KlassikWoche 15/2020

Hoff­nung, Unter­hal­tung – aber auch Absagen

von Axel Brüggemann

6. April 2020

Katharina Wagner und die Verschiebung der Bayreuther Festspiele, das Probenverbot an der Bayerischen Staatsoper, Frank Stadler und Mirga Gražinytė-Tyla über ihre Corona-Erkrankung.

Will­kommen in der neuen Klas­sik­Woche,

nun ist es also so weit: die sind abge­sagt, der Sommer steht auf der Kippe. Und trotzdem scheint die Musik weiter zu gehen: neue Ideen, inno­va­tive Konzepte – und Möglich­keiten für die Welt nach Corona.

ABSAGE IN BAYREUTH

Die Bayreu­ther Fest­spiele wurden auf 2021 verschoben – nur ein Anfang?

Bund, Land, Stadt und Katha­rina Wagner haben die gesamten Bayreu­ther Fest­spiele von 2020 auf 2022 verschoben. Das verwun­dert kaum, denn das fast 2000 Plätze fassende Haus ist auf vielen Ebenen eine Viren­schleuder: ein kleiner Orches­ter­graben, weit­ge­hend älteres Publikum dicht an dicht – dazu die Proben zum gesamten „Ring“ von Valentin Schwarz, die möglichst schnell beginnen müssten: Aber wie, ohne Künstler, die anreisen können, ohne die Möglich­keit, Proben mit mehreren Menschen abzu­halten. Ein harter, aber verständ­li­cher Schlag für alle Wagne­rianer. Und vor allen Dingen für Bayreuth und Umge­bung, denn diese Region Fran­kens lebt in vieler Hinsicht von den Fest­spielen. Meine Einschät­zungen zur aktu­ellen Lage habe ich in der Kultur­zeit auf 3Sat kund­getan. Manuel Brug von der WELT sieht es ähnlich, glaubt, Bayreuth wäre das „Ischgl der Opern­welt“ geworden und hält es ebenso unvor­stellbar, dass die durch­ziehen kann, wie dass in am See gesungen wird. Die ’s Festi­vals und die Fest­spiele in Erl wurden eben­falls bereits abge­sagt. Wer kann auch schon die Verant­wor­tung für Künstler und Publikum über­nehmen? Einziger Kritiker all dieser Maßnahmen, der desi­gnierte Bayreuth-Wotan – er hält die COVID-19-Maßnahmen für zu strikt und erntete, zu Recht, einen gigan­ti­schen Shit­s­torm.

DIE POLIZEI BEI BACHLER 

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Ein nicht ganz ernst gemeintes Hörspiel mit einem schlecht Baye­risch spre­chenden Nord­deut­schen

Münchens Staats­opern-Direktor dachte, er könne die Verant­wor­tung über­nehmen: Eine Oper, an der nicht gespielt wird, sei keine Oper, sagte er und ließ die Proben zum Opern­pro­jekt „7 Deaths of “ weiter­laufen (wir haben berichtet). Ebenso wie die Ballett­proben. Das alles ging gut, bis die Polizei kam: Ausweis­kon­trolle und Probe­verbot! Ballett­chef Igor Zelensky war frus­triert, Bachler wütend – inzwi­schen hat er alle weiteren Proben abge­sagt, ebenso wie seinen wöchent­li­chen Live-Stream aus der Münchner Oper. Einen Tag zuvor führte Diri­gent noch ein span­nendes, was die Bedin­gungen anbe­langt, aber weit­ge­hend naives Gespräch mit Julia Spinola in der SZ. Ich habe die Ereig­nisse mal in einem Mini-Hörspiel zusam­men­ge­fasst 🙂 

MUSIK­HAUS THOMANN RUDERT ZURÜCK

Eine Welle von Entrüs­tung hatte das Musik­haus Thomann ausge­löst. Mit dem Angebot, sechs Wochen Musik­un­ter­richt für einen Euro, wollte es eigent­lich Kunden in der Corona-Krise zum Musik­ma­chen animieren. Aber die Aktion ging nach hinten los. Musik­lehrer, die um ihre Exis­tenz bangen, gingen auf die Barri­kaden. Und Thomann ruderte schnell und souverän zurück: „Das Feed­back haben wir uns zu Herzen genommen und haben uns intensiv damit ausein­an­der­ge­setzt. Wir tauschten uns mit vielen unserer Kunden aus, reagierten auf Mails und Kommen­tare und griffen zum Telefon. Vielen Dank für euer offenes und ehrli­ches Feed­back.“ 

