Maria Dueñas

Nichts von der Stange

von Jens Laurson

24. Mai 2023

Die erst 21-jährige María Dueñas hat bereits jetzt sehr genaue Vorstellungen davon, was sie will: Musik jenseits des Standards. Auf ihrem Debutalbum begeistert sie mit eigenen Kadenzen zu großen Werken, ohne sich selbst in den Vordergund zu stellen.

Seit gut sechs Jahren lebt und studiert die Geigerin Maria Dueñas in Wien und entspre­chend perfekt sitzt das Deutsch. Termin­be­dingt findet das Inter­view nicht wie geplant in einem wiene­ri­schen Kaffee­haus zwischen Geschirr­ge­klimper, Mélange und Einspänner statt, sondern per Video übers Internet. Das hat weniger Flair und hinter­lässt weniger Eindruck, aber nach den letzten Jahren kennt man das, ja fast hat man sich daran gewöhnt. Die für aufstre­bende Künstler kaum vermeid­bare Pflicht­übung „Inter­view“ legt auch gleich die erste Frage nahe:

CRESCENDO: Wie viel Zeit nehmen denn die nicht musi­ka­li­schen Aspekte Ihrer Karriere in Anspruch?

MARÍA DUEÑAS: Das kommt darauf an – und ist immer etwas unter­schied­lich. Ich mache auch viele andere Sachen, die mit Musik zu tun haben; ich studiere noch. Aber die Geige ist schon immer im Mittel­punkt, andere Dinge versuche ich möglichst zu redu­zieren.

Und wie viel Zeit bleibt einem dann für extra-musi­ka­li­sche Dinge?

Oh, dafür finde ich immer Zeit. Als Künstler muss man ja immer offen bleiben. Ich treibe gerne Sport, lese gerne – viel über Musik und über Kompo­nisten, gerade auch weniger bekann­tere, weil ich Freude daran habe, Stücke zu spielen, die viel­leicht noch nicht jedem bekannt sind. Aber ich lese auch Einiges, was nichts mit Musik zu tun hat, wobei ich dann viel spani­sche und deut­sche Lite­ratur zur Auswahl habe. Auf jeden Fall ist es – bei aller Bean­spru­chung – wichtig, sich auch immer weiter­zu­bilden.

Maria Dueñas gibt Einblicke in ihr Album und spielt mit den Wiener Sympho­niker unter das Wiegen­lied op. 20 von .

Sie haben schon einige Wett­be­werbs­er­folge errungen, zuletzt erst als Gewin­nerin der Menuhin Compe­ti­tion für junge Geiger. Was unter­scheidet denn erfolg­rei­ches Wett­be­werbs­spiel von befrie­di­gendem Konzer­tieren?

Wett­be­werbe sind natür­lich eine ganz eigene Geschichte. Der Haupt­grund ist, dass man nicht nur im tech­ni­schen und physi­schen Bereich gut vorbe­reitet sein muss, sondern auch im mentalen Bereich. Und das hat mich immer sehr moti­viert. Heraus­zu­finden, wie ich unter Druck spielen kann. Und was ich immer sehr reiz­voll fand: dass ich für Wett­be­werbe immer viel, oft neues Reper­toire lernen musste.

Aber sind Sie jetzt, da Ihre Karriere gut Fahrt aufge­nommen hat, auch froh, keine Wett­be­werbe mehr spielen zu müssen?

[Lacht] Ja, das schon.

Maria Dueñas

»Bei den Kadenzen sieht man, wie ein Konzert über die Jahre verstanden wurde«

Sie haben vorhin ange­spro­chen, gerne Werke zu präsen­tieren, die abseits des Stan­dard­re­per­toires sind. Das bringt uns doch gleich zu Ihrer Einspie­lung mit Manfred Honeck und den Wiener Sympho­ni­kern des Violin­kon­zerts von Beet­hoven. An sich – zuge­geben – noch keine beson­ders exoti­sche Wahl. Aber Sie spielen nicht nur Ihre eigenen Kadenzen dazu, sondern garnieren das Ganze auch noch mit fünf weiteren Kompo­nisten: Spohr, Ysaÿe, Saint-Saëns, Wieniawski und Kreisler – und zwar jeweils mit kleinen Werken für Geige und Orchester, aber auch jeweils mit deren Kadenzen für den Beet­hoven. Wie hat Ihr Inter­esse für diese Kadenzen begonnen?

Nun, ich wollte eben nicht nur das tradi­tio­nelle Begleit­pro­gramm zu Beet­hoven, sondern wollte dem Publikum auch etwas Neues präsen­tieren, da es mir wichtig ist, den Leuten weniger häufig gespieltes Reper­toire zu präsen­tieren und Verbin­dungen zwischen Bekanntem und Unbe­kanntem zu schlagen. Und bei den Kadenzen sieht man sehr schön die Entwick­lung, wie das Konzert über die Jahre und Jahr­zehnte verstanden – und auch gespielt – wurde. Bei Saent-Saëns ist es zum Beispiel deut­lich roman­ti­scher. Und Kreisler – und das ist wohl auch der Grund, warum diese Kadenz so lange so sehr populär war – bleibt halt sehr eng an Beet­hoven. Das war aller­dings auch mein Ziel: nicht so sehr mich selbst in die Kadenz einzu­bringen, sondern die Essenz Beet­ho­vens zu erhalten.

Maria Dueñas

»Ich liebe die alten großen Sänge­rinnen und Sänger«

Bei Ihrem Inter­esse an weniger bekannten Werken: Welches unter den unglaub­lich Zigtau­senden von über­lie­ferten Violin­kon­zerten würden Sie denn gerne spielen?

Es ist nie ganz einfach, sich unter so vielen für ein Stück zu entscheiden, weil jedes Werk etwas hat, was es einzig­artig macht. Aber es gibt da schon einige Projekte in diesem Bereich, wie zum Beispiel das Konzert Altar de Cuerda von Gabriela Ortiz, das ich prämieren durfte und das für mich geschrieben wurde. Dabei ist das ein immer weiter­füh­render Prozess, der darüber hinaus­geht, ein Konzert nur zu spielen, sondern eben auch beinhaltet, Dinge zu entwi­ckeln und ändern zu können. Und dann haben wir noch ein weiteres Projekt in Vorbe­rei­tung, über das ich aller­dings noch nicht zu viel verraten darf. Nur, dass es ein Konzert sein wird, das bisher nur einmal in der Geschichte gespielt wurde. Aber das war ja auch der Fall mit Beet­ho­vens Konzert, bis es Joachim wieder­ent­deckte.

Zu guter Letzt noch ein Lieb­lings­mu­sik­stück, in dem die Geige nicht vorkommt: Ich höre sehr gerne Popmusik und bin da eher altmo­disch. Ich liebe die alten großen Sänge­rinnen und Sänger, Frank Sinatra, zum Beispiel. Whitney Huston, Céline Dion … Das ist der Stil, den ich gerne höre. Und dafür nehme ich mir auch die Zeit, zu Vinyl zu greifen und es auf den Plat­ten­spieler lege.

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Auftrittstermine und weitere Informationen zu María Dueñas: www.mariaduenasviolin.com

Fotos: Felix Broede