Axel Ranisch
Mutiger Mix
von Antoinette Schmelter-Kaiser
19. September 2022
Der Regisseur Axel Ranisch nimmt mit »Orphea in Love« einen bekannten Stoff als Spielwiese, indem er ihn in einer hybriden Form aus Oper und Film heutig erzählt und die Geschlechterrollen umdreht.
Orphea in Love – diese Oper findet sich in keinem Werksverzeichnis. Trotzdem ging am 17. September 2022 im Münchner Nationaltheater eine Uraufführung dieses Titels über die Bühne beziehungsweise eine große Leinwand auf derselben. Hintergrund war der Wunsch des Intendanten Serge Dorny, Oper in einer „hybriden Form“ als Film einem breiteren Publikum zu vermitteln und es „vielleicht in einer ersten Begegnung“ für sie zu begeistern.
Mit Axel Ranisch entwickelte er ein Drehbuch, das eine Opernaufführung – wie bereits seit den 1960er Jahren üblich – nicht nur mit der Kamera festhalten, sondern sie „auf andere Art und Weise“ in Szene setzen sollte. Inhaltlich basiert die Produktion auf dem Mythos von Orpheus und Eurydike, der die Musikgeschichte entscheidend prägte. Denn Jacopo Peris 1600 uraufgeführtes Werk L’Euridice gilt als älteste vollständig erhaltenen Oper, 1607 folgte Monteverdis L’Orfeo.
Mit der Toccata aus dessen Musiktheaterstück beginnt Ranischs Film, der den bekannten Stoff als „Spielwiese“ nimmt, ihn „heutig erzählt“ und die Geschlechter umdreht: Orphea alias Nele arbeitet in einem Callcenter und verliebt sich einen Straßenkünstler, der ihr als Teil eines Taschendieb-Duos das Portemonnaie stiehlt und sich dabei in sein Opfer verguckt. Spielerisch-suchend findet das Paar zueinander, bis Kolya schwer verunglückt. In einem „alternativen Ende“ und nach herausfordernden Prüfungen kann ihn Nele retten, muss dafür allerdings ihre vielversprechende Singstimme opfern. Mit dieser träumt sich Nele in einer Parallelhandlung immer wieder in eine andere, bessere Welt. Axel Ranisch, der seit 2004 Filme dreht und 2013 an der Bayerischen Staatsoper als Opern-Regisseur debütierte, scheut weder vor großen Gefühlen noch vor Komik und Selbst- und Insider-Ironie zurück. Mal mit Szenen in moderner Video-Ästhetik, mal mit surreal-schrillen oder innigen Aufnahmen auf Tuchfühlung, mixt er mutig unterschiedliche Genres und klassische Musikstücke. Konstante ist die Liebesgeschichte eines ungleichen Paars, die in den Hauptrollen die estnische Sopranistin Mirjam Mesak als Orphea / Nele mit ihrer herausragenden Stimme und Guido Badalamenti als Kolya mit virtuosen tänzerischen Bewegungen erzählen.
Hingucker außer Mirjam Mesak und Guido Badalamenti sind außergewöhnliche Orte, an denen quer durch Deutschland gedreht wurde – egal ob Unterführungen voller Graffiti, verfallende Bahn-Anlagen oder Steilküste und Strände an der Ostsee.
Nach der Premiere in München, bei der Axel Ranisch einen Großteil der Mitwirkenden auf die Bühne holte und sie in einer launigen Präsentation vom Publikum feiern ließ, soll Orphea in Love am 1. Juni 2023 ins Kino kommen.