P. D. Q. Bach
Originalität durch Unfähigkeit
von Peter Schickele
26. Juni 2017
Das bewegte Leben des berühmten Bach-Sohns P. D. Q., der vor allem durch seine Werke für Kazoo, Pandämonium und Solohund berühmt wurde.
Zur Person: Bach, P. D. Q., *31. März 1742 in Leipzig, †1807 in Baden-Baden, Komponist (Autodidakt). Als 21. Kind von Johann Sebastian Bach hatte P. D. Q. Bach im Alter von fünf Jahren noch immer keinen Namen erhalten, und nach wiederholten Ermahnungen durch den älteren Bruder Wilhelm Friedemann gab ihm der Vater zumindest die Kürzel P. D. Q., die weder vom Komponisten selbst noch von der Rezeption jemals entschlüsselt werden konnten (einziger Hinweis: engl. Kürzel für pretty damn quick).
Nach einer eher heiteren frühen Kindheit (er war zu jung, um für den Vater Kopierarbeiten zu erledigen oder die Blasebälge der Kirchenorgel zu betätigen, krabbelte aber häufig unter deren Tastatur und setzte sich auf eines der Pedale; der daraus resultierende musikalische Effekt ist auch als Orgelpunkt bekannt geworden) musste der Junge sich wahrscheinlich seit seinem achten Lebensjahr allein durchschlagen, da der Vater ihm ein letztes Mal sein Desinteresse bezeugte, indem er verstarb. Sein Anteil an der Hinterlassenschaft war einzig ein Kazoo (→ Mirliton, MGG2S, Bd. 6, 1997; s. auch Werkverzeichnis).
Das lauteste jemals geschaffene Instrument
1755 ist seine Lehre in Dudeldorf bei einem Schreiner namens Ludwig Zahnstocher bezeugt, dem Erfinder der Singenden Säge, den P. D. Q. zu seinen selbst komponierten Giguen und anderen Tänzen am Klavier begleitete und mit dem er zusammen das Pandämonium, das wohl lauteste jemals geschaffene Instrument, erfand. Nach kurzen Aufenthalten in Salzburg (1756), Muhenburg (Farinelli soll P. D. Q. gleich beim ersten Vorsingen in der dortigen Kastratenschule ausgesondert haben), Dublin, London (Johann Christian Bach soll hier den Begriff Composteur zur Beschreibung seines jüngeren Bruders geprägt haben) und St. Petersburg gelangte er in die Türkei (einige Kompositionen bezeugen den tiefen Eindruck, den der Nahe Osten auf ihn gemacht hat) und bereiste auch andere europäische Länder, bis er sich 1777 schließlich in Wien befand: „Hier trieb ihn der Name seiner Familie zurück zur Kunst seiner Familie, dieses Mal mit Ergebnissen, die beides zu ruinieren drohten“ (P. Schickele 21998, S. 51). Joh. Chr. Kittel jedenfalls stellte den Kontakt zu dem für die Wiederbelebung der Werke von J. S. Bach wichtigen Baron G. van Swieten her, dem P. D. Q. eigentlich nur sein Familienerbstück, das Kazoo, zum Verkauf anbieten wollte. Ein musikalischer Nachmittag bei van Swieten markierte jedoch einen Wendepunkt in seinem Leben, da für ihn das Verfassen von Kompositionen fortan einer der leichtesten Wege zu sein schien, den Lebensunterhalt zu bestreiten (s. Brief an seinen Freund in Dudelsdorf, zit. Nach Schickele 21998, S. 59). 1778 zog P. D. Q. dann nach Wein-am-Rhein, eine Stadt, der er sich sein ganzes Leben lang verbunden fühlte und die ganz seinem Wesen entsprach.
Ein monströses Lebenswerk
Im Alter von drei Jahren beschloss P. D. Q. Bach, die Musik für den Rest seines Lebens abzuschreiben, ein Entschluss als Gegenreaktion auf die Nichtbeachtung durch seinen übermächtigen Vater, der zunächst jedoch ebenso unbeachtet blieb. Als er im Alter von 35 Jahren dann doch zu komponieren begann, schrieb er für die ungewöhnlichsten Besetzungen und Instrumente. Das völlige Fehlen von Begabung und sein Credo „Originalität durch Unfähigkeit“ prägten sein monströses Lebenswerk, das (soweit wir es bis hierher kennen) „den Gang der Musikgeschichte nicht um ein Jota veränderte“ (vgl. Schickele 21998, S. 26). Nachdem der Komponist über 200 Jahre völlig in Vergessenheit geraten war, ist es Peter Schickele (und der Unterstützung durch die Univ. of Southern North Dakota at Hoople) zu verdanken, dass das Interesse an dem ungeliebten Bachsohn heute ungebrochen ist. Über 50 der angesehensten Orchester (u. a. Chicago Symphony Orchestra, New York Philharmonic Orchestra, London Symphony Orchestra) haben sich seither um seine Werke bemüht.
Aus: Finscher, Ludwig (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik begründet von Friedrich Blume. Zweite, neu bearbeitete Ausgabe. Personenteil. Band 1: Aa – Bae. Kassel, Basel, London und andere, 1999. S. 1551 f. (Bärenreiter)