Claus Guth

Dunkle Dorf­szenen

von Roland H. Dippel

11. Oktober 2022

Claus Guth setzte 2021 am Royal Opera House in London mit Asmik Grigorian in der Titelrolle und Elena Zilio als Küsterin Leoš Janáčeks Oper »Jenůfa« in Szene. Eine Aufzeichnung der Inszenierung liegt auf DVD und Blu-ray Disc vor.

Ein aufwüh­lender mora­li­scher Konflikt steht im Zentrum dieser Oper: Die Küsterin ertränkt das Neuge­bo­rene ihrer Zieh­tochter Jenůfa, um dieser die Schande einer unver­hei­ra­teten Mutter zu ersparen, und erhält von dieser vor dem Frei­heits­entzug ihre Verzei­hung. In Michael Levines dunklem Bühnen­raum und Gesine Völms Kostümen gibt es in der konzen­trierten Tanz­szene des ersten Aktes und bei der Hoch­zeits­feier im dritten zellen­ar­tige Farb­ak­zente. Erst wirkt Claus Guths Sicht­weise auf das raue Leben in den böhmi­schen Dörfern fast zu neutral, sogar wenn die Hänge­lampen unter weißen Schmuck­tü­chern bei sich zuspit­zender Hand­lung als Kinder-Wiegen erkennbar werden.

Trailer zur Insze­nie­rung von am Royal Opera House

Weil Henrik Nanasi im Orchester mit einer zu Guth bestens affinen Klar­heit arti­ku­liert, bleibt der große Emoti­ons­schub Sache des Sänger­ensem­bles. wieder­holt ihre groß­ar­tige und ausdrucks­starke Darstel­lung der Küsterin, Nicky Spence macht aus dem Jenůfa liebenden Laca die eindring­liche Studie. Eigen­ar­ti­ger­weise bleibt in der ihr eigent­lich ideal liegenden Titel­partie an Inten­sität etwas an den viel­leicht über­stei­gerten Erwar­tungen zurück. Sie als Jüngste in einer Dynastie von Männern um ihr Leben betro­genen Frauen wirkt unter diesen am meisten abge­klärt, zumal auch Elena Zilio als alte Burya einen starken Eindruck macht. Aus einem Volks­stück wird ein fast zu elegantes Schwarzes Theater über Läute­rung und Resi­gna­tion.

Fotos: Ph. Tristram Kenton / Royal Opera House