften des mittleren und späten 20. Jahrhunderts besaß. Die Stücke dieses Albums zeigen Formbewusstsein, ein exzellentes Gestaltungsvermögen für Atmosphären und Stimmungen, die Befähigung zum stillen Trauern ohne auftrumpfende Leidensgebärden und hohe Sensibilität für das musikalische Paraphrasieren von Literatur. Eine besondere und von Jonathan Stuckhammer mit Cello-Kolleg*innen und dem WDR Sinfonieorchester exquisit gestaltete Werkauswahl.