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Eine Auswahl der über 900 Klassiklabels aus der Naxos Music Library

Premi­um­Hören-Play­list der Woche: #staya­thome und hörKlassik Folge1

CRESCENDO-Chef­re­dak­teurin Barbara Schulz hat ihre Play­liste für diese Zeiten zusam­men­ge­stellt.
Kosten­frei und unver­bind­lich in Premi­um­qua­lität hören. Wir wollen Ihnen einfach eine Freude machen. Hier können Sie sich regis­trieren

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IM SCHATTEN VON CORONA

Die NZZ macht in einem span­nenden Artikel darauf aufmerksam, welche Groß­pro­jekte der Musik durch Corona nun auf der Kippe stehen – unter anderem die Sanie­rungen in und : „In Frank­furt liegt das gesamte Vorhaben eines Neubaus von Opern- und Schau­spiel­haus auf Eis. Frank­furts Ober­bür­ger­meister Peter Feld­mann (SPD) hat dem im Januar dieses Jahres beschlos­senen Gross­pro­jekt unter den gegen­wär­tigen Umständen eine Absage erteilt: Erst müsse die Stadt wieder auf die Beine kommen, bevor Hunderte Millionen Euro inves­tiert werden könnten, sagte Feld­mann.

IM AUGE VON CORONA

Von der Corona-Infek­tion genesen: die Diri­gentin

Etwas über­ra­schend ist das State­ment von Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grüt­ters. Der Deutsch­land­funk zitiert sie mit dem Satz, dass die Kultur­szene in ihrer Exis­tenz nicht durch Corona bedroht sei. Kein Wunder, dass diese Worte für einen Aufschrei in den sozialen Medien gesorgt haben: Nachdem Grüt­ters beson­ders Frei­be­ruf­lern anfäng­lich groß­spurig Hilfe vom Bund verspro­chen, sich dann haupt­säch­lich auf die Film­för­de­rung gestürzt und sich öffent­lich­keits­wirksam bei der Orchester-Stif­tung in Szene gesetzt hatte, ist es inzwi­schen still um sie geworden. Ein eher mittel­mä­ßiges Krisen­ma­nage­ment. +++ Frank Stadler, Konzert­meister des Mozar­te­u­mor­ches­ters, und seine Lebens­ge­fährtin, die Diri­genten Mirga Graži­nytė-Tyla, erklären: „Wir haben es hinter uns“ – beide waren mit dem Corona-Virus infi­ziert. +++ Gleich­zeitig sorgt die Nach­richt einer Chor­probe – auch wir haben darüber schon einmal berichtet – für Aufsehen und erklärt jede aktu­elle Absage: In den infi­zierten sich bei einer Probe drei Viertel der Mitglieder, zwei starben. +++ Dem Corona-Virus mit 52 Jahren zum Opfer gefallen ist auch Adam Schle­singer, der unter anderem die Musik für „Mitten ins Herz – Ein Song für dich“ mit Hugh Grant kompo­nierte. 

NOCH EINMAL: DANKE

Die 20.000 Euro unserer Hilfs­ak­tion „Künstler in Not“ sind ausge­zahlt worden und bei den Empfän­gern ange­kommen. Über­wäl­ti­gend sind die Reak­tionen der Künstler. Allen Spen­dern noch einmal vielen Dank – auf unserer Seite können Sie lesen, wem Sie mit Ihrer Hilfe tatsäch­lich geholfen haben.

WAS DAS NETZ HERGIBT

Ein Klas­siker ist inzwi­schen die Familie, die Les Misé­ra­bles im Wohn­zimmer anstimmt – mit großem Finale des Fami­li­en­va­ters. Für Wagne­rianer empfehle ich noch einen Klas­siker: Bugs Bunny mit Wagner, und auch die ausführ­li­chen Künstler-Gespräche aus „Brüg­ge­manns Begeg­nungen“ sind inzwi­schen fort­ge­setzt: Neben , oder habe ich mich in der neuen Folge fast zwei Stunden lang mit dem Wagner-Tenor unter­halten: über seine Kind­heit auf dem Berg­bau­ernhof, das Internat im Stift , die frühe Operetten-Karriere und natür­lich: die Bayreu­ther Fest­spiele. 

In diesem Sinne, halten Sie die Ohren steif

Ihr

brueggemann@​crescendo.​